Der Weg des heiligen Augustinus zu Gott




Vor 1670 Jahren erblickte der heilige Augustinus das Licht der Welt.
In drei Lebensabschnitten veränderte sich seine Beziehung zur Sprache und führte ihn immer mehr zur Tugend und zu Gott.
Sein Weg und sein Denken beeindrucken noch heute.



Titelbild
Augustinus von Hippo (von 354–430 n. Chr.) fand durch die Sprache den Weg zu Gott. Kupferstich mit Darstellung des Heiligen, 17. Jahrhundert von einem unbekanntem Künstler.Foto: Gemeinfrei
Von 1. Dezember 2024

Als der 16-jährige Augustinus um 370 nach Christus aus dem Garten eines Nachbarn eine Handvoll Birnen stiehlt und verspeist, macht sich in ihm nagende Reue breit. Jahre später fragt er sich in seinen berühmten „Confessiones“, warum er die Früchte denn stahl, obwohl er nicht einmal Hunger verspürt hatte.

Das Ergebnis seiner Gedanken ist, dass niemand das Schlechte um des Schlechten willen begehren würde. Vielmehr zöge der Mensch geringere, aber einfach und sofort verfügbare Güter, größeren und schwer zu erreichenden Gütern vor.

Ein Meisterwerk der Einsichten

Diese hellsichtige Einsicht in das Wesen der Sünde ist für Augustinus der Auslöser für die Niederschrift seines berühmtesten Werks, seiner „Bekenntnisse“. Der britische Geisteswissenschaftler und Theologe Henry Chadwick nennt die „Confessiones“ eines „der großen Meisterwerke abendländischer Literatur“.

Augustinuns beschreibt in diesem Meisterwerk in aller Offenheit eine Reihe von Begebenheiten seiner Jugend, doch auch seine Kämpfe mit Sündhaftigkeit und heidnischen Einflüssen im Mannesalter.

Besonders deutlich zeigt sich jedoch die Entwicklung des späteren Heiligen von der Sünde hin zur Tugend in den drei Phasen, die sein Verhältnis zur Sprache verändern.

Doch nicht nur das. Augustinus erkennt, dass diese Veränderung im Einklang mit seiner sich grundlegend wandelnden Gottesbeziehung steht.

Der heilige Augustinus, gemalt von Philippe de Champaigne, um 1650, Öl auf Leinwand, 78,7 cm x 62,2 cm. Los Angeles County Museum of Art. Foto: Gemeinfrei

Augustinus und die Rhetorik

Im Jahr 354 nach Christus wird Augustinus in der Stadt Thagaste in der römischen Provinz Numidia, dem heutigen Algerien, geboren. Als er elf Jahre alt ist, beginnt seine Schullaufbahn, die ihn mit römischer Literatur und römisch-heidnischem Götterglauben in Berührung bringt.

Mit 17 Jahren zieht es ihn zum Studium der Rhetorik nach Karthago. Gelockt von den Versuchungen einer großen umtriebigen Stadt, tut sich Augustinus mit anderen halbstarken Jugendlichen zusammen und wird geradezu süchtig nach Ausschweifungen aller Art.
 Ein Verhalten, das bis in sein Erwachsenenalter anhält. Inzwischen ist er als Professor für Rhetorik an den kaiserlichen Hof nach Mailand berufen worden.

In der Lehre der Redekunst und seinen öffentlichen Reden ist er kaum zu übertreffen. Gleichzeitig ermüdet ihn gerade dies zunehmend: die weltlich ausgerichtete Rhetorik und die Jagd nach Ruhm und Erfolg.

Immer klarer erkennt er, dass „rhetorisch geschulte Menschen mit sprachlichem Geschick [….] ihre Lügen übertünchen, die Massen betrügen, um diese zu verführen, [damit sie] geschmeidig dargestellte Untaten statt guter Werke […] begrüßen.“

Wenn Redner, so stellt Augustinus fest, „ihre Lüste und Begierden mit reichem Wortschatz, gut konstruierten Sätzen, überbordendem und ausgeschmücktem Stil beschreiben, erhalten sie von den Zuhörern großes Lob und gratulieren sich auch noch selbst“. In der Welt der Redekunst, in der sich Augustinus bewegt, steht weltliche Anerkennung über allem anderen.

Und tatsächlich: Durch seine hervorragenden sprachlichen Fähigkeiten erlangt Augustinus den Ruf eines der besten Rhetoriker des gesamten Römischen Reiches.

Sein kometenhafter Aufstieg ist jedoch, so erkennt er, ähnlich dem Diebstahl der Birnen, nichts anderes als eine Jagd nach „geringen Gütern“. Nur sind die Ziele seiner Begierde keine Früchte, sondern Eitelkeit, Geld und Berühmtheit. Völlig eingetaucht in diese Welt der Oberflächlichkeit, die ihn langsam seelisch vergiftet, sieht Augustinus jedoch einen schmalen Lichtstreif am Horizont. Er beginnt, philosophische Texte zu lesen.

Augustinus und die Philosophie

So ergreift ihn die Lektüre des römischen Staatsmanns Cicero tief. Besonders der berühmte Dialog „Hortensius“ über die Gespräche Ciceros mit seinem Konkurrenten Quintus Hortensius Hortalus faszinieren ihn. Denn trotz der beruflichen Rivalität der beiden römischen Staatsmänner in der rhetorischen Arena der römischen Republik bewundert Cicero sein Gegenüber Hortensius aufgrund seines großen Wissens.

Die einander gewogenen Kontrahenten tauschen sich in ihrem Dialog auch über die bestmögliche Verwendung von Mußezeit aus und einigen sich darauf, dass dies die Beschäftigung mit der Philosophie sei.

Marcus Tullius Cicero, Marmorbüste von Bertel Thorvaldsen, um 1800, als Kopie des antiken, römischen Originals, Thorvaldsens Museum, Copenhagen. Foto: Gemeinfrei

Vor allem die Gedanken Ciceros inspirieren Augustinus. Die Ermahnung des römischen Staatsmanns an den Leser, „Weisheit, wo auch immer sie zu finden sei“ neugierig und konsequent zu suchen, bewegt den späteren Heiligen.

Ciceros Ermutigung bringt ihn dazu, den eigenen Mangel an Offenheit und geistiger Dialogbereitschaft zu überdenken. „Jede eitle Hoffnung wurde mir mit einem Mal völlig wertlos; und ich sehnte mich mit unglaublich brennendem Wunsch nach unsterblicher Weisheit, und begann zu erwachen“, schreibt Augustinus.

Schon vor Jahren hatten die Bücher Platons den jugendlichen Augustinus berührt. Durch die antike, heidnische Philosophie entfernt er sich nun langsam und immer weiter von seiner pragmatischen, auf materielle Ziele ausgerichtete, Redekunst.

Doch nicht nur die Philosophie hilft Augustinus seelisch moralische Täler zu überwinden. Es wird ihm klar, dass antike, heidnische Autoren keinerlei Hinweise auf die Inkarnation geben. „Dass das Wort Fleisch wurde und unter uns gewohnt hat, lese ich dort nicht“, schreibt Augustinus.

Seine Begegnung mit dem heiligen Ambrosius führt schließlich dazu, dass sich sein Geist für die wesentliche Bedeutung des christlichen Glaubens öffnet.

Der heilige Ambrosius und die Bekehrung des Augustinus

Der heilige Ambrosius, Theologe und Bischof vom Mailand von 374 bis 397, lehrt Augustinus, die Heilige Schrift allegorisch zu lesen. Statt wortwörtlicher Bedeutungen stellt er Symbole und Gleichnisse in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Sein Ziel ist es, Textstellen, die in ihrer reinen Wortbedeutung „eine widersprüchliche Lehre zu enthalten scheinen“, „geistlich auszulegen“.

Das letzte Kapitel der „Bekenntnisse“ des Augustinus gibt ein Beispiel für die bildhaft symbolische Leseweise, die der heilige Augustinus nun von Ambrosius übernimmt. So spricht Augustinus über die in der Genesis erwähnten „Fische und Wale“ und interpretiert sie als Symbole für „die Sakramente und […] Wunder“, die „unwissende und ungläubige Menschen“ an den Glauben heranführen und bekehren.

Als Augustinus Bischof Ambrosius erstmals begegnet, kannte er zwar bereits die Bibel, hatte aber jede Hoffnung in die Lehre der katholischen Kirche aufgegeben. Und „zuerst“, so erinnert er sich später, habe er Ambrosius „nicht als Lehrer der Wahrheit“ geliebt, sondern „nur als freundlichen Mann“, „denn ich hatte völlig aufgegeben, sie in […] der Kirche zu finden“.

Die einzigartige Freundschaft der beiden heiligen Männer markiert nun jedoch die nächste und entscheidende Wende im Denken des Augustinus in Bezug auf die Sprache.

Bis hierhin hatte er Sprache für das Erreichen pragmatischer Ziele oder für das Studium antiker Autoren verwendet. Nun ist er dazu bereit, die höchste und zugleich tiefste Sprache zu erfassen, zu deren Verständnis der Mensch befähigt ist – die der Heiligen Schrift.

Der heilige Ambrosius tauft den heiligen Augustinus, Umbrischer Meister, um 1500. Foto: Gemeinfrei

Im Jahr 386 nach Christus bekehrt sich Augustinus zum Christentum. In seinen „Confessiones“ berichtet er, dass er zu vorher die Stimme eines Kindes vernommen hatte, das ihn mit den Worten „Nimm und lies!“ einlud, die Heilige Schrift aufzuschlagen.

Er öffnet das Buch der Bücher und stößt wie durch Zufall auf einen Brief des heiligen Paulus, der eindringlich mahnt, Trunksucht und Laster aufzugeben.

Diese Worte finden in Augustinus’ Seele so tiefgreifenden Widerhall, dass er im gleichen Moment entscheidet, den Rest seines Lebens der Verbreitung der Frohen Botschaft Christi zu widmen. Er verlässt umgehend seine Stelle als Professor der Rhetorik und wird vier Jahre später, im Jahr 391, in seiner Heimatstadt Hippo zum Priester geweiht.

Durch Worte zu Gott

Die lebenslange Auseinandersetzung des heiligen Augustinus mit der Sprache und ihrer Verwendung ist besonders zu Beginn seiner „Bekenntnisse“ zu erkennen. In einem Gebet preist er Gott und fragt zugleich:
„Doch mit diesen Worten, was sage ich, mein Gott, mein Leben, meine heilige Süßigkeit? Was kann man mit Worten sagen, wenn man über Dich spricht?“

Der heilige Bischof wusste, dass Beschreibungen Gottes, dessen unergründliche Natur nur auf begrenzte Vorstellungen reduzieren kann. Gleichzeitig war ihm auch bewusst, dass wir der Sprache bedürfen, um Gottes Schöpfung zu preisen.

„Wehe denen, die über Dich schweigen. In all ihrer ausschweifenden Geschwätzigkeit haben sie nichts zu sagen“, schreibt Augustinus.

Älteste Darstellung des heiligen Augustinus, 6. Jahrhundert, Fresco aus dem Lateran in Rom, von unbekanntem Künstler. Foto: Gemeinfrei

Während seines langen Lebens kam er Schritt für Schritt zur Erkenntnis, dass Sprache, die um ihrer selbst willen verwendet wird, Gefahr läuft, gänzlich fehlzugehen.

Von der eigenen pragmatischen Anwendung über die Lehre nutzbringender Rhetorik gelangt er zum Studium klassischer Denker, um an vorchristlicher Weisheit zu wachsen. Doch erst die Bekehrung zum Christentum lässt ihn die Sprache der Heiligen Schrift als höchsten denkbaren sprachlichen Ausdruck erkennen.

Treu folgt er fortan den Worten des zweiten Briefs des Apostels Paulus an Timotheus (2:14): „Bringe dies in Erinnerung und bezeuge ernstlich vor dem Herrn, dass man nicht um Worte streiten soll, was zu nichts nütze ist als zur Verwirrung der Zuhörer.“

Sprache soll als Werkzeug dienen, um sich selbst und seinen Platz in der Schöpfung zu erkennen. Eindrucksvoll legt Augustinus darüber hinaus dar, dass trotz der Begrenztheit unseres menschlichen Geistes, es uns nur durch Worte und letztlich nur durch das Wort Gottes möglich ist, zu einer erfüllenden Gotteserkenntnis zu gelangen.

Welcher religiösen Anschauung wir auch immer angehören – das Leben des heiligen Augustinus bietet ein hilfreiches Beispiel, wie eine geistige Reise in, mit und durch Worte Gestalt annehmen kann. Eine Reise, die uns zu den tiefsten und schönsten Geheimnissen im Herzen führt.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Saint Augustine of Hippo’s 3-Stage Path to the Divine“. (deutsche Bearbeitung sw)



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