Augustusplatz Leipzig, 31 Jahre nach 1989: „Querdenken“ und „Antifa“ versammeln sich zur selben Zeit
Leipzig ist im geschichtlichen Kontext jene Stadt, die mit den friedlichen Bürgerprotesten in der ehemaligen DDR in Verbindung gebracht wird. Diese führten letztendlich zum Sturz des SED-Regimes, der sozialistischen Diktatur im Osten Deutschlands, und zur Wiedervereinigung.
Ab dem 4. September 1989 versammelten sich Tausende Menschen auf den Straßen Leipzigs zu den Montagsdemos, die auch auf weitere Städte der ehemaligen DDR übergriffen: „Wir sind das Volk!“ – erinnerten die Demonstranten die Regierung an den eigentlichen Grund ihres Bestehens – dem Volk zu dienen.
31 Jahre nach 1989
Für den 7. November kündigten die Bürgerinitiativen „Querdenken-341 Leipzig“ und „Querdenken-711 Stuttgart“ eine „friedliche und basisdemokratische Demonstration“ an. Unter dem Motto „Geschichte gemeinsam wiederholen – Friedliche Evolution“ will man zu einer Kundgebung auf dem Augustusplatz in Leipzig einladen, mit späterem Aufzug durch die Innenstadt.
Am gleichen Ort nur 31 Jahre später wollen wir genau das wieder tun! Bitte bringt Kerzen mit.“
(Nils Wehner, Querdenken-341 Leipzig)
In einer gemeinsamen Pressemitteilung nehmen die Bürgerinitiativen Bezug auf die große Montagsdemo vom 6. November 1989 in Leipzig, bei der die Bürger „trotz erheblichem Gegenwind, Verhaftungen, riesigem Polizeiaufgebot, Diffamierungen durch die Presse und vielem mehr“ geschafft hatten, „friedlich, aber bestimmt auf die Straße“ zu gehen, um für Mitbestimmung und ein Ende der SED zu demonstrieren (Zitat: Leipziger Demontagebuch).
Liebe, Freiheit, Frieden – für Antifa nur „Worthülsen“
Damals, im November 1989, waren die Fronten klar: Auf der einen Seite standen viele Tausende Demonstranten, sinnbildlich für das Volk im Osten Deutschlands, auf der anderen Seite standen die Einsatzkräfte von Staatssicherheit, Volkspolizei und Volksarmee.
Auf dem Augustusplatz im heutigen Leipzig, 31 Jahre später, werden die Konfrontationen anders sein, denen sich die Demonstranten gegenüber sehen. Ein Aktionsnetzwerk der Leipziger Antifa kündigte in einem langen Statement an: „Kein Leipzig für rechte Umsturzfantasien“ und „Leipzig bleibt maskiert“.
Die ansonsten gegen das rechtsstaatliche System und die Polizei ankämpfenden Linksautonome zeigten sich ungewöhnlich konform: Der geringe Anstieg an Infektionszahlen in Leipzig liege vor allem daran, „dass sich ein Großteil der Einwohner*innen bewusst und verantwortungsvoll an die Corona-Schutzmaßnahmen hält, um weitere Einschränkungen, Infektionen und Sterbefälle zu vermeiden“.
Doch da gebe es „eine distanzlose Traube an Menschen, welche sich eben dieser Verantwortung nicht bewusst“ sei und sich hinter den „zu Worthülsen verkommenen Begriffen ‚LIEBE‘, ‚FREIHEIT‘, ‚FRIEDEN‘ versammeln“.
Streit um Deutungshoheit 1989
In einem Promotionvideo der Querdenken-Veranstaltung werden die Zeiten von 1989 und 2020 miteinander verglichen und verwoben. Dem widerspricht die Antifa Leipzig, nennt es ein „Mobilisierungsvideo“ mit „heldenhafter Klischee-Musik“, um ein „propagandistisches Epos zu stilisieren“.
Darin würden Bilder der Montagsdemonstrationen 1989 mit Bildern von heute zusammengeschnitten und ex-SED-Chef und Honecker-Vorgänger Walter Ulbricht gezeigt, wie er sein „verlogenes Versprechen um den Mauerbau“ daherstammle. Dann werde auf Bundeskanzlerin Merkels Worte hingewiesen: „Niemand hat die Absicht eine Impfpflicht einzuführen“. In der nächsten Szene tauche dann eine blutende Maske der Kanzlerin auf, mit dem Slogan: „Angela, dein ’89 ist da“.
Antifaschistische Taktikänderung?
Vor Kurzem noch wurden die Teilnehmer von „Querdenken“ von manchen pauschal als Nazis bezeichnet. In der Rhetorik der Antifa hat sich hier offenbar einiges geändert:
„Mitnichten ist der Großteil der Demonstrant*innen der Bewegung Leipzig dem rechtsorientierten Umfeld zuzuordnen. Die Bewegung Leipzig zieht ein durchwachsenes Publikum an – meist gut situiert, aber unzufrieden“, analysiert die Antifa. „Mittelständische Unternehmer*innen, Angestellte, Künstler*innen, zum Teil schon in Rente oder Pension“ würden sich selbst und ihre „Verdrossenheit über ihr Leben und die regierenden Parteien“ feiern.
Die Antifa Leipzig ruft demnach zu einer zentralen Protestkundgebung am 7. November ab 13 Uhr auf dem Augustusplatz auf. Zur gleichen Zeit beginnt die „Querdenken“-Kundgebung dort.
Ob die Antifa die „Kontrolle über ihre Demonstrant*innen und deren Radikalität“ bewahren kann, bleibt bis zum 7. November abzuwarten.
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