Raus aus der Bildschirmsucht: 4 Tipps zum digitalen Fasten

Die übermäßige Nutzung von Bildschirmen kann sich negativ auf die Hormone und die Gehirnchemie auswirken. Ein digitales Fasten wirkt dem entgegen.
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Ein digitales Detox hilft, das geistige Wohlbefinden zu steigern.Foto: Svittlana/iStock
Von 18. Dezember 2024

Sie erkannte ihren Sohn kaum wieder: Jake stand in der Tür seines Wohnheimzimmers auf dem Campus und starrte sie mit geweiteten Augen an. Sein Gesicht zuckte und war von Akne übersät, die Haare fettig und ungepflegt.

Zwei Monate lang hatte er die Vorlesungen geschwänzt und stattdessen bis zu 16 Stunden am Tag gespielt. Die Universität wies ihm an, sein Zimmer in drei Tagen zu räumen.

„Bevor er zur Universität ging, hatte ich die Anzeichen gesehen, aber er hatte auf alles eine Antwort – also habe ich sie ignoriert“, erzählt Jakes Mutter Elaine Uskoski der Epoch Times.

Desensibilisiert für Dopamin

Übermäßig lange Bildschirmnutzung kann gefährlich sein. In extremen Fällen sind Gesichtszuckungen, Panikattacken und Schlimmeres die Folge.

„Bildschirme wirken wie ein Stimulans, das die Erregung steigert und Kampf-Flucht-Erstarren-Reaktionen auslöst“, meinte Dr. Victoria Dunckley gegenüber Epoch Times. Sie ist Kinderpsychiaterin und Autorin von „Reset Your Child’s Brain“ (in etwa: „Das Gehirn seines Kindes neu starten“).

Wenn jemand exzessiv spielt, Videos streamt oder durch die sozialen Medien scrollt, besteht die Gefahr, dass er sich für das „Glückshormon“ Dopamin unempfindlich macht. Für Jake konnten frühere angenehme Aktivitäten – sogar Selbstpflege – nicht mit den Computerspielen mithalten.

Laut Dr. Dunckley ist es in diesem Fall schwierig, den Bildschirm auszuschalten. Um das Verhaltensmuster zu durchbrechen und das Gehirn zu heilen, ist ein digitales Fasten erforderlich.

Digitales Fasten für ein gesundes Gehirn

„Das ultimative Ziel eines vorübergehenden Verzichts auf technische Geräte ist es, ein Gleichgewicht zwischen ‚Hoch-Dopamin-Aktivitäten‘ (HDA) und ‚Niedrig-Dopamin-Aktivitäten‘ (NDA) zu finden“, erklärte Dr. Clifford Sussman gegenüber Epoch Times. Er ist Psychiater mit dem Spezialgebiet Bildschirmsucht.

Eine Auszeit vom Bildschirm ist die Grundlage, um sinnvollere Aktivitäten zu erkunden und wiederzuentdecken. Dazu gehören beispielsweise lange Gespräche, sich in einem guten Buch zu verlieren oder einfach nur die Geräusche der Natur bei einer Wanderung zu genießen. Diese Aktivitäten bezeichnet Dr. Sussman als NDA, weil sie Geduld erfordern und die Belohnung verzögert erfolgt.

Wie anfangen? Tipps zum digitalen Fasten

Jeder, der sein geistiges Wohlbefinden steigern und deshalb weniger abhängig von der Technik sein möchte, kann von einer Pause von der Technik profitieren. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die mit einer Bildschirmsucht zu kämpfen haben. Im Folgenden sind vier Tipps dazu.

1. Digitale Geräte entfernen

Bevor man mit dem digitalen Detox anfängt, sollte man sich einen Tag Zeit nehmen, um sein Zuhause von Bildschirmen zu befreien. Die Geräte müssen aus allen Räumen – insbesondere aus den Schlafzimmern – entfernt und außerhalb des Hauses aufbewahrt werden.

Dr. Dunckley warnt: Wenn ein Kind das Internet nutzen oder ein Videospiel spielen möchte, wird es ein Gerät und einen Weg finden, die Passwortsperre zu umgehen. Während der Fastenzeit sollte man die Geräte einem Nachbarn geben oder sie in einer Schublade am Arbeitsplatz verstauen.

Wenn ein Kind einen Computer für seine Hausaufgaben braucht, sollte er das Gerät wenn möglich in einem gemeinsamen Bereich benutzen. Dann kann man sehen, was es tut. Bei Erwachsenen sollten alle arbeitsbezogenen Aufgaben auf die Arbeitszeiten beschränkt werden.

Wer während dieser Zeit nicht auf ein Handy ohne Internet umsteigen kann, sollte Apps für soziale Medien entfernen, die meisten (wenn nicht alle) Benachrichtigungen ausschalten und standardmäßig den Modus „Nicht stören“ verwenden.

Wenn es nicht möglich ist, zu Hause auf Bildschirme zu verzichten, empfiehlt Dr. Sussman eine einwöchige Reise ohne Bildschirme. Oder man kann auch verschiedene andere Möglichkeiten erkunden, wie zum Beispiel ein bildschirmfreies Ferienlager in der Wildnis.

2. Andere Aktivitäten planen

Wer auf digitale Geräte verzichtet, sollte sich alternative Aktivitäten überlegen, um die Lücken in der freien Zeit zu füllen. Dr. Sussman empfiehlt, Aktivitäten auf einer Skala von anregend und unterhaltsam bis hin zu geduldig zu wählen. Je nach den bevorzugten Interessen könnte dies ein Gleichgewicht zwischen Sport oder Konzertbesuch und dem Üben eines Musikinstruments oder dem Reparieren von kaputten Dingen sein.

Ein Tagebuch hilft, eine Liste von NDA und HDA zu erstellen und die Ergebnisse zu verfolgen und aufzuzeichnen. „Für Kinder ist es wichtig, zusätzliche Zeit mit einem Elternteil oder einem Familienmitglied einzuplanen. Denn ein Kind kann sich ängstlich oder verstimmt fühlen, und man konkurriert mit Bildschirmen, um das Gehirn neu zu verdrahten“, so Dr. Dunckley.

3. Einen Neustart für Gewohnheiten und die Gesundheit wagen

Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Verzicht auf technische Geräte mit erhöhter Wut und Aggression einhergeht. Eltern müssen manchmal mit feindseligen Konfrontationen und sogar Drohungen seitens ihrer Kinder rechnen.

„Bei Jake habe ich diese Unbeständigkeit nicht erlebt, aber er war extrem labil und depressiv“, erzählt Uskoski. „Also habe ich ihn so gut wie möglich überwacht, weil ich Angst hatte, dass er sich das Leben nehmen könnte.“

Die anfänglichen Entzugssymptome lassen allerdings in der Regel innerhalb der ersten fünf Tage nach. Sobald sie überwunden sind, lässt sich die Fastenzeit leichter bewältigen. Es braucht Zeit, um die Gehirnchemie zu normalisieren und gesündere Interessen zu entwickeln, die die Bildschirmnutzung ausgleichen.

Von der Zelle bis zum gesamten Gehirn wird Energie für andere Dinge frei, und ein positiver Kreislauf der Verbesserung beginnt.

„Kinder fangen an, vernünftiger zu werden, mit einem zu sprechen und wirklich eine Verbindung zu suchen“, sagt Uskoski, die das Selbsthilfebuch „Cyber Sober“ veröffentlichte. In ihm beschreibt sie im Detail Jakes Reise von der Spielsucht bis zur Genesung und lässt ihn auch selbst zu Wort kommen. Außerdem bietet sie nun Videospielsucht-Coaching für Eltern an. 

„Noch vor Ende der ersten zwei Wochen sagen die meisten Eltern: ‚Oh, ich habe mein Kind aus meiner Erinnerung wieder‘“, so Jakes Mutter.

4. Technologie nur langsam wieder einführen

Sobald das Gehirn ausgeruht und wiederhergestellt ist, kann man selbst bestimmen, welche Geräte, Apps und Gewohnheiten man wieder in sein Leben lässt. Dabei sollte man achtsam sein und sich Zeit lassen.

Wenn man ausgewählte Aktivitäten am Bildschirm vorsichtig wieder einführt, schützt das vor einem Rückfall. Für Jake war es nach zweieinhalb Jahren Rückfall und Entgiftung am besten, ganz mit dem Spielen aufzuhören. 

Ferner ist es empfehlenswert, die Technologie laut einem wertorientierten Ansatz auszuwählen. Ist jede Technologie etwas, das die persönliche Zeit mit Freunden und Familie beeinträchtigt oder von der Schule oder der Arbeit ablenkt? Wenn man sie nach einem Neustart wieder ins Leben lassen soll, muss sie:

  • nutzbringend für etwas sein, das im Leben eine wichtige Rolle spielt, beispielsweise Arbeit, Schule, Beziehungen, Kreativität, Gesundheit oder Schlaf.
  • im Rahmen von Grenzen verwendet werden, die festlegen, wie und wann man sie nutzen darf.

Dr. Sussman empfiehlt außerdem, regelmäßig zwischen NDA und HDA zu wechseln. Wenn man beispielsweise wieder Videospiele spielt, sollte man nach einer halben Stunde Spielzeit zu einer Aktivität übergehen, die langsam Dopamin freisetzt: Eine Kurzgeschichte schreiben, ein Worträtsel lösen oder einen Kleiderschrank aufräumen. Mit der Zeit nimmt das Bedürfnis nach Hyperstimulation ab.

Was Jake angeht, ist es nun sechs Jahre her, dass er das letzte Mal gespielt hat. Jetzt arbeitet er erfolgreich als Software-Ingenieur.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „Breaking From Technology: How a 3-Week Screen Fast Can Improve Brain Health“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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