Gashahn wird zugedreht: Ab Januar kein Ukraine-Transit mehr für die EU

Das Gasangebot für Europa wird zum Jahreswechsel knapper. Mit dem Wegfall des Ukraine-Transits für russisches Gas rechnet ein Analyst mit steigenden Preisen für den Brennstoff.
Transit
In der Ukraine wird bald der Gashahn für Europa zugedreht.Foto: Serhii Konstantinov/iStock
Von 2. Oktober 2024

Ab Januar 2025 wird voraussichtlich deutlich weniger Erdgas von Russland nach Europa fließen. Denn am 31. Dezember 2024 läuft der Vertrag zwischen dem russischen Staatskonzern Gazprom und dem ukrainischen Staatskonzern Naftogaz aus. Dieser garantierte bis dato den Transit des Brennstoffes über die Ukraine.

Nach derzeitigem Stand wird der Vertrag nicht verlängert. Kiew hatte das Ende des Transits zuletzt bestätigt. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte hingegen die Bereitschaft zur Fortsetzung des Transits nach Europa bekräftigt.

Wie viel Gas fällt weg?

Das kann direkte Auswirkungen auf die Gasversorgung mehrerer EU-Staaten haben. Jake Horslen, LNG-Analyst beim Beratungshaus Energy Aspects, sagte vor Kurzem auf einer Veranstaltung von „Montel“:

Wir sprechen von einer Verknappung der europäischen Gasbilanz in diesem Winter.“

Denn mit dem Wegfall des Ukraine-Transits verliert Europa in jedem Quartal mehrere Milliarden Kubikmeter an Gas. So flossen im zweiten Quartal dieses Jahres mehr als 4,1 Milliarden Kubikmeter über diese Route. Der Ukraine-Transit war somit in diesem Zeitraum der zweitgrößte russische Gasfluss in die EU.

Vor Beginn des Ukraine-Krieges flossen 2021 durch diese Leitung noch zwischen 9,4 und 11 Milliarden Kubikmeter Gas pro Quartal.

Preisanstieg erwartet

Wenn der Ukraine-Transit wegfällt, wird der Börsengaspreis, auch TTF-Day-Ahead-Preis genannt, nach Einschätzung von Energy Aspects in den kalten Monaten auf durchschnittlich 40 Euro pro Megawattstunde ansteigen. Das liegt am zunächst geringeren Gasangebot, mit dem Europa dann konfrontiert sein dürfte. Aktuell steht der Börsenpreis bereits bei 38,59 Euro (Stand: 1. Oktober 2024).

Zudem wird der Preis von den Wintertemperaturen beeinflusst sein. Bei einem harten Winter ist mit einem hohen Heiz- und Gasbedarf zu rechnen. Das treibt den Gaspreis hoch. Erlebt Europa einen milden Winter wie bereits in den vergangenen Jahren, wirkt sich das voraussichtlich dämpfend auf den Day-Ahead-Preis aus.

Der Gasmarkt hat nach Aussage von Horslen mit Risiken aus dem geopolitischen Bereich zu kämpfen, die schwer einzuschätzen seien. „Aber ich würde nicht mit einem Preisanstieg rechnen, wie wir ihn im Jahr 2022 erlebt haben.“ Im Jahr der Energiekrise erreichte dieser Preis Spitzenwerte von mehr als 300 Euro pro Megawattstunde.

Weitere Transitrouten

Jetzt gibt es noch drei aktive Gastransitrouten von Russland nach Europa. Mit 4,8 Milliarden Kubikmeter kam im zweiten Quartal am meisten Gas in Form von Flüssiggas (LNG) an. Über die TurkStream-Leitung strömten noch knapp 3,9 Milliarden Kubikmeter Gas Richtung Westen.

Russland und Europa werden von zwei weiteren Gastransitrouten verbunden: Nord Stream durch die Ostsee und Yamal über Polen. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 nahmen die Handelsmengen schnell ab und noch im selben Jahr ebbte der Transit über diese Leitungen auf null ab.

Im September 2022 wurden durch den Nord-Stream-Anschlag drei von vier Pipelines zerstört. Auf das Angebot des Kremls, durch die noch intakte Leitung Gas nach Europa zu liefern, reagierte der Westen bis heute nicht.

Neben Russland bieten auch andere Staaten Europa Gas an. Hauptlieferant ist Norwegen. Weitere Lieferungen kommen unter anderem aus den USA, Algerien, Großbritannien und Aserbaidschan.

Jüngst gewannen die russischen Importe für die EU wieder eine höhere Bedeutung. Im zweiten Quartal hat Russland erneut die USA mit Gaslieferungen nach Europa übertroffen. Somit wurde Russland wieder zum zweitgrößten Gaslieferanten der EU.

Österreich bald in Liefernot?

Gerade Österreich bezieht große Mengen Erdgas aus Russland. Im Juli lag der Anteil an Russland-Gas an der Gesamtimportmenge bei 83 Prozent. Durch einen Vertrag ist das Alpenland bis 2040 an die Lieferungen aus Russland gebunden.

Die Alpenrepublik liegt auf der Route des Ukraine-Transits. Wolfgang Urbantschitsch, Vorsitzender der österreichischen Strom- und Gas-Regulierungsbehörde E-Control, sagte daher: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ab Jänner [Januar] 2025 kein Gas mehr über die Ukraine und die Slowakei nach Österreich fließt.“ Demnach seien die nationalen Gasanbieter nun in der Pflicht. Sie müssten die Lieferverpflichtungen ihren Kunden gegenüber einhalten.

Johannes Mayer, Chefökonom bei E-Control, gibt sich aber optimistisch – zumindest was den Winter 2025/26 betrifft. Er rechnet nicht mit Versorgungsproblemen ohne Gas aus Russland ab Januar 2025. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Gasspeicher zu Winterbeginn voll sind. Aktuell sind die österreichischen Gasspeicher zu 93 Prozent gefüllt. Seiner Ansicht nach befinden sich auch die LNG-Kapazitäten in Europa auf einem guten Stand.

Ebenso sollte Deutschlands Gasversorgung für diesen Winter gesichert sein. Aktuell sind die deutschen Gasspeicher zu 96 Prozent gefüllt. Obwohl in einigen Haushalten aufgrund kühlerer Außentemperaturen die Heizung wieder zum Einsatz kam, ist der Gasverbrauch noch moderat. Besonders der Verbrauch der Industrie liegt deutlich unter dem Durchschnittsverbrauch der Jahre 2018 bis 2021. Das liegt unter anderem an der fortlaufenden Deindustrialisierung des Standorts Deutschland.



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