„Wiederaufbauoffensive“: Deutschland will zahlen, US-Banker wollen managen
Der Krieg in der Ukraine ist zwar noch nicht vorbei, doch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) denkt wie viele andere Politiker und Geschäftsleute schon intensiv über die Zeit danach nach. Kurz vor ihrem Auftritt bei der zweitägigen „Wiederaufbaukonferenz“ in London (Ukraine Recovery Conference URC 2023, 21. und 22. Juni) umschrieb sie die „kolossalen“ Aufgaben, an denen Deutschland sich im Rahmen einer „Wiederaufbauoffensive“ beteiligen werde. Dies sei ein Kontrast zu Putins „blinder Zerstörungswut“, so Baerbock.
Zunächst, so Baerbock, werde es darum gehen, „massive neue humanitäre Hilfen“ bereitzustellen, „um den am schlimmsten von Zerstörung, Überflutung und Vertreibung betroffenen Familien beizustehen“, hieß es in einem Vorab-Artikel des Auswärtigen Amtes.
Außerdem müsse das umkämpfte Land „stabilisiert“ und von Sprengminen befreit werden. Die zerstörte Infrastruktur gehöre wieder instandgesetzt. Baerbock verwies auf Fabriken, Kraftwerke und Bahnhöfe, zusätzlich auf „tausende Schulen“ und „hunderttausende Häuser“, die es zu erneuern gelte.
Die Weltbank gehe davon aus, dass „der Wiederaufbau mehr als 400 Milliarden US-Dollar kosten wird“, mahnte Baerbock. Immerhin habe die Ukraine im Laufe des Jahres 2022 „29 Prozent ihres BIP verloren“, und die Inflation habe „bis zu 27 Prozent“ betragen.
Nach Informationen der „Tagesschau“ versprach Baerbock der Ukraine allein für 2023 weitere 381 Millionen Euro „an humanitärer Hilfe“. Der bisher geleistete Gesamtbetrag aus Deutschland würde sich damit auf 16,8 Milliarden Euro belaufen. Deutschland wolle nach Aussage Baerbocks „auch vor Ort die Zukunft der Ukraine mitgestalten und beim Ausbau grüner Energien unterstützen“.
Die USA hätten in London bereits 1,1 Milliarden Euro zugesagt, so die „Tagesschau“. Konferenzgastgeber Großbritannien habe 280 Millionen Euro versprochen, außerdem 3,5 Milliarden Euro „an Kreditgarantien der Weltbank“. Die EU habe sogar „50 Milliarden Euro bis 2027“ in Aussicht gestellt.
US-Banker sehen gute Businessmöglichkeiten
Wo so viel Geld winkt, sind die Banken nicht fern: Bei den zu erwartenden Finanzgeschäften helfen, sollen nach Informationen der schweizer Onlineplattform „Finews.ch“ die amerikanischen Finanzgiganten J.P. Morgan und BlackRock. Philipp Hildebrand, dem stellvertretenden Vorstand von BlackRock, schwebten „Mischfinanzierungen“ als Teil der Aufbaustrategie vor.
Die US-Banker sollen die Regierung Selenskyjs dafür bei der Gründung einer Bank beraten, die die öffentlichen und privaten Gelder für den Wiederaufbau anziehen soll. Als potenzielle Investoren hoffe BlackRock wohl auf „Pensionsfonds und andere langfristige Investoren und Kreditgeber“. Diese könnten ihr Geld über neu aufzulegende Fonds „in Sektoren wie Infrastruktur, Klima und Landwirtschaft“ anlegen.
Die Fonds sollen nach Vorstellung von BlackRock-Berater Brandon Hall von einer „international glaubwürdigen Gruppe von Interessenvertretern“ geführt werden. Nach Informationen des Onlineportals „Ukrinform.de“ soll der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bereits mit J.P. Morgan über „vielversprechendste Investitionsbereiche“ in seinem Land gesprochen haben.
Die ukrainische Regierung habe Blackrock bereits im November 2022 um Rat gebeten, wie man Milliardensummen anziehen könnte, berichtet „Finews.ch“. Im Februar 2023 sei dann J.P. Morgan mit ins Boot geholt worden. Selenskyj persönlich habe im Mai angekündigt, auch mit Spezialisten der internationalen Unternehmensberatung McKinsey zusammenarbeiten zu wollen.
Baerbock will Ukraine in „europäisches Friedens- und Wohlstandsprojekt“ integrieren
Bundesaußenministerin Baerbock forderte, dass es flankierend zu allen nationalen „Investitionsgarantien“ durch die Bundesregierung, „innenpolitische Reformen“ und vor allem eine „Perspektive des EU-Beitrittsprozesses“ für die Ukraine geben müsse.
