WTO-Chefökonom Ossa warnt: Handelskriege könnten die Weltwirtschaft ins Wanken bringen

Die Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer könnten erhebliche Auswirkungen auf den weltweiten Warenverkehr haben, warnt Ralph Ossa, Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO). Trotzdem sieht er die größte Gefahr für die Weltwirtschaft derzeit in der lahmen Konjunktur in Europa und China. Gleichzeitig beobachtet er besorgniserregende Anzeichen einer zunehmenden Fragmentierung im globalen Handel.
«Wir sehen erste Anzeichen dafür, dass es eine Reorientierung des Handels anhand geopolitischer Einflusssphären gibt», sagt Ralph Ossa, Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO).
Ralph Ossa, Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO), warnt vor Blockbildungen in der Weltwirtschaft.Foto: Christiane Oelrich/dpa
Von 20. Januar 2024

Die Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer haben nach Ansicht von Ralph Ossa, Chefökonom der Welthandelsorganisation (WTO), erhebliche Auswirkungen auf den weltweiten Warenverkehr. Darauf wies der Wissenschaftler gerade erst in einem Interview im „Handelsblatt“ hin.

Ossa machte deutlich, dass ein Drittel der Containerschiffe auf dem Weg von Asien nach Europa durch das Rote Meer und den Suezkanal fahren. Es sei schwer, die Auswirkungen konkret zu beziffern. „Viel wird davon abhängen, wie lange die derzeitige Krise anhält“, so der Chefökonom.

Globalisierung am „Scheideweg der Geschichte“

Die Huthi-Rebellen sind nach Ansicht Ossas allerdings nicht das größte Risiko für die Weltwirtschaft. Dieses sieht er im Moment in der lahmenden Konjunktur in Europa und China. Die WTO müsse deshalb voraussichtlich ihre Wachstumsprognose für den Welthandel nach unten korrigieren. Im vergangenen Oktober habe man noch die Zunahme des weltweiten Güterhandels um 0,8 Prozent vorausgesagt.

Auch wenn die Zahlen für das vierte Quartal im Moment nicht vorliegen würden, geht Ossa davon aus, dass das „zu optimistisch“ war. „Nun wird das vierte Quartal zeigen, ob der Welthandel 2023 geschrumpft, stagniert oder leicht gewachsen ist“, so der Ökonom.

Für das laufende Jahr hatte die WTO ein Wachstum des Welthandels um die 3,3 Prozent vorausgesagt. Auch das hält der Chefökonom im Hinblick auf die Wirtschaftsdaten in Europa und die geopolitische Lage deutlich für zu optimistisch.

WTO-Chefökonom sieht die Globalisierung im Moment an einem „Scheideweg der Geschichte“ angekommen. Bei den Handelsströmen beobachtet die WTO die „ersten Anzeichen von Blockbildung“. Auf der einen Seite stünden die USA und Europa, auf der anderen Seite Russland und China. Für eine Analyse der Organisation, so sagt Ossa, habe man anhand des Wahlverhaltens in der UNO-Vollversammlung die Staaten zwischen diese zwei Blöcke aufgeteilt.

Innerhalb und zwischen diesen Blöcken habe sich der Handel in der Vergangenheit lange Zeit parallel entwickelt. Nun wachse der Handel innerhalb der Blöcke schneller als zwischen ihnen. „Es sind die Anfänge einer Fragmentierung und das ist besorgniserregend“, so Ossa.

Spannungen belasten Welthandel

Sollte sich die Fragmentierung der Blöcke verfestigen, so könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Die WTO befürchtet in so einem Fall, dass das langfristige Realeinkommen weltweit um bis zu fünf Prozent sinken könnte. Ärmere Staaten wären dann stärker betroffen als reichere Staaten. Es gehe allerdings nicht nur um die „ökonomischen Kosten“. Es gehe darum, den „multilateralen Handel“ zu stärken, um „Sicherheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu fördern“.

Die Welthandelsorganisation, in der sich 164 Mitgliedstaaten zusammengeschlossen haben, weisen schon seit längerer Zeit darauf hin, dass die globale Wirtschaft zunehmend unberechenbar wird. Ereignisse wie Russlands Angriff auf die Ukraine oder die Corona-Pandemie hätten zu Skepsis und Spannungen im internationalen Handel geführt, warnte WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala gerade erst im September in ihrem Vorwort zum Welthandelsbericht 2023. Darin schreibt sie von einem „Trend zu verschärften Exportbeschränkungen“. Die Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe hätten sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verfünffacht, so der WTO-Bericht.



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