Ohne Streit und mit Herz: Persönliche Tipps zur Pflege von demenzkranken Angehörigen

Die Diagnose Demenz ist nicht nur für die Betroffenen demoralisierend, sondern auch für die Angehörigen. Denn die meisten Demenzkranken werden von ihrer Familie gepflegt. Eine Frau gibt persönliche Tipps, auf was man dabei achten sollte.
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Bei der Kommunikation mit Demenzkranken sollte man sich von Logik lösen und auf ihre emotionalen Bedürfnisse eingehen, rät Westbrook.Foto: PIKSEL/iStock
Von 15. März 2025

Debra Westbrook hätte nie gedacht, dass sie einmal von der Polizei beschuldigt werden würde, die Haustiere ihrer Mutter gestohlen zu haben. Aber genau das geschah eines Abends, als sie Besuch von der Polizei bekam. Ihre Mutter, die nebenan wohnte, hatte den „Diebstahl“ gemeldet.

In diesem Moment erkannte Westbrook, dass die Demenz die Realität ihrer Mutter veränderte – eine Halluzination nach der anderen. Ihre Mutter glaubte, Westbrook habe sich durch das Fenster in ihr Schlafzimmer geschlichen und sei mit einer Katze unter dem Arm verschwunden.

Diese Nacht war für Westbrook und ihren Mann Billy der Beginn einer langen, frustrierenden, aber letztlich transformierenden Erfahrung. Die Westbrooks pflegten ihre Mütter, die beide Demenz hatten.

„Damals habe ich gelernt, dass die Pflege von Demenzkranken bedeutet, eine neue Realität zu akzeptieren und zu lernen, sie ohne Urteile oder Streit zu bewältigen“, erzählt Debra Westbrook der Epoch Times. Sie möchte ihre Erfahrungen an andere Menschen in der gleichen Situation weitergeben, um ihnen bei der Pflege ihrer Angehörigen zu helfen.

Streit vermeiden: Er macht alles schlimmer

Eine der wichtigsten Lektionen, die Westbrook bei der Pflege ihrer Mutter Gerry lernte, war, dass Streit alles nur noch schlimmer macht. Er stört nicht nur das Gefühl der Sicherheit, sondern kann auch die Situation verschärfen.

Westbrook zufolge konnten Gespräche über einfache Aufgaben wie das Füttern und Wechseln des Katzenstreus oder die Beauftragung von Gartenarbeitern schnell zu Verwirrung und unnötigen Spannungen führen.

Westbrook und ihr Mann verstanden, dass Gerrys Vorwürfe in ihrem zunehmenden Gefühl der Verletzlichkeit und Verwirrung begründet waren. Sie versuchten, Streit zu vermeiden, insbesondere in Momenten, in denen Gerry falsche Anschuldigungen erhob, zum Beispiel dass ihr Schwiegersohn ihren Hammer aus dem Schuppen genommen habe.

„Also bestätigten wir ihre Gefühle und sagten ihr, dass ‚Billy dachte, der Griff müsse gereinigt werden‘, obwohl der Vorfall nie stattgefunden hatte“, so Westbrook.

Nach Angaben der britischen Alzheimer’s Society können Menschen mit Demenz Fakten nicht immer erkennen oder behalten. Sie sind aber sehr empfänglich für emotionale Hinweise wie den Tonfall oder die Körpersprache. Sich auf ein Hin und Her einzulassen oder logische Erklärungen zu geben, führt bei Demenzkranken oft zu Ärger, Verwirrung oder erhöhter Angst, schreibt auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft.

Anstatt zu kämpfen, lernte Westbrook, sich von der Logik zu lösen und sich auf die emotionalen Bedürfnisse ihrer Mutter zu konzentrieren. Gerry konnte sich auf diese Weise in ihrer Realität sicher fühlen.

Themenwechsel: Ablenken löst Spannungen

Westbrook lernte auch, ihre Mutter abzulenken – manchmal subtil, manchmal mit einem schnellen Themenwechsel. Ihr Ziel war dabei immer, Gerry vor dem emotionalen Leiden zu schützen, der durch Verwirrung entsteht.

