Bier oder kein Bier? Das ist hier die Frage
Die deutschen Brauereien und Bierlager haben in der ersten Hälfte des Jahres erneut weniger Bier abgesetzt. 4,2 Milliarden Liter bedeuteten einen Rückgang um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag, anlässlich des Internationalen Tag des Bieres am 4. August, berichtet.
Nach einem leichten Anstieg 2022 gegenüber dem Pandemiejahr 2021 setzt sich damit die langfristige Entwicklung mit sinkenden Absatzzahlen fort. Wie die Wiesbadener Statistiker weiter mitteilten, lag der Bierabsatz im 1. Halbjahr 2023 um 12,2 Prozent niedriger als zehn Jahre zuvor. Damals wurden im 1. Halbjahr 4,8 Milliarden Liter Bier verkauft. Vor 20 Jahren waren es im selben Zeitraum 5,2 Milliarden Liter Bier und 1994 sogar 5,6 Milliarden Liter.
Während der Inlandsverbrauch in der ersten Jahreshälfte stärker zurückging als der Export, sind in den Zahlen sowohl alkoholfreie Biere und Malztrunk als auch das aus Ländern außerhalb der Europäischen Union eingeführte Bier nicht enthalten.
Bier schmeckt auf Festen am besten
Bei den monatlichen Bierabsatzzahlen gibt es zudem ein auffälliges saisonales Muster. Ebenso deutlich wie der Bierabsatz in den Frühjahrs- und Sommermonaten steigt, geht er im Herbst und Winter wieder zurück. Insofern ist das erste Halbjahr zwar ein Indiz für das restliche Jahr, die eigentliche Biersaison geht jedoch von Mai bis August. Im sonst eher mäßigen Winterhalbjahr sticht zudem der Dezember hervor.
Während die Daten auf einen mehr oder weniger stabilen Jahresverbrauch hindeuten, zeichnet sich somit ab, dass Bier vor allem auch auf Festen und Weihnachtmärkten ausgeschenkt und getrunken wird. Das erklärt dann auch den deutlichen Absatzrückgang in den Jahren 2020 und 2021.
Alkoholfreies, Radler oder Bier
Vom allgemeinen Rückgang in der ersten Jahreshälfte profitierten vor allem die alkoholfreien Biersorten, schreibt die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa). Diese erfasst das Bundesamt in einer eigenen Statistik, wonach im gesamten vergangenen Jahr 474,1 Millionen Liter alkoholfreies Bier im Wert von 396 Millionen Euro produziert wurden. 2021 waren es 411,5 Millionen Liter. Im langfristigen Vergleich hat sich die Menge alkoholfreien Biers innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt (+95,9 Prozent).
Stieg der Absatz von Biermischungen mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen in den letzten zehn Jahren ebenfalls – um 24 Prozent auf 402,7 Millionen Liter –, stagnierte die Menge im Vorjahresvergleich (2021: 403,0 Millionen Liter). Im 1. Halbjahr 2023 sei nach vorläufigen Daten sodann ein Rückgang in Höhe von 8,6 Prozent zu verzeichnen.
Mit zusammen etwa 886 Millionen Litern machten alkoholreduzierte oder alkoholfrei Biere etwa 10,1 Prozent des Jahresabsatzes 2022 aus (Radler: 4,6 Prozent, Alkoholfreies: 5,4 Prozent). 2012 waren es 5,9 Prozent (3,3 Prozent; 2,5 Prozent).
Außer einer insgesamt positiven Entwicklung lassen sich aus den Daten jedoch nur bedingt Schlussfolgerungen treffen. Auch ob alkoholfreie Biere die Radler nun dauerhaft überholt haben, bleibt abzuwarten.
Ursachen für die langfristigen Trends von Bier, Radler und Alkoholfreiem nennt das Statistische Bundesamt nicht. Die dpa sieht die Gründe ihrerseits im „immer höheren Durchschnittsalter der Bevölkerung sowie dem Trend zu einer gesünderen Ernährung.“ Ihr Fazit lautet entsprechend: „In Deutschland trinken die Menschen immer weniger Bier – zumindest, wenn Alkohol drin ist.“
Dem ist zumindest im Hinblick auf Radler zu widersprechen. Auch dürfen kurz- und langfristige Trends nicht vermischt werden, denn so ist zumindest bezogen auf den Vergleich mit dem vergangenen Jahr die Aussage „weniger Bier“ im Allgemeinen anzuzweifeln.
„Überraschendes“ Plus im letzten Jahr
Einerseits waren 2023 laut Statistischem Bundesamt bislang 82 Prozent des gesamten Bierabsatzes für den Inlandsverbrauch bestimmt und wurden versteuert. Der innerdeutsche Absatz sank somit im Vergleich zum 1. Halbjahr 2022 um 3,5 Prozent auf 3,4 Milliarden Liter.
Die restlichen 18 Prozent beziehungsweise 757,5 Millionen Liter wurden steuerfrei als Exporte und als sogenannter Haustrunk abgesetzt. Das waren lediglich 0,2 Prozent weniger als im Vorjahr.
Davon gingen 404,0 Millionen Liter (-0,4 Prozent) in EU-Staaten, 347,9 Millionen Liter (-0,2 Prozent) in Nicht-EU-Staaten und 5,6 Millionen Liter (+3,7 Prozent) unentgeltlich als Haustrunk an die Beschäftigten der Brauereien.
Andererseits hat sich der Weltmarkt für Bier im Jahr 2022 unerwartet gut entwickelt, auch in Deutschland.
Anders als vorhergesagt legte die Produktion weltweit um 1,3 Prozent auf 189 Milliarden Liter zu. Das teilte der weltgrößte Hopfenhändler BarthHaas ebenfalls am Dienstag in Nürnberg mit. Insgesamt lag die Bierproduktion aber immer noch knapp unter dem Vor-Corona-Niveau von 191 Milliarden Litern im Jahr 2019.
Die deutschen Bierbrauer lagen jedoch den Angaben zufolge über dem weltweiten Schnitt: Ihre Produktion stieg 2022 um 2,8 Prozent auf 8,8 Milliarden Liter. Deutschland liegt damit unverändert auf Platz fünf.
Das meiste Bier produzieren China, die USA, Brasilien und Mexiko. „In diesen fünf größten Erzeugerländern wird fast die Hälfte (49 Prozent) des Biers gebraut“, erklärte Heinrich Meier von BarthHaas. Es gibt jedoch auch ausländische Brauereien, deren Absätze – aus unterschiedlichen Gründen – sinken.
Hopfen und Malz verloren?
Der Biermarkt weltweit ist für Deutschland nicht nur wegen der heimischen Produktion von Bedeutung. Deutschland ist mit rund 20.600 Hektar Anbaufläche nach den USA (24.750 Hektar) auch einer der wichtigsten Hopfenlieferanten. Auf Platz drei folgt Tschechien mit 4.950 Hektar.
Während sich die weltweite Anbaufläche kaum veränderte, brach jedoch die Erntemenge 2022 um 19 Prozent auf 107.000 Tonnen ein. Das sei der stärkste Rückgang seit Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen, wobei die Verringerung der deutschen Ernte um gut 13.000 Tonnen mehr als die Hälfte der Einbußen ausmachte. Die Produktion der für den bitteren Geschmack entscheidenden Alphasäure sei weltweit um fast ein Viertel, in Deutschland um 40 Prozent, abgesackt.
Bezüglich der in etwa vier Wochen beginnenden Ernte 2023 ist Heinrich Meier für Deutschland ebenfalls pessimistisch. In den USA rechne er dagegen mit durchschnittlichen Erträgen, sodass es weltweit auf eine leicht unterdurchschnittliche Ernte hinauslaufe.
Zu Engpässen in der Bierproduktion werde es deswegen aber nicht kommen, beruhigte BarthHaas-Chef Peter Hintermeier. In den vergangenen drei Jahren habe es Überschüsse gegeben – und Hopfen lasse sich in Form von Extrakt oder Pellets problemlos einige Jahre lagern. Zudem gebe es grundsätzlich eine Überversorgung mit Hopfen, sodass auch 2023 kein Rückgriff auf die Reserven zu erwarten ist.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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