Mehr Kraftwerke können sinkenden Stromverbrauch nicht decken
Als es zunächst beim Start der Energiewende darum ging, die fossilen und nuklearen Kraftwerke durch Erneuerbare Energien zu ersetzen, war die Euphorie groß. Die Sache gestaltete sich einfach. Das einzig relevante Maß schien die installierte Leistung zu sein. Es galt, ein 1.000 Megawatt Kraftwerk durch 500 Windräder mit jeweils zwei Megawatt zu ersetzen. Die Bilanz war geschlossen – scheinbar.
Inzwischen ist die installierte Leistung der „Erneuerbaren“ maßgeblich gestiegen. Heute stellen Sonne – Photovoltaik – und Wind – Windkraftanlagen – den mit Abstand größten Teil des Kraftwerksparks, wenn die installierte Leistung in Betracht gezogen wird.
In Bezug auf die installierte Leistung ist der Anteil der Erneuerbaren Energien seit 2016 größer als der Anteil der konventionellen Leistung. Seit 2023 ist er mehr als doppelt so groß – Tendenz steigend. Der Anteil der Erneuerbaren an der Nettostromerzeugung hingegen betrug 2023 rund 60 Prozent. Einerseits gibt es also immer mehr Kraftwerke, andererseits liefern diese keineswegs auch immer mehr Strom.
Damit wird deutlich, dass der Vergleich hinkt und es mehr zu beachten gibt als lediglich die installierte Leistung: Je stärker der Anteil der fluktuierenden Quellen Sonne und Wind ist, desto größer wird deren Einfluss auf die Versorgungssicherheit. Der immer wieder zu hörende Ansatz „mehr vom Gleichen“ ist im Hinblick auf die Versorgungssicherheit insofern weder nachvollziehbar noch zielführend.
„Installierte Leistung“ erzeugt keinen Strom
Die Zahl der Volllaststunden von Photovoltaikanlagen lag in den vergangenen Jahren bei gut 900 Stunden. Zur Erinnerung, ein Jahr hat 8.760 Stunden. Das bedeutet, dass knapp ein Zehntel der Zeit die installierte Leistung theoretisch abgerufen werden konnte. Überlagert wird dies jedoch von einem ausgeprägten tages- und jahreszeitlichen Zyklus. Während Solaranlagen im vergangenen Winter rund zehn Prozent der Sommerleistung erreichten, produzieren sie auch bei wolkenlosem Himmel rund die Hälfte des Tages – nachts – überhaupt keinen Strom.
Die in den Mittagsstunden reichlich beziehungsweise im Übermaß verfügbare Leistung wird durch massiven Zubau noch verstärkt. Das ändert jedoch nichts daran, dass nachts keine Sonne scheint. Über ein Jahr gerechnet, beträgt die im Mittel abgerufene Leistung nur etwa zehn Prozent der Nennleistung. Die jederzeit verfügbare gesicherte Leistung beträgt null Prozent.
Die Volllaststunden bei Windkraftanlagen an Land lagen in den vergangenen Jahren bei durchschnittlich knapp unter 1.800 Stunden. Im Hinblick auf die gelieferte Energie im Verhältnis zur installierten (Nenn-) Leistung ergibt sich daraus eine mittlere Dauerleistung von circa 20 Prozent der Nennleistung. Offshore kann mit rund 3.300 Volllaststunden immerhin rund ein Drittel der Nennleistung abgerufen werden. Die gesicherte Leistung der Windkraft wird je nach Quelle mit fünf bis zehn Prozent angegeben.
Die installierte Leistung wird jedoch niemals auch nur annähernd über ausgedehnte Zeiträume geliefert, sowohl bei Solar als auch bei Wind. Bei Photovoltaik betrug die maximale Leistung im bisherigen Sommer 48,7 Gigawatt bei installierten 90,3 Gigawatt. Das entspricht knapp 54 Prozent. Die Spitzenwerte der Windkraft liegen höher, beschränken sich jedoch ebenfalls auf sehr kurze Zeiträume.