Westbrooks Mutter versank beispielsweise oft in einer Spirale aus Frustration oder Angst. Dies führte in der Regel zu sichtbaren Anzeichen von Verzweiflung wie Kurzatmigkeit, Flecken im Gesicht und gelegentlich dem Zusammenpressen der Hände auf der Brust. Gerry war dann voller Angst und verfing sich in einer Dauerschleife aus Anschuldigungen – unfähig, sich von der Paranoia zu befreien, die sie verzehrte. In diesen Momenten wurde deutlich, dass Gerry in Wut und Angst abglitt.

Als Westbrook diese Anzeichen erkannte, wusste sie, dass sie das Gespräch umlenken musste. Um das Thema zu wechseln, benutzte sie ein gerahmtes Foto von Gerry oder einen persönlichen Gegenstand im Raum, um ihre Mutter sanft abzulenken. Sie sagte: „Oh, ist das das Foto von damals, als du vier Jahre alt warst?“

Dieser subtile Themenwechsel lenkte Gerrys Aufmerksamkeit von den belastenden Gedanken weg auf etwas Tröstlicheres. Das Ziel war nie, ihre Gefühle zu verdrängen, sondern zu verhindern, dass die Angst eskaliert.

Krankenschwestern und -pfleger setzen das Ablenken häufig als Technik zur Bewältigung solcher Momente in Pflegeheimen ein. Die Website „Demenz behandeln“ empfiehlt, den Schwerpunkt eines Gesprächs zu verlagern, um die Unruhe zu verringern und der Person ein besseres Gefühl zu geben.

Aufgaben geben: Sie halten die Angehörigen bei der Stange

Westbrooks Schwiegermutter, Jean, war ein anderer Fall. Sie war sehr mobil und körperlich leistungsfähig. Ihr half es, Aufgaben zu erledigen. Das gab ihr einen Sinn und hielt ihren Geist aktiv.

„Jean liebte es, zu fegen, zu harken und im Haus zu helfen“, erzählt Westbrook. „Wir brauchten ihr nur eine Harke zu geben, und sie machte sich an die Arbeit. Wenn ich ihr ein Staubtuch gab oder sie bat, Bohnen zu schnippeln, war sie zufrieden.“

Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft kann es helfen, Unruhe und Erregung zu verringern, wenn man den Angehörigen hilft, sich gebraucht zu fühlen und damit ihrem Leben Sinn zu geben. Dabei helfen auch kleine Aufgaben. Dies gibt den Demenzkranken ein Gefühl der Erfüllung und Sicherheit und ermöglicht ihnen einen Kontakt mit der Außenwelt.

„Sie brauchte das Gefühl, dass sie immer noch Teil der Familie ist und einen Beitrag leistet“, sagte Westbrook dazu.

Fluchtrisiko: Umherwandern verhindern

Als Jeans Demenz fortschritt, wurde ihr Umherwandern zu einer zunehmenden Belastung für die Westbrooks. Die Angst, dass Jean ohne ihr Wissen aus dem Haus gehen könnte, hing wie ein Damoklesschwert über ihnen. Eines Morgens wurde sie nur allzu real, als Jean in ihrem Golf in Richtung Autobahn fuhr.

„Wir wurden von einem Lastwagen aufgeschreckt, der in die Einfahrt fuhr“, so Westbrook. Der Fahrer öffnete die Tür und Jean, die sich verfahren hatte, stieg aus.

Nach Angaben der Mayo Clinic ist das Umherirren ein häufiges Verhalten bei Menschen mit Demenz, vor allem in fortgeschrittenen Stadien. Es ist oft auf Verwirrung, Angst oder ein unbefriedigtes Bedürfnis zurückzuführen. So kann eine Person beispielsweise umherwandern, weil sie ihre vertraute Umgebung nicht mehr erkennt oder sich in einem Raum nicht mehr zurechtfindet.

Selbst wenn die Türen verschlossen waren, „ging sie nachts raus und war im Garten, manchmal im Wald, um mit Schaufel und Harke einen Graben auszuheben“, erinnert sich Billy Westbrook in einem Gespräch mit Epoch Times. Um seine Mutter vor ihren nächtlichen Verwirrungen zu bewahren, stellten die Westbrooks ein Bett für sie in ihrem Schlafzimmer auf.

„Meine Mutter hatte immer gesagt, sie wolle uns nicht zur Last fallen, und Jahre zuvor hatte sie uns von zwei Pflegeheimen erzählt, denen sie vertraut“, so Billy Westbrook. „Nach einem weiteren Jahr brachten wir sie in eines dieser Heime. Es war nicht leicht, aber es war zu ihrer Sicherheit.“

Rechtliche Vorbereitung: Vollmachten und Verfügungen rechtzeitig aufsetzen

Als die Westbrooks erkannten, dass Gerrys Demenz ihre Entscheidungsfähigkeit stark beeinträchtigt hatte, war es zu spät, um sofort zu handeln. Ohne gesetzliche Vollmacht „war ich machtlos, wichtige medizinische Entscheidungen für meine Mutter zu treffen“, so Westbrook.

Gerry hatte mehr als ein Jahr lang Arztbesuche verweigert. Die Westbrooks taten zwar ihr Bestes, um sie ruhig und angstfrei zu halten, doch als sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte, konnten sie Gerrys Gefühle nicht länger berücksichtigen.

„Ich musste vor Gericht gehen, um die Vorsorgevollmacht zu erhalten“, meinte Westbrook. „Hätte ich die Vollmacht früher erhalten, hätte ich ihr die medizinische Hilfe, die sie brauchte, früher zukommen lassen können.“

Als die Vollmacht schließlich bewilligt wurde und Gerry einen Arzt aufsuchte, war die Diagnose für alle niederschmetternd: Darmkrebs im vierten Stadium.

Westbrook rät allen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: „Warten Sie nicht, bis es zu einer Krise kommt. Sie brauchen diese Vollmacht, bevor die Situation zu kompliziert wird.“

Ruhe bewahren und sich Unterstützung holen

Wenn dann alles außer Kontrolle gerät, verliert man leicht die Fasssung. Für Westbrook war das Ruhigbleiben eine Überlebenstaktik, etwas, das sich im Laufe von fünf Jahren Pflege instinktiv einstellte.

„Ich musste atmen“, sagt sie und erinnert sich daran, wie sie sich durch den Stress und das ständige Auf und Ab auf den Beinen hielt. „Ich musste lernen, diese Momente zu nutzen, um einfach tief durchzuatmen.“

Westbrooks beste Methode, um ruhig zu bleiben, war die 4-7-8-Atemtechnik von Dr. Andrew Weil. Diese wendete sie immer dann an, wenn sie sich überfordert fühlte. Dabei atmet man vier Zähleinheiten ruhig durch die Nase ein, hält sieben Zähleinheiten den Atem an und atmet dann acht Zähleinheiten langsam durch den Mund aus.

Das habe ihr wirklich geholfen, sich zu beruhigen, wenn sie sich angespannt fühlte. „Ich fand in diesem kurzen Moment vor dem Ausatmen Frieden“, fügt sie hinzu.

Außerdem nahm sich Westbrook die Zeit, zweimal pro Woche schwimmen zu gehen, und schloss sich einer Gruppe von Rentnern und Senioren an, die wie sie Angehörige pflegten. Die Kameradschaft und körperliche Betätigung gaben ihr ein dringend benötigtes Ventil.

Es sei wichtig, jemanden zu finden, mit dem man reden und sich austauschen kann. Manchmal sei es genau das, was einem hilft. „Aus einem leeren Becher kann man nicht trinken“, so Westbrook.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Living in Their Reality: Lessons From 5 Years of Caring for Loved Ones With Dementia“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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