Energiekrise: Habeck weiß um Bedeutung der Kernkraftwerke für Versorgungssicherheit
Seit Montag (5. 9.) sind die Sonderanalysen der vier regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber zur Stromversorgung für den bevorstehenden Winter 2022/23 verfügbar. Das von Robert Habeck geleitete Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte die Betreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und Transnet mit der Analyse dreier Szenarien mit zunehmend kritischeren Prämissen bezüglich der Versorgungslage beauftragt. Um einen Blackout infolge der Energiekrise zu vermeiden, wurde unter anderem auch die Wirkung eines möglichen Streckbetriebes der Kernkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim untersucht.
Habeck-Ministerium gab bereits zweite Sonderanalyse in Auftrag
Gegenstand der Analysen war zum einen die Leistungsbilanz der Netze, also die Frage, ob die Stromnachfrage gedeckt ist, zum anderen die Frage der Netzsicherheit (Transmission Adequacy). Bereits zu März bis Mai des Jahres hatte es eine Sonderanalyse gegeben, in der mögliche Gaseinsparungen im Vordergrund standen.
Die nunmehrige Aufgabenstellung ging von deutlich schärferen Annahmen aus – „insbesondere mit Blick auf nicht zur Verfügung stehender Kraftwerkskapazität in Deutschland und Europa und mit dem Ziel der Identifizierung von unterschiedlich ausgeprägten Stresssituationen für die Stromnachfrage und die Netzsicherheit“.
Im mittleren Szenario wurde auch eine Sensitivitätsanalyse der Auswirkungen eines möglichen Streckbetriebs – also eines Betriebs bis zum Verzehr der beladenen Brennelemente im ersten Quartal 2023 – der Kernkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim durchgeführt.
Europa kann Last im Strommarkt nicht vollständig decken
Die Ergebnisse sind mehr als besorgniserregend: Für alle drei untersuchten Szenarien diagnostizierten die Netzbetreiber eine „äußerst angespannte“ Versorgungssituation im bevorstehenden Winterhalbjahr. Explizit hieß es: „In Europa kann im Strommarkt die Last nicht vollständig gedeckt werden.“
In den beiden kritischeren Szenarien traten „in einigen Stunden Lastunterdeckungen auch in Deutschland auf“. In keinem der drei Szenarien reichten zudem die inländischen Redispatch-Potenziale zum Management von Netzengpässen aus. Unter Redispatch versteht man Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Leitungsabschnitte vor einer Überlastung zu schützen.
Es werde in jedem Fall ein gesichertes Potenzial von mindestens 5,8 Gigawatt (GW) aus dem Ausland benötigt, davon sind derzeit lediglich 1,5 über eine Kooperation mit Österreich abgesichert. Über weitere 1,6 GW laufen derzeit konkrete Vertragsverhandlung. Dabei sei „die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Mengen aufgrund der in ganz Europa angespannten Versorgungslage unsicher“.
Kernkraft kann zumindest in Deutschland Lastunterdeckungen vermeiden helfen
Dem extremsten unter den untersuchten Szenarien wurde zur Identifizierung des zusätzlichen Redispatch-Bedarfs innerhalb einer synthetischen Winterwoche eine „Starkwind/Starklast-Situation und eine Situation mit geringer Einspeisung aus Erneuerbaren Energien“ zugrunde gelegt. Bei Starkwind und in einer gleichzeitigen Starklast-Situation wurde der höchste Eingriffsbedarf festgestellt – nämlich 18,8 GW, wobei aus Österreich nach Lastdeckung nur 0,3 GW zur Verfügung stünden und ein zusätzlicher Bedarf im Ausland von 8,6 GW zu bewältigen wäre.
Die drei Kernkraftwerke liefern zusätzlich fünf TWh elektrische Energie und könnten Einsparungen bei der Stromerzeugung in Gaskraftwerken bewirken. Zumindest in Deutschland könnten, so die Autoren der Studie, im mittleren Szenario „Lastunterdeckungen in Deutschland […] durch den Streckbetrieb der Kernkraftwerke […] weitestgehend vermieden werden“.
Im Ausland sinke der Bedarf an Redispatch-Potenzial für das Netzengpassmanagement durch den Streckbetrieb der Kernkraftwerke im mittleren Szenario von 5,1 auf 4,6 GW, bleibe aber kritisch.
Die Schlussfolgerung der Netzbetreiber: „In Deutschland sind daher weitere Maßnahmen zum erzeugungs- und lastseitigen Engpassmanagement und zur Erhöhung der Transportkapazitäten im Übertragungsnetz erforderlich.“
Energiekrise erfordert Nutzung aller Potenziale. Mindestens.
Dringend wird zur „Nutzung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Strom-Erzeugungs- und Transportkapazitäten“ empfohlen, von den kurzfristigen bis zur Verbreitung der Reserven für Stresssituationen.
Es sei vonnöten, zusätzliche Potenziale des witterungsabhängigen Freileitungsbetriebes auch kurzfristig zu erschließen, um damit die Nord-Süd-Transportkapazität zu erhöhen. Zum Management des Redispatch-Potentials im Ausland seien klare und verbindliche Absprachen mit den Nachbarländern erforderlich. Kurzfristig müssten vertragliche Regelungen zum Lastmanagement getroffen werden.
Sämtliche Reserven für Stresssituationen müssten zum Zwecke der bilanziellen Lastdeckung und des Redispatches nutzbar gemacht werden. Insbesondere aber müsste dieser durch die Nutzung weiterer Kraftwerkskapazitäten in Stresssituationen abgesichert werden.
Die eindeutige Empfehlung lautet auf eine erleichterte Marktrückkehr der Kohlekraftwerke aus der Reserve, die Sicherung der Gasversorgung aller in einer Stresssituation notwendigen Gaskraftwerke. Vor allem sei aber auch „die Verfügbarkeit der KKW ein weiterer Baustein zur Beherrschung kritischer Situationen“.
„Für alle Empfehlungen sind kurzfristig gesetzgeberische Tätigkeiten oder hoheitliches Handeln erforderlich“, heißt es weiter. Sollten all diese Maßnahmen nicht ausreichen, müssten als Ultima ratio Exporte beschränkt oder Großverbraucher kontrolliert und temporär abgeschaltet werden, um die Netzsicherheit aufrechtzuerhalten.
Keine Energiekrise? Bundesnetzagentur bezeichnet Gasversorgung als stabil
Immerhin geht die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht mit Stand Donnerstag (8. 9.) davon aus, dass die Gasversorgung in Deutschland derzeit stabil sei und die Versorgungssicherheit in Deutschland derzeit weiter gewährleistet wäre. Die Lage sei dennoch „angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden“.
Deutschland sei aufgrund der verstärkten Vorsorgemaßnahmen der vergangenen Monate „auf einen Ausfall der russischen Lieferungen mittlerweile besser vorbereitet als noch vor einigen Monaten“. Sowohl bei der Speicherbefüllung als auch bei der Versorgung über alternativer Lieferwege sowie der Schaffung neuer Anlandekapazitäten für Flüssiggas seien „gute Fortschritte“ erzielt worden.
Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liege bei 86,84 Prozent, der Füllstand des Speichers Rehden betrage 72,01 Prozent. Volatile und in der Tendenz deutlich steigende Gaspreise blieben eine Realität. Deshalb betont die Bundesnetzagentur noch einmal „ausdrücklich die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs“.
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