„Unmöglich“: Tauchexperte zweifelt an Alleingang bei Nord-Stream-Sprengung

Mithilfe eines kleinen Segelschiffes soll eine Crew die Nord-Stream-Pipelines gesprengt haben. Der Tauchexperte Sven Thomas widerspricht dieser Theorie. Alleine hätten sie das so nie schaffen können.
Nordstream
Die „Andromeda“ ist ein rund 15 Meter langes Segelschiff mit einem Mast.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 4. November 2024

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Am 26. September 2022 zerstörten mehrere Sprengsätze drei der vier Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee. Bis heute ist nicht vollständig aufgeklärt, wer genau den Anschlag auf den Gastransit zwischen Deutschland und Russland verübt hat.

Seit wenigen Monaten gehen die Ermittler davon aus, dass eine kleine zivile Gruppe von ukrainischen Tauchern dafür verantwortlich sein soll. Der Ex-Geheimdienstler Roman Tscherwinsky soll die Aktion angeleitet und geplant haben. Mit einem 15 Meter langen Segelschiff – genannt „Andromeda“ – soll die Mannschaft auf hoher See die Sprengsätze in die Tiefe manövriert haben.

Tauchprofi: Ein weiteres Team – mindestens

Dieser Theorie widerspricht Sven Thomas im Gespräch mit der „Bild“ entschieden. Er ist Leiter der Wasserrettung in Halle an der Saale und führt regelmäßig Tauchexpeditionen durch. Seiner Aussage nach hätte die Mannschaft der „Andromeda“ diese Aktion „unmöglich“ schaffen können – zumindest nicht alleine. Er sagte:

Es muss – mindestens – ein weiteres Team gegeben haben, um die gewaltigen Explosionen zu verursachen!“

Thomas erklärte, dass er zusammen mit anderen Tauchexperten „das Schadensbild der Explosionen, die nötige Ausrüstung für die Tauchgänge, die Route der ‚Andromeda‘, Wetter und Seegang zum Tatzeitpunkt genauestens ausgewertet“ hat. Diese Ermittlung führte ihn zu einem unausweichlichen Ergebnis: „So, wie viele Medien und staatliche Ermittler es darstellen, kann es nicht gewesen sein“, betonte der Tauchprofi.

Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. (Archivbild)

Nach den Sprengungen von Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 strömten Zehntausende Tonnen Methangas aus. Foto: -/Danish Defence Command/dpa

Mehrere Widersprüche

In gleich mehreren Punkten sieht Thomas Unstimmigkeiten und Widersprüche zur bisherigen „Andromeda“-Version. Durch mehrere selbst durchgeführte Tauchgänge weiß er, worauf es bei solch einer Aktion ankommt. Momentan führt er mehrere im Arendsee in Sachsen-Anhalt mit seinem Team durch, wo sie ein Schiffswrack in 34 Meter Tiefe untersuchen.

Damit die „Andromeda“ den Sabotageakt so präzise wie geschehen durchführen konnte, musste sie stabil auf der rauen Ostsee stehen. Der Einmaster hatte laut Thomas jedoch nur einen 25 Kilogramm schweren Anker, der knapp 100 Meter in die Tiefe reicht. Die Gaspipelines befanden sich in 90 Meter Tiefe. Für Thomas war es unter diesen Bedingungen für das Segelschiff nicht möglich, eine stabile Lage beizubehalten. „25 Kilo Ankermasse sollen 17 Tonnen Boot und Ausrüstung stabil halten? Unmöglich“, sagte er.

Ebenso unmöglich ist laut Thomas das Gewicht der für die Aktion benötigten Ausrüstung. Mit allen nötigen Tauchutensilien für eine solche Tiefe einschließlich des Sprengstoffs kommt er auf „mindestens 4 Tonnen Gepäck“. Das könne ein Schiff wie die „Andromeda“ nicht schaffen.

Zudem waren wohl alleine schon die Sprengsätze viel zu groß für das Schiff. Da diese eine Sprengkraft von mindestens 400 Kilogramm TNT hatten, schlussfolgerte Thomas: „Solche Bombensätze kriegen sie nicht ohne Kran und Gegengewichte ins Wasser, sonst kentert das Boot.“ Ebenso soll es zur Tatzeit bis zu drei Meter hohe Wellen und Windgeschwindigkeiten von bis zu 40 km/h gegeben haben. Keine günstigen Bedingungen also.

Auch anhand des Schadensbildes der zerstörten Nord-Stream-Pipelines kommt für Thomas und seine Kollegen nur eine Schlussfolgerung infrage: Die „Andromeda“ hätte rein technisch nur eine der vier Explosionen verursachen können. „Es waren mindestens zwei Teams unterwegs, mit völlig unterschiedlicher Ausrüstung und Vorgehensweise“, so Thomas.

Russlands Gas: Politisch unbeliebt, aber wichtig

Die Nord-Stream-Leitung war bis zur Jahresmitte 2022 die wichtigste Gasbezugsquelle für die EU. Teilweise flossen mehr als 15 Milliarden Kubikmeter pro Quartal von Russland in den Westen.

Nach dem militärischen Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 begannen viele EU-Staaten, ihre Erdgasimporte aus Russland zu reduzieren. Die oft genannte Begründung war, dass sie Moskau möglichst wenig Geld zur Finanzierung des Krieges geben wollten. Das flächenmäßig größte Land der Welt musste beobachten, wie die Handelsmengen schnell abnahmen.

Seit Anfang September strömte dann schon kein Gas mehr über den Nord-Stream nach Europa. Dennoch war die Leitung mit Gas voll angefüllt. Schätzungen zufolge entwichen durch die Explosionen 300 bis 500 Millionen Kubikmeter Methangas an die Meeresoberfläche und in die Erdatmosphäre.

Jetzt gibt es noch drei aktive Gastransitrouten von Russland nach Europa. Zuletzt nahmen die gelieferten Mengen wieder leicht zu. Neben Tankerladungen mit verflüssigtem Erdgas (LNG) strömten über den weiterhin funktionierenden Ukrainetransit 4,1 Milliarden Kubikmeter in die EU-Staaten. Nach derzeitigem Stand soll aber auch diese Leitung zum Jahreswechsel zugedreht werden. Die Handelspartner haben den auslaufenden Liefervertrag bisher nicht verlängert. Russland wäre dazu bereit, Kiew jedoch nicht.

Zugenommen haben im dritten Quartal vor allem die Lieferungen über die von Gazprom finanzierte Schwarzmeerpipeline TurkStream. Im Vergleich zum zweiten Quartal erhöhte sich die Liefermenge um knapp 15 Prozent auf 4,4 Milliarden Kubikmeter. Der Grund: Aufgrund des konstanten Bedarfs zur Energiegewinnung und langfristigen Lieferverträge können einige europäische Staaten nicht auf Erdgas aus Russland verzichten.



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