Preise unterschätzt: Grüner Wasserstoff deutlich teurer als angenommen

Die deutsche Industrie setzt zunehmend auf grünen Wasserstoff. Nun zeigt eine Analyse, dass das wohl viel teurer wird als zunächst angenommen – damit könnten Projekte unrentabel werden.
Wasserstoff
Eine Wasserstoffpipeline. Die Kosten für „grünen“ Wasserstoff sind höher als bisher gedacht.Foto: iStock
Von 15. Oktober 2023

Um die Energiewende zu meistern, soll auch die deutsche Industrie ihre CO₂-Emissionen deutlich reduzieren. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die produzierenden Unternehmen mit der Umstellung auf grünen Wasserstoff die fossilen Energieträger ersetzen.

Eine neue Analyse der Unternehmensberatung BCG (Boston Consulting Group) ergab nun allerdings, dass das begehrte Gas künftig deutlich teurer sein wird als bisher angenommen, berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf eine Analyse der BCG. Jens Burchardt, Energieexperte der Unternehmensberatung, sagte demnach: „Eine Mischung aus mehreren Entwicklungen sorgt dafür, dass die Kosten für tatsächliche Wasserstoffprojekte gerade höher sind als früher angenommen.“

Deutliche Preiserhöhung

Bisher habe die Branche mit Preisen von drei Euro pro Kilogramm für grünen Wasserstoff ab 2030 kalkuliert. Inzwischen werde die Prognose auf Preise zwischen fünf und acht Euro nach oben korrigiert. Auch der tagesaktuelle Wasserstoffpreisindex Hydex schwanke aktuell zwischen zwei und acht Euro je Kilogramm.

Branchenteilnehmer berichteten teilweise sogar von Preisen bis zu zehn Euro. Das habe entscheidende Folgen für viele Unternehmen. Viele Projekte, die bereits auf den neuen Brennstoff umrüsten, könnten durch die höheren Preise unrentabel werden. „Wenn hier nichts passiert, werden viele dieser Projekte nicht umgesetzt“, vermutet Burchardt.

In manchen Branchen gilt der grüne Wasserstoff sogar als die einzige Alternative, beispielsweise in der Chemie-, Zement- oder Stahlindustrie. Auch im Schwerlastverkehr soll er eingesetzt werden. Der Bedarf ist riesig. Die Bundesregierung will bis 2030 zehn Gigawatt an grünem Wasserstoff hierzulande produzieren.

Produktion in Deutschland bis 2050 unrentabel?

Die Gründe für die Preiserhöhung sind Inflation, steigende Zinsen und die hohen Strompreise in Deutschland. Eine im August veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts zeigte sogar, dass sich die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland in der Zukunft finanziell überhaupt nicht lohnen werde.

Demnach würde bei kostenoptimaler Entwicklung bis zum Jahr 2050 keinerlei Elektrolysekapazität, also null grüner Wasserstoff, in Deutschland entstehen. Gleiches gilt auch für Belgien. In den anderen europäischen Ländern wären unterschiedlich hohe Produktionsmengen aufgrund geringerer Produktionskosten effizient. Ein Import des grünen Gases aus anderen Ländern wäre dann eine denkbare Alternative.

Noch sind die Mengen von grünem Wasserstoff auf dem Markt verschwindend gering. Im Jahr 2021 lag die weltweite Wasserstoffproduktionsmenge laut „Handelsblatt“ bei 94,23 Millionen Tonnen. Davon waren nur 30.000 Tonnen „grün“ produziert. Im vergangenen Jahr hat sich diese Menge auf 90.000 verdreifacht, was aber immer noch ein sehr, sehr geringer Anteil an der Gesamtproduktion ist.

Grün, grau, blau, rot – die Farben des Wasserstoffs

Die Bundesregierung setzt in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie neben grünem auch auf andersfarbigen Wasserstoff. Wie auch viele andere Regierungen der Welt und große Organisationen will auch die deutsche Regierung die anthropogenen CO₂-Emissionen senken. Sie gehen davon aus, dass dieses Molekül einen negativen Einfluss auf das Erdklima hätte und hohe Emissionen zu katastrophalen Folgen führen könnten.

Die Farbbezeichnungen beziehen sich auf die Herstellungsart des brennbaren Gases. Im Folgenden ein Überblick über die Farbpalette des Elements:

Grauer Wasserstoff

Die Farbbezeichnung steht für die Art und Weise, wie das Gas produziert wird. Dabei kann kaum CO₂ anfallen oder vergleichsweise viel – wie beim grauen Wasserstoff. Der wird vorrangig aus Erdgas und Kohle gewonnen. Dabei wird das Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO₂ umgewandelt, wie der TÜV-Nord erklärt. Es entstehen rund zehn Tonnen CO₂ pro Tonne Wasserstoff, die in der Umwelt landen.

Blauer Wasserstoff

Blauer Wasserstoff wird genauso wie grauer aus fossilen Energieträgern hergestellt. Das ist meistens Erdgas. Während das anfallende CO₂ beim grauen Wasserstoff in die Atmosphäre entweicht, wird es bei der blauen Methode aufgefangen, unter die Erde gepresst und gespeichert, erklärt das Umweltbundesamt. Greenpeace weist darauf hin, dass der blau produzierte Brennstoff „unter anderem mit hohen Treibhausgas-Emissionen aus der Förderung, Verarbeitung und dem Transport des Erdgases belastet“ ist. Blauer Wasserstoff soll ebenso wie der grüne staatlich gefördert werden.

Grüner Wasserstoff

Grüner Wasserstoff wird mit dem Strom aus den sogenannten „erneuerbaren“ Energiequellen aus Wind, Wasser oder Sonne hergestellt. Damit wird er von vielen Organisationen und Behörden als CO₂-neutral eingestuft. Elektrolyse teilt dabei das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Das Produkt kann dann ins Netz eingespeist oder direkt vor Ort genutzt werden. „Im Zentrum einer treibhausgasneutralen und nachhaltigen Entwicklung sollte daher grüner Wasserstoff stehen“, stellt das Umweltbundesamt fest.

Türkiser Wasserstoff

„Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan hergestellt wurde – die sogenannte Methanpyrolyse“, so der TÜV-Nord. Dabei entsteht anstelle von CO₂ ein fester Kohlenstoff. Bisher fiel der Wasserstoff dabei eher als Nebenprodukt an, das Verfahren kann laut Umweltbundesamt aber auch speziell auf die Produktion des Wasserstoffs ausgerichtet werden.

Oranger Wasserstoff

Der orange Wasserstoff wird aus Biomasse wie zum Beispiel Siedlungsabfall oder unter Verwendung von Strom aus Müllverbrennungsanlagen oder Biogasanlagen hergestellt.

Pinker Wasserstoff

Pinker oder auch roter Wasserstoff wird aus Kernenergie gewonnen. CO₂ entsteht dabei zwar nicht, dafür aber radioaktiver Müll. Frankreich etwa will in größerem Maße auf diese Methode setzen. In Deutschland dürfte sie – sofern die Politik an dem Atom-Aus festhält – hingegen keine Rolle spielen.

(Mit Material von AFP)



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