Wasserstoff-Speicherung bald zehnmal günstiger? ETH Zürich setzt auf Eisenerz

Forscher der ETH Zürich haben eine Methode entwickelt, mit der sich Wasserstoff einfacher und günstiger speichern lässt als bisher. Die Umwandlung und Speicherung mit Eisenerz und Wasser könnte die Energiewende vieler Länder beschleunigen.
Wasserstoff
Die Forscher Samuel Heiniger (links, mit einem Glas Eisenerz) und Prof. Wendelin Stark vor den drei Edelstahlkesseln am Campus Hönggerberg der ETH Zürich.Foto: ETH Zürich
Von 11. September 2024

Bei der Energiewende setzen viele Länder – neben Windkraft und Photovoltaik (PV) – auf Wasserstoff (H₂). Er soll als Energiespeicher dienen, wenn die „erneuerbaren“ Energiequellen mehr Strom bereitstellen, als gerade benötigt wird. So soll ihre Energie auch dann zur Verfügung stehen, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint.

Doch die Langzeitspeicherung von Wasserstoff ist aufwendig, teuer und teilweise unsicher. H₂ kann in Gasform unter Hochdruck oder in Flüssigform bei –253 Grad Celsius in speziellen isolierten Tanks lagern.

Schlüsselelement Eisenerz

Eine Forschergruppe der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich um Prof. Dr. Wendelin Stark hat jüngst eine Methode entdeckt, bei der Eisenerz die H₂-Speicherung sicherer und kostengünstiger machen soll. Die Grundlage dafür ist das lang bekannte Eisen-Dampf-Verfahren. Der Prozess selbst ist seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt, neu ist die Kombination mit den Erneuerbaren.

Der erste Schritt zur Wasserstoffspeicherung ist die Herstellung des brennbaren Gases. Dieses soll, wie in vielen anderen Projekten, mittels überschüssigem PV- oder Windstrom in Elektrolyseuren geschehen. Einmal produziert, gelangt der Wasserstoff im nächsten Schritt in einen 400 Grad Celsius heißen Edelstahlkessel. Darin befindet sich gewöhnliches Eisenerz – hauptsächlich Eisenoxid – mit dem der Wasserstoff reagiert.

Konkret verbindet sich der Sauerstoff aus dem Eisenoxid mit dem Wasserstoff. Es entstehen Wasser (-dampf) und reines Eisen. Auf diese Weise wird der Wasserstoff chemisch gebunden und kann als Wasser gespeichert werden.

Der Lade- und Entladeprozess der Eisenerz-Speichertechnologie. Foto: mf/Epoch Times nach ETH Zürich

Wird der Wasserstoff benötigt, wird der Prozess rückgängig gemacht: Wasser wird zu Wasserdampf und in den Kessel geführt. Dort reagiert er mit dem Eisen zu Eisenoxid und Wasserstoff. Ersteres verbleibt als Rohstoff im Kessel, während H₂ als Kraftstoff zur Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt werden kann.

Dieses Verfahren entspricht einer chemischen Energiespeicherung, wie sie prinzipiell auch in einer Batterie abläuft. Anstelle von elektrischer Energie wird hierbei jedoch Wasserstoff gespeichert, der seinerseits in nutzbare Energie umgewandelt werden muss.

Vor- und Nachteile des Verfahrens

Die Forscher nennen als Vorteil insbesondere das hohe Vorkommen und damit verbunden den günstigen Preis des Rohstoffs Eisenerz. Dessen Preis pro Tonne liegt aktuell bei rund 80 bis 90 Euro.

Zudem müssen die Behälter, in denen die Reaktion stattfindet, keine besonderen Sicherheitsanforderungen erfüllen. Es ist auch kein hoher Druck nötig, wodurch der Prozess sicherer ist. Laut den Forschern ist das Verfahren damit rund zehnmal günstiger als andere Methoden zur Wasserstoffspeicherung.

Ein weiterer Pluspunkt sei, dass das Eisenerz für beliebig viele Speicherzyklen verwendbar sei. Das Material müsse also nicht nach einigen Jahren, wie es bei Batterietechnologien der Fall ist, ausgetauscht werden.

Das Verfahren hat jedoch auch einen gravierenden Nachteil. Der Energieverlust bei der Herstellung und Umwandlung von Wasserstoff liegt bei rund 60 Prozent. Das Grundproblem der Wasserstoffherstellung aus Erneuerbaren bleibt damit ungelöst. Die Verbindung von Preisvorteil und zumindest zeitweise vorhandener, überschüssiger Energie könnte das Verfahren dennoch wirtschaftlich interessant machen.

Wasserstoff-Pilotanlage zeigt Machbarkeit

Die Forschergruppe hat die Umsetzbarkeit dieser Speichermethode bereits in der Praxis bewiesen und eine Pilotanlage am Campus Hönggerberg der ETH Zürich installiert. Dazu verwendeten sie drei 1,4 Kubikmeter große Edelstahlkessel. Jeder Einzelne entspricht etwa der Größe eines Wasserspeichers einer Heizungsanlage für ein Einfamilienhaus. Diese Kessel füllten die Forscher mit handelsüblichem, unbehandeltem Eisenerz.

Die Testphase brachte erste Leistungsdaten hervor. Samuel Heiniger, ein Doktorand der Forschungsgruppe von Prof. Stark sagte:

Die Pilotanlage kann langfristig rund zehn Megawattstunden Wasserstoff speichern. Je nachdem wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus vier bis sechs Megawattstunden Strom.“

Damit sei die Anlage bereits imstande, bis zu fünf Schweizer Einfamilienhäuser in den Wintermonaten mit Strom zu versorgen. Bislang erfolgt die Herstellung des Wasserstoffs für die Anlage nicht aus eigenen PV- oder Windkraftwerken, sondern mit Strom aus dem Netz. Bereits vor zwei Jahren stammte der Strom aus Schweizer Steckdosen rechnerisch zu knapp 80 Prozent aus Erneuerbaren Energieanlagen.

Einer der Edelstahlkessel in der Nahaufnahme. Foto: ETH Zürich

Bis zum Jahr 2026 beabsichtigen die Forscher, die Anlage weiter auszubauen. Dann soll der Sommer-Solarstrom der hauseigenen PV-Anlage den Stromverbrauch im Winter am Campus zu einem Fünftel abdecken. Um das zu schaffen, sind indes Edelstahlkessel mit einem Volumen von insgesamt 2.000 Kubikmetern nötig. Das entspricht etwa dem 400-Fachen der jetzigen Größe. Die Speicherkapazität für grünen Wasserstoff läge dann bei rund vier Gigawattstunden. Aufgrund der erwähnten Verluste durch die Umwandlung bedeutet dies eine effektive Nutzkapazität von etwa zwei Gigawattstunden Strom.

Diese Anlage könnte als saisonaler Energiespeicher einen kleinen alpinen Stausee ersetzen“, teilte Stark mit.

Die bei dem Prozess entstehende Wärmeenergie von rund zwei Gigawattstunden wollen die Forscher ebenfalls nutzen. Sie soll das Heizungssystem des Campus unterstützen.

Milliardeninvestitionen für Wasserstoff nötig

Die Forscher rechneten die gesammelten Daten zudem hoch auf die landesweite Versorgung der Schweiz. Dafür kalkulierten sie mit einem künftigen Wert von 10 Terawattstunden (TWh), die das Alpenland aus saisonalen Wasserstoffspeichern beziehen würde. Dafür seien wiederum 10 Millionen Kubikmeter Eisenerz nötig sowie etwa 20 TWh grüner Wasserstoff und 40 TWh Strom aus Erneuerbaren.

Bezüglich des Flächenverbrauches wäre dieser nationale Energiespeicher mit rund einem Quadratkilometer eher überschaubar. Hinzu kommt jedoch der weitaus größere Flächenbedarf für Windkraft- und PV-Anlagen.

Erwähnenswert sind außerdem die Kosten. Ein Kubikmeter Eisenerz wiegt etwa 2,4 Tonnen. 10 Millionen Kubikmeter bringen demzufolge rund 24 Millionen Tonnen auf die Waage. „Diese Menge an Eisen entspricht etwa zwei Prozent dessen, was Australien, der größte Produzent von Eisenerz, jedes Jahr abbaut“, erklärt ETH-Professor Stark. Basierend auf dem aktuellen Marktpreis erfordere das eine Investition von gut zwei Milliarden Euro. – Die Kosten für den Wasserstoff sind noch ungewiss.

Die 10 TWh Wasserstoffspeicher in der Schweiz sind für einen Jahresstromverbrauch von 84 TWh ausgelegt. In Deutschland schätzt der Bundesverband Erneuerbare Energie den Jahresstrombedarf für 2050 auf rund 1.000 TWh – mehr als doppelt so viel wie heute. Analog dem Schweizer Beispiel müsste Deutschland dann künftig 120 TWh an Wasserstoff bereitstellen. Entsprechend zwölfmal tiefer müsste Deutschland in die Tasche greifen: Allein das Eisenerz koste – nach heutigen Preisen – mehr als 24 Milliarden Euro. Die Anlage selbst sowie die Herstellung des Wasserstoffs aus Erneuerbaren sind darin nicht berücksichtigt.



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