Langfristig werde so „die Grundlage für eine zukunftsfähige und florierende ukrainische Wirtschaft“ geschaffen, gab sich die grüne Außenministerin optimistisch:
Denn für dauerhaften Frieden reicht es nicht, dass die Ukraine den Krieg gewinnt – wir wollen, dass sie zu einem Teil des europäischen Friedens- und Wohlstandsprojekts wird. Das ist in unserem ureigenen Interesse.“
Ukraine „frei und stark“ – Russland „isoliert und korrupt“
Die höchste Diplomatin der Bundesrepublik Deutschland stellte die beiden verfeindeten Länder plakativ nebeneinander: hier eine „freie und wirtschaftlich starke Ukraine“, dort „Putins isoliertes und korruptes Regime“.
„Für eine nachhaltige Entwicklung“ Kiews müsse auch der Privatsektor zu Investitionen vor Ort bereit sein: „Jede gelieferte Ware, jede erbrachte Dienstleistung bedeutet Arbeitsplätze und ein Stück Zukunftschancen für die Menschen“, betonte die Chefin des Auswärtigen Amtes. Schon jetzt seien „trotz des Krieges viele deutsche Unternehmen weiterhin in der Ukraine tätig“. Das mache ihr „große Hoffnung“. Sie begrüße es ebenfalls, dass Großbritannien die URC 2023 „auch als Investitionsmesse für Privatunternehmen“ organisiert habe.
„Kriegsrisikoversicherung“ für private Investoren
Wie die „Berliner Zeitung“ unter Verweis auf die dpa berichtete, habe die britische Regierung davon gesprochen, dass ihr bereits Zusagen von „Hunderten internationaler Unternehmen“ vorlägen, die sich alle am Wiederaufbau beteiligen wollen. Nach Angaben der „Tagesschau“ gehören BT, Virgin, Philips und Hyundai Engineering dazu.
Der britische Premierminister Rishi Sunak wolle für die Investoren eine „Kriegsrisikoversicherung“ einrichten lassen, bestätigte die „Berliner Zeitung“. Diese Versicherung solle durch Gelder der pro-ukrainischen G7-Gruppe „gedeckt“ werden.
USA: Ukraine soll sich in Sachen Korruption ändern
US-Außenminister Antony Blinken habe Kiew schon am 20. Juni während eines Treffens mit seinem britischen Kollegen James Cleverly dazu aufgefordert, „die demokratischen Institutionen zu stärken“. Dazu gehöre auch ein besserer Umgang mit dem „Problem der Korruption“ und eine „effektive“ und „zielgerichtete“ Verwendung der Hilfsgelder. Die Vereinigten Staaten und weitere Verbündete würden die Ukraine dabei unterstützen, habe Blinken zugesagt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drängte schon am ersten Konferenztag per Videobotschaft darauf, Tempo zu machen: „Wir müssen von Visionen zu Vereinbarungen und von Vereinbarungen zu echten Projekten übergehen.“ Sein Land benötige „konkrete Taten und nicht nur Zusagen“, so Selenskyj laut „Tagesschau“. Bereits am Vortag hatte er in seiner allabendlichen Videobotschaft in die Zukunft geblickt:
Eine wiederaufgebaute Ukraine, eine transformierte Ukraine, eine stärkere Ukraine ist […] ein Sicherheitsgarant, ein Schutz gegen jedwede Form von russischem Terror.“
Deutschland Gastgeber 2024
Mit einem schnellen Kriegsende wird augenscheinlich von keiner Seite mehr gerechnet: Im Jahr 2024 soll Deutschland nach Informationen der „Berliner Zeitung“ die Rolle zufallen, die nächste „Ukraine Recovery Conference“ auszurichten.
Doch wann auch immer der Krieg offiziell beendet sein wird: „Deutschlands Unterstützung ist felsenfest, heute, morgen und übermorgen“, versprach Baerbock nicht zum ersten Mal.
Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) reisten nach London.
Von der „Reform Conference“ zur „Recovery Conference“
Die „Ukraine Recovery Conference 2023“ versteht sich selbst als „zentrales Forum für die internationale Gemeinschaft“, in dem die „Erholungs- und Wiederaufbaubemühungen“ der Ukraine diskutiert werden können, und zwar als „wesentlicher Bestandteil für einen gerechten und dauerhaften Frieden“. Die erste Ausgabe des Meetings hatte im Juli 2022 in Lugano stattgefunden.
Die Konferenzen sind allerdings auch Teil jener regelmäßigen internationalen Zusammenkünfte, die sich seit 2017 um die Zukunft des geostrategisch äußerst wichtigen, rohstoffreichen Grenzlandes zwischen Europa und Asien drehen. Damals firmierte das Treffen aber noch als „Ukraine Reform Conference“.
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