9.000 Megawatt Wind für 800 Megawatt Wasserstoff
Während die installierte Leistung der Erneuerbaren in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen ist, hat die Nettostromerzeugung jüngst abgenommen. Die Gründe sind vielfältig. Eine Prognose der Bundesnetzagentur von Januar 2023 geht jedoch davon aus, dass sich der Nettostrombedarf bis 2050 im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppeln wird. Die Forderung, die daraus abgeleitet wird, ist der massive Ausbau der Erneuerbaren, speziell von Windkraft- und Solaranlagen.
Aufgrund der beschriebenen Verfügbarkeiten ist die installierte Leistung von Sonne und Wind – zum Beispiel wegen fehlender Speicher – parallel durch Schattenkraftwerke bereitzuhalten. Hierfür ist der Bau von Gaskraftwerken geplant, die zukünftig auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet werden sollen. Woher kommt der Wasserstoff? Und wie viele Windräder sind für die Versorgung eines 800-Megawatt-Gaskraftwerkes nötig?
Für den Dauerbetrieb werden unter Einbeziehung der Wirkungsgrade bei der Umwandlung, der Volllaststunden und weiteren Faktoren rund 3.000 Windräder mit je drei Megawatt installierter Leistung benötigt. Das ist etwa ein Zehntel aller bislang auf deutschem Boden stehenden Windkraftanlagen – für ein Gaskraftwerk. Geplant sind mehrere Dutzend. Da, wie oben gezeigt, der Dauerbetrieb nicht mittels Windes aufrechterhalten werden kann, zeigt dieses Ergebnis lediglich die Größenordnung.
Unabhängig davon wird deutlich: Um ausreichend Wasserstoff zum Betrieb des Gaskraftwerkes zur Verfügung zu stellen, muss mehr als das Zehnfache an Windrädern gebaut werden.
Energiewende: sinkende Energiedichte bei erhöhtem Stromverbrauch
In Realität gibt es zwei maßgebliche, gegensätzliche Einflussgrößen: Wann immer Wind und Sonne die gesamte Stromversorgung sicherstellen können, muss das Kraftwerk nicht arbeiten. Dementsprechend sinken der Wasserstoffbedarf und die Anzahl für seine Herstellung erforderlichen Anlagen. Damit das Kraftwerk aber in der übrigen Zeit arbeiten kann, muss – zusätzlich zur regulären Energieversorgung – Wasserstoff in ausreichender Menge produziert werden, was die Anzahl der nötigen Anlagen erhöht.
Zugleich veranschaulicht das Beispiel die für die unterschiedlichen Umwandlungsketten benötigten Aggregate beziehungsweise deren Energiedichte. Die Energiedichte von Wind und Sonne ist vergleichsweise klein. Die des Wasserstoffs liegt deutlich darüber. Noch mehr Energie enthalten die fossilen und nuklearen Brennstoff.
Es steht außer Frage, dass die angestrebte Elektrifizierung, unter anderem von Verkehr und Heizung, aber auch der Industrie, eine vielfach höhere Stromerzeugung benötigt. Wurden 2023 knapp über 500 Terawattstunden (TWh) Strom benötigt, ist zu erwarten, dass dies bei Umsetzung der Regierungspläne auf 1.000 TWhbis 1.500 TWh ansteigt. Eine sofortige und vollständige Elektrifizierung aller Sektoren erfordere sogar rund 2.500 TWh pro Jahr.
Versorgungssicherheit schlechter als vor 20 Jahren
Bei Betrachtung dieser Steigerung und der derzeitigen Entwicklung des Verbrauchs und der erzeugten Energiemenge wird noch etwas anderes deutlich: Für die Gestaltung der Versorgungssituation wird ein neuer Planungsansatz nötig. Ein Ansatz, der systemische und systematische Randbedingungen berücksichtigt und nicht ausschließlich einzelne Komponenten oder Einheiten getrennt voneinander betrachtet, sondern stattdessen beispielsweise regional begrenzte Insel- oder Selbstversorger-Lösungen auf Gewerbegebietsebene.
In den vergangenen Jahren stieg einerseits die installierte Leistung, andererseits lieferte diese immer weniger Strom. Dass Deutschland im vergangenen Jahr rund 7,3 TWh mehr importierte als exportierte, verdeutlicht das Problem zusätzlich. Dies war zuletzt 2002 der Fall. Damals betrug der „positive Austauschsaldo“ (Import größer Export) 0,7 TWh.
