Internetsucht, Konzentrationsstörungen und Übergewicht: Wie Eltern ihre Kinder schützen können

Obwohl viele Eltern Zeitlimits setzen, steigt nicht nur die Internetnutzung der Heranwachsenden, es gibt auch immer mehr „süchtige“ Kids. Zunehmender Medienkonsum hat psychische und körperliche Auswirkungen: Von vermehrten Konzentrationsstörungen bis hin zu Übergewicht. Wie können Eltern ihre Kinder schützen?
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Kinder von heute: Von morgens bis abends im Netz?Foto: iStock/quintanilla
Von 8. Oktober 2024

Nicht nur für Erwachsene, sondern auch für die Kleinen gehören digitale Medien mittlerweile zum Alltag. Mit Freunden via Smartphone zu chatten ist längst Standard, genauso wie auf dem Tablet Tutorials anzuschauen oder stundenlang zu TikTok-en, auf dem Smart-TV Filme zu streamen oder sich durch YouTube-Videos unterhalten zu lassen.

Internet ist generationsübergreifend zum festen Lebensbestandteil geworden, dabei hat die „Flimmerkiste“ von heute längst Taschenformat. Neben vielen Alltags- und Kommunikationserleichterungen durch Smartphones und Tablets ist aber auch klar, dass Internetnutzung in Massen statt in Maßen Auswirkungen auf Gesundheit, Konzentrationsfähigkeit und Psyche, vor allem der Kinder, haben kann.

Über Hälfte der Eltern begrenzt keine Bildschirmzeiten

Bei knapp der Hälfte der Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren (46 Prozent) haben Eltern die Bildschirmzeit begrenzt, soweit es nicht um den schulischen Einsatz geht. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 900 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren in Deutschland befragt wurden.

Je älter die Kinder werden, desto weniger setzen die Eltern Beschränkungen durch. Bei Jüngeren sind Limitierungen eher der Standard, bei Jugendlichen ab 16 Jahren sind solche Vorgaben dann die Ausnahme. Die Bitkom-Untersuchung in Zahlen: Bei den Sechs- bis Neunjährigen geben 67 Prozent der Eltern vor, wie lange digitale Medien täglich genutzt werden dürfen, bei den Zehn- bis Zwölfjährigen sind es 69 Prozent. Zwischen 13 und 15 Jahren bekommt hingegen nur ein Drittel (36 Prozent) elterliche Vorgaben für die Zeit am Bildschirm, ab 16 Jahren sind es nur noch 5 Prozent.

Demnach geben Eltern ihren Kindern zwischen sechs und neun Jahren im Schnitt 50 Minuten digitale Medienzeit pro Tag vor, die Zehn bis Zwölfjährigen dürfen schon 90 Minuten „daddeln“. Das Tageslimit der 13- bis 15-Jährigen liegt bei durchschnittlich 115 Minuten, das Limit der 16- bis 18-Jährigen mit 117 Minuten etwas höher, wenn es überhaupt noch von den Eltern gesetzt wird.

Wem angesichts von Heranwachsenden, die im Straßenbild und in vielen anderen Situationen als allgegenwärtig auf Handys schauende „Generation kopfunter“ sichtbar ist, die Zahlen der Bitkom-Studie recht niedrig erscheinen, der sei erinnert: Die ermittelte Bitkom-Bildschirmzeit bezieht sich auf die erlaubte Internetnutzung in der Freizeit außerhalb des schulischen Geschehens. Nicht zu vergessen, dass über die Hälfte der Eltern (54 Prozent) laut dieser Studie keine Limits bei der Internetnutzung ihrer Schützlinge setzen.

Nicht nur die Nutzungsdauer zählt

Diejenigen Eltern aber, die solche Limits setzten, entsprechen damit in etwa dem, was die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) empfiehlt; beispielsweise sollen Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren höchstens 45 bis 60 Minuten täglich im Netz verbringen. Als Richtlinie für Jugendliche von 10 bis 14 Jahren wird ein Zeitrahmen von 1 bis 1,5 Stunden pro Tag als angemessen angesehen.

Ferner sollten auch Vereinbarungen getroffen werden, so empfiehlt die BZgA, wann und wo Medien genutzt werden dürfen – keine Handynutzung während der Mahlzeiten. Bei Jugendlichen ab 15 Jahren sind individuelle Regelungen sinnvoll.

Psychosoziale Auswirkungen vermehrter Internetnutzung

Die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der digitalen Angebote kann dazu verleiten, das richtige Augenmaß für deren Nutzung zu verlieren. Die Folgen und Risiken übermäßigen Medienkonsums durch Kinder und Jugendliche werden schon seit Langem thematisiert.

Schon 2007, nach einem festgestellten Anstieg der Internetnutzung von Jugendlichen zwischen 1997 und 2006 von durchschnittlich 6,3 auf 97 Minuten pro Tag (ARD/ZDF Online-Studien 1998 bis 2006), wurde im „Ärzteblatt“ vor den Risiken für Psyche und Körper durch wachsenden Medienkonsum gewarnt:

Die Mediennutzung verdränge zunehmend andere Aktivitäten mit Gleichaltrigen und Familienmitgliedern, mit den Folgen aggressiver Verhaltensweisen, sinkenden Selbstwertgefühls, des Körperbildes und der Lebensqualität.

Daddeln als Zeitfresser und Krankheitsgrund

Die sprachliche und schulische Entwicklung der Heranwachsenden werde negativ beeinflusst, der aus exzessiver Mediennutzung resultierende Bewegungsmangel und körperliche Un-Fitness hätten Adipositas zur Folge, und die Schulleistungen fallen zurück.

Weniger Zeit bleibt für die Kommunikation mit Bezugspersonen, für Lesen oder kreatives Spielen. Auch Quantität und Qualität des Schlafs kann gemindert sowie die Gedächtnisfunktion können beeinträchtigt werden durch emotionalen Stress, ausgelöst oft durch Horror und Gewalt in den konsumierten Medien.

Inzwischen fast 8 Prozent der Kids internetsüchtig

„Als Risikofaktoren für exzessive Internetnutzung wurden dysfunktionales Sozialverhalten, verminderte soziale Intelligenz, soziale Ängstlichkeit, Einsamkeit, depressive Verstimmtheit und vermeidende Problemlösestrategien (Realitätsflucht) ermittelt“, schrieb das „Ärzteblatt“ bereits 2007. Damals galten in Deutschland 3,2 Prozent der Nutzer als internetsüchtig. 6,6 Prozent wurden als gefährdet eingestuft.

Wie nahtlos sich dieser Trend fortgesetzt haben mag, darüber könnte die JIM-Studie 2023 Aufschluss geben. Demnach haben aktuell 22,4 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen bundesweit einen problematischen Medienkonsum. Es leiden etwa 7,6 Prozent der Jugendlichen in Deutschland unter einer internetbezogenen Störung. Dies umfasst Verhaltenssüchte wie übermäßiges Computerspielen und intensive Nutzung sozialer Netzwerke.

Gemeinsam durch den digitalen Dschungel

Vorbilder spielten eine große Rolle, schreibt das „Ärzteblatt“: „Nicht zu vernachlässigen ist auch die Wirkung von Vorbildern, erst in der Familie und später in der Gruppe der Altersgenossen. Schließlich fehlt Eltern (und Lehrern) für eine effektive Führungsrolle in den neuen Medien oft die Kompetenz.“

Eltern sollten selbst als Vorbild agieren. Kinder orientieren sich stark an den Gewohnheiten der Eltern. Wenn diese selbst regelmäßig das Smartphone weglegen und gezielt Offline-Aktivitäten bevorzugen, ist es für Kinder leichter, dies als ein Muster zu übernehmen. Das Portal „schule-und-familie.de“ fasst dazu den Züricher Kinderarzt und Buchautor Remo Largo zusammen:

Der Nachahmungsprozess Ihrer Kinder erreicht sogar mehr als Ihre gezielte Erziehung.“

Klare Absprachen sind entscheidend. Darüber hinaus aber auch, dass gemeinsame Regeln vereinbart werden und die täglichen Nutzungszeiten gemeinsam besprochen und erklärt werden. Hierbei kann es für Erfolg und Umsetzung entscheidend sein, wenn Kinder die Gründe für die Begrenzungen verstehen.

Alternative Aktivitäten anbieten: Um die Medienzeit zu begrenzen, sollten für die Kinder attraktive Alternativen geschaffen werden. Das könnten gemeinsames Spielen, Lesen oder Sport sein. Hobbys helfen dabei, die Nutzung von Bildschirmmedien zu reduzieren.

Digitale Pause: medienfreie Zeiten festlegen

Es sollte klare medienfreie Zeiten geben, etwa beim Essen, bestenfalls bei gemeinsamen Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen. Solche Zeiten fördern nicht nur das Miteinander in der Familie, sondern am Ende auch eine bessere Schlafqualität. Zahlreiche Studien belegen mittlerweile, dass das blaue Bildschirmlicht die Produktion des natürlichen Schlafhormons Melatonin einschränkt.

Eltern ihrerseits sollten selbst auch „up to date“ sein und versuchen, beim Technikverständnis der „Generation Smartphone“ mitzuhalten. Schon allein, um das Nutzungsverhalten in die gewünschte Richtung weisen zu können. Denn es gibt mittlerweile viele technische Möglichkeiten, die Mediennutzungszeiten auf technische Weise zu begrenzen, zum Beispiel durch Zeitschaltfunktionen an Geräten oder über spezielle Apps.

Kontrollmöglichkeit durch Interesse

Eltern sollten sich für die Inhalte interessieren, die ihre Kinder konsumieren und sich gegebenenfalls aktiv daran beteiligen. Durch das gemeinsame Anschauen und das anschließende Gespräch wird nicht nur die Qualität der Inhalte gesichert, sondern auch das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern gestärkt.

Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen: Jedes Kind ist anders, daher sollten Eltern flexibel sein und die Regeln anpassen, je nach Schulalltag, Freizeitaktivitäten und Bedürfnissen des Kindes. Es geht nicht nur um die Minuten, sondern darum, dass Kinder und Jugendliche ein gesundes Verhältnis zur Mediennutzung entwickeln.

Dazu gehört auch, die Schutzbefohlenen über die Nutzungsdauer hinaus über Risiken wie die Phänomene Cybermobbing oder Cybergrooming aufzuklären.

Eine gesunde Mediennutzung ist ein wichtiger Bestandteil der Erziehung in der heutigen digitalen Welt. Klare Regelungen für Mediennutzungszeiten, das bewusste Vorleben von Offline-Aktivitäten und eine aktive Begleitung der Medieninhalte sind entscheidende Faktoren dabei.

Weitere Informationen und Tipps gibt es unter anderem bei „Ins Netz gehen“, einem Portal der Bundeszentrale für gesellschaftliche Aufklärung oder auf dem Portal www.klicksafe.de.



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