Klimadialog in Berlin: Scholz und Baerbock wollen Energiewende weltweit verbreiten
Am Mittwoch, 3. Mai, endete der Petersberger Klimadialog in Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) riefen eindringlich zu mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderwärmung auf.
Es ging um konkrete Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien sowie die internationale Klimafinanzierung. Scholz sagte einen deutschen Beitrag in Höhe von zwei Milliarden Euro für den Grünen Klimafonds zu.
Erneuerbare weltweit verdreifachen
Der Kanzler stellte sich in seiner abschließenden Rede auf dem Dialogforum hinter das „klare Ziel zum globalen Ausbau der erneuerbaren Energien“. Bis 2030 sollen sich diese demnach verdreifachen. Mit Blick auf den rasanten Umbau hob Scholz hervor: „Wir mögen unterschätzt haben, was wir in einem Jahr ändern können. Umso mehr wissen wir jetzt, was in zehn Jahren möglich ist.“
Das Ausbauziel wäre „ein deutliches Signal an die Real- und die Finanzwirtschaft“. Der Vorschlag entspreche den Zahlen der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA), berichtet das „Handelsblatt“.
Ihren Angaben zufolge müssten die Erneuerbaren in den kommenden Jahren um im Schnitt 1.000 Gigawatt pro Jahr ausgebaut werden. Das ist dreimal so viel wie heute. Zum Vergleich: Deutschland hatte laut „Statista“ im vergangenen Jahr 148 Gigawatt installierte Leistung aus erneuerbaren Energiequellen. China hatte 1.161 Gigawatt. Die Welt solle demnach jedes Jahr knapp die Menge an Erneuerbaren ausbauen, die China über Jahrzehnte aufgebaut hat.
Baerbock kündigte an, das Verdreifachungsziel solle Thema bei der Weltklimakonferenz im November in Dubai sein. Der Petersberger Klimadialog diene als Vorbereitung dazu.
Für Deutschland bedeute die bis 2030 geplante Abdeckung von 80 Prozent des Stromverbrauchs durch Erneuerbare ein gewaltiger Kraftakt. Rechnerisch müsste die Branche pro Tag vier bis fünf neue Windkraftanlagen an Land errichten und 43 Fußballfelder mit Solaranlagen, beschrieb Scholz die Herausforderung.
„Es geht nicht mehr um Visionen, es geht darum, endlich zu liefern“, sagte Baerbock auf der Pressekonferenz nach zweitägigen Beratungen hochrangiger Vertreter aus rund 50 Staaten. „Mit jedem Jahr steigt der Druck“, betonte die Ministerin. Für Deutschland bekräftigte sie auch die Forderung nach einem Kohleausstieg bis 2030. Mit dem Abschalten der Kernkraftwerke im April sind diese jedoch noch wichtiger geworden für eine stabile Grundversorgung des Landes.
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Erneuerbare nur „Solala“?
Die Bundesregierung setzte sich zusammen mit den G7-Staaten das Ziel, diesen Ausgleich mit einem noch massiveren Ausbau von Wind- und Solarenergie zu meistern. Baerbock baute in ihrer Rede einen Versprecher ein, indem sie „Solala-Energie“ anstatt „Solarenergie“ sagte.
Für eine stabile Grundversorgung bewerten Fachleute Solarenergie durchaus als „Solala“. Denn infolge der Fluktuation von Wind- und Sonnenstrom ist ein überwiegend mit Wind- und Sonnenstrom betriebenes Stromnetz instabil.
„Etwa 40 Prozent des Stroms müssen nach wie vor mit fossilen oder mit Kernenergiekraftwerken (Grundlastkraftwerke) erzeugt werden“, sagt etwa der Physiker Prof. Lüdecke. Das widerspricht dem oben erwähnten 80-Prozent-Ziel von Deutschland.
Das ist auch guthttps://t.co/xlHWQAb74V
— Helmut Loehr (@LoehrHelmut) May 2, 2023
Deutschland und Dubai uneinig über fossile Energien und KKW
Der designierte Präsident der UN-Klimakonferenz in Dubai, Sultan Ahmed Al Jaber, bekannte sich gleichfalls zu ehrgeizigen Zielen. „Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst und sind uns der Dringlichkeit bewusst“, sagte er in Berlin zu Baerbock, die er als eine „Freundin“ bezeichnete. Al Jaber ist auch Chef des staatlichen Energiekonzerns seines Landes.
Zwischen Baerbock und Al Jaber gab es allerdings unterschiedliche Akzente. Die deutsche Außenministerin bekräftigte, „dass wir herausmüssen aus den fossilen Energien“. Al Jaber sagte, fossile Energien würden zunächst „weiterhin eine Rolle spielen“.
Der Sultan betonte zudem, es gehe ihm um einen „ganzheitlichen, umfassenden“ Ansatz. „Alle Energiequellen sind darin enthalten“, sagte er, wie GMX berichtet. „Wir müssen den Einsatz der erneuerbaren Energien verdreifachen, die Wasserstoffproduktion verdoppeln, Atomenergie ausweiten.“ Für den Sultan ist klar: Es gehe um die Reduzierung der „klimaschädlichen“ Emissionen. Aber zu diesem Ziel gebe es unterschiedliche Wege und Fahrpläne.
Im Vordergrund solle daher stehen, „CO₂ aus der Energieproduktion herauszunehmen“, insbesondere durch die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS). Erst kürzlich vereinbarten auch Norwegen und die EU ein Verfahren zur CO₂-Sequestrierung (Deponierung von Kohlendioxid im tieferen Untergrund) in norwegischen Gasfeldern. Al Jaber unterstützte aber den massiven Ausbau erneuerbarer Energien.
Finanzhilfe für andere Länder
Der Grünen-Klimafonds (GCF) stellt Entwicklungsländern wie Indien, Tansania oder Lateinamerika Geld für Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen zur Verfügung. Der deutsche Beitrag für den GCF soll laut Bundesentwicklungsministerium auf einer Geberkonferenz Anfang Oktober offiziell beigesteuert werden und innerhalb der kommenden vier Jahre bereitstehen.
„Lassen Sie uns die Erfolgsgeschichte des Fonds weiterschreiben, er ist heute wichtiger als je zuvor“, sagte Scholz. Er bekräftigte auch seine frühere Zusage, die deutschen Mittel für internationale Klimafinanzