Shell und bp: Schrittweise Abkehr von Erneuerbare-Geschäften?
Überraschende Entwicklung in der Energiebranche: Der britische Ölkonzern bp (ehemals British Petroleum) scheint seine Bemühungen, sich an der Energiewende zu beteiligen, wieder zurückzufahren. Das Unternehmen hat vor Kurzem sein Windenergiegeschäft an Land in den USA auf den Markt geworfen. Dessen geschätzter Gesamtwert liegt bei rund 2 Milliarden US-Dollar (rund 1,84 Milliarden Euro).
Mit diesem Schritt verkleinert der Ölkonzern seine Kapazitäten im Bereich der sogenannten erneuerbaren Energien. Laut consultingmagazin.de trennt er sich damit von unrentablen Vermögenswerten. Zum Verkauf stehen neun bp-Windparks und ein Windparkanteil in Hawaii. Beim Konkurrenten Shell ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten.
Wind flop, Solar top
Bereits im vergangenen Jahr schrieb bp sein Windenergiegeschäft auf See in den Vereinigten Staaten mit umgerechnet 1,01 Milliarden Euro ab. Der Grund: Drei Offshore-Windkraftprojekte vor der Ostküste erfüllten nicht die Erwartungen.
Anja-Isabel Dotzenrath, ehemalige Leiterin des Erneuerbaren-Geschäfts, teilte hierzu bereits im November 2023 mit: „Offshore-Wind in den USA ist grundsätzlich kaputt.“ Seit April ist sie nicht mehr für bp tätig.
Allerdings wendet sich bp nicht von allen erneuerbaren Energiequellen ab. Das konzerneigene Solargeschäft Lightsource bp plant das Unternehmen weiter auszubauen. Bp teilte im September mit, dass das Windenergiegeschäft an Land nicht mit den Wachstumsplänen von Lightsource bp kompatibel sei. „Wir werden unser Portfolio weiter vereinfachen und den Fokus auf den Nutzwert legen“, so William Lin, der neue Leiter der Gas- und Niedrig-CO₂-Sparte.
Fokus auf das Kerngeschäft
Der Ölkonzern will sich insgesamt wieder mehr auf sein Kerngeschäft konzentrieren – die Herstellung von Schmier- und Kraftstoffen, Heizöl sowie petrochemischen Produkten.
Eine Abstoßung findet allerdings auch im fossilen Bereich statt. Wie das Unternehmen laut „BNN Bloomberg“ mitteilte, plant es seine Beteiligung an einer Erdgaspipeline, die von der griechisch-türkischen Grenze bis nach Süditalien, zumindest teilweise abgeben. Diesen Anteil soll die in New York ansässige Investmentfirma Apollo Global Management übernehmen. Der Handelswert beträgt umgerechnet rund 920 Millionen Euro.
Mit diesen Abstoßungen will bp Investoren anlocken. Das Unternehmen hat auch angekündigt, Dividenden zu erhöhen und in diesem Jahr Milliarden an Aktien zurückzukaufen, auch wenn bp mehr Schulden als einige seiner Branchenkonkurrenten hat.
Aktuell liegt der Ölpreis bei 65,17 Euro pro Barrel (Stand: 21. Oktober). Der Gesamttrend geht leicht nach unten. Im Vergleich zum Stand vor einem Jahr ist Öl um rund 20 Prozent günstiger geworden.
„Fundamentaler Kulturwandel“ bei Shell
In den vergangenen Monaten gab es beim Konkurrenten Shell eine ähnliche Neuausrichtung, also weniger Investitionen in erneuerbare Energieprojekte und verstärkter Fokus auf das fossile Kerngeschäft. Wael Sawan, Vorstandsvorsitzender von Shell, bezeichnete im Sommer dieses Jahres die Kursänderung seines Ölkonzerns als „fundamentalen Kulturwandel“.
Auslöser waren die jüngsten Unternehmensbilanzen. Vor allem im Vergleich zu den US-amerikanischen Konkurrenten ExxonMobil und Chevron schnitt Shell im Jahr 2022 schlecht ab. Deswegen hat Sawan seinen Konzern darauf ausgerichtet, den entstandenen Rückstand wieder aufzuholen.
Shell wollte damit – ebenso wie bp – das Vertrauen der Investoren wiederherstellen. Dabei hat der Ölkonzern seine Investitionen in den vergangenen Jahren bereits zurückgefahren. Im Jahr 2022 förderte Shell den Geschäftsbereich Renewables and Energy Solutions (RES), also die Erneuerbaren, noch mit 3,23 Milliarden Euro. Das waren 14 Prozent der Gesamtinvestitionen des Unternehmens. Im darauffolgenden Jahr waren es nur noch knapp 2,5 Milliarden Euro.
Gewinnbringer Öl und Gas
Dan Kish, leitender Forschungsmitarbeiter am Institute for Energy Research, äußerte schon im Juni 2023 die Vermutung, dass Shell und bp auf lange Sicht überwiegend den fossilen Weg gehen werden.
Das werde einigen klimafokussierten Investoren nicht gefallen. Denn die Konzerne seien von der Zuverlässigkeit von Erdöl und Erdgas als Gewinnbringer überzeugt, teilte Kish dem US-amerikanischen Nachrichtenportal DCNF mit.
„Kluge, langfristig denkende Führungskräfte im Energiesektor erkennen, dass Politik vergänglich ist“, sagte Kish. „Politiker mögen flatterhaft sein und sich von den glänzenden Objekten von heute ablenken lassen. Aber echter Geschäftssinn in Kombination mit Kenntnissen in Technik und Physik zeigt, dass echte Energie ein gutes Geschäft ist, weil sie das ist, was die Menschen brauchen und wollen.“
Sawan: Abkehr von Fossilen „gefährlich“
Druck auf die Ölkonzerne, mehr in Richtung Erneuerbare zu investieren, kam in den vergangenen Jahren überwiegend aus der Politik. So bezeichnete UN-Generalsekretär António Guterres Investitionen in die neue Öl- und Gasförderung im Jahr 2023 als „wirtschaftlichen und moralischen Wahnsinn“.
Kurz darauf reagierte Sawan im Juli 2023 auf Guterres‘ Warnung. Im Gespräch mit der britischen Rundfunkanstalt BBC sagte Sawan: „Ich bin da anderer Meinung.“
Der Shell-Vorstand fügte hinzu: „Es wäre gefährlich und unverantwortlich, die Öl- und Gasförderung zu drosseln, sodass die Lebenshaltungskosten, wie wir letztes Jahr gesehen haben, wieder in die Höhe schießen.“
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