Mit anderen Worten, trotz starkem Ausbau seines Kraftwerkparks und einem rückläufigen Verbrauch kann Deutschland seinen aktuellen Strombedarf nicht decken. Somit stellt sich die Frage: Wie erfolgt die Sicherstellung des doppelten Bedarfes im Jahr 2050?
Trotz Energiewende nur Mittelfeld
Die vielen Ziele im Umfeld der Energiewende erwecken den Anschein, als seien sie unabhängig voneinander formuliert worden: Ausbaupfad, Kohlenstoffemissionen, Elektromobilität oder Wärmepumpen. Es werden Zahlen genannt, deren Entstehung nicht nachvollziehbar ist.
Eine Überprüfung, ob die Ziele inhaltlich zueinanderpassen und in dieselbe Richtung gehen, wird augenscheinlich nicht vorgenommen. So hat der bisherige Ausbau der Erneuerbaren nicht zu wesentlich sinkenden Emissionen der Stromversorgung geführt. Mit durchschnittlich 400 Gramm Kohlenstoffdioxid pro Kilowattstunde im Jahr 2023 stößt Deutschland im europäischen Vergleich nur ins Mittelfeld vor. Für das Ziel der Minderung der CO₂-Emissionen wäre der Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke die zentrale Maßnahme gewesen. Auf diese Weise liegt Frankreich seit Jahren (weit) unter 100 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde.
Teile Skandinaviens schneiden dank zusätzlicher Wasserkraft und mit bis unter 20 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde noch weit besser ab. Das sind Werte, die in Deutschland unerreichbar sind. Selbst in den sommerlichen Mittagsstunden sind die sogenannten spezifischen Emissionen hierzulande mit 170 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde weit höher als in den Nachbarländern.
Klimaschutz auf Kosten der Umwelt?
Die Schwierigkeiten, die derzeit in Betrieb befindlichen Kraftwerke durch Wind- und Solarkraftwerke zu ersetzen, werden ebenfalls deutlich, wenn man die Daten zur Verfügbarkeit und Steuerbarkeit der Stromerzeugung in Betracht zieht. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ohne Schattenkraftwerke nicht gehen kann.
Zum Schutze des Klimas ist daher auf einen weiteren ungesteuerten und planlosen Ausbau von Wind- und Solaranlagen also zu begrenzen oder verzichten – gerade auch aus ökologischen und ökonomischen Gründen.
So birgt der Wunsch, sämtliche Kohle- und Kernkraftwerke durch die „Erneuerbaren“ zu ersetzen, noch eine ganz andere Herausforderung: Der Rohstoffbedarf der für die Energiewende benötigten Anlagen und Produkte steigt im Vergleich zu konventioneller Technik um ein Vielfaches.
Nach Angaben der Internationalen Energie Agentur (IEA) benötigt ein typisches Elektroauto sechsmal mehr Rohstoffe als ein herkömmliches Auto. Ähnliches gilt für Photovoltaikanlagen im Vergleich zu einem Gaskraftwerk vergleichbarer Größe, Offshore-Windkraftwerke erfordern über 13-mal mehr Rohstoffe – tragende Elemente wie Aluminium und Stahl sowie Fundamente aus Beton nicht einbezogen.
In Deutschland ist der Rohstoffbedarf für Solar und Wind indes noch größer, denn das Gaskraftwerk muss ebenfalls gebaut werden, um die Stromversorgung zu übernehmen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Über den Autor
Dr.-Ing. Matthias Reckzügel ist Professor für innovative Energiesysteme an der Hochschule Osnabrück. Dort leitet er das Labor für Thermische Energietechnik und lehrt unter anderem in den Bereichen Kraftwerkstechnik und Thermodynamik. Prof. Reckzügel ist außerdem Studiengangbeauftragter im Bachelorstudiengang Maschinenbau, wissenschaftlicher Leiter des 2011 gegründeten Kompetenzzentrums Energie, Mitglied im Strategierat „Energie“ in der Region Weser-Ems sowie Vorstand der Wilhelm-Müller-Stiftung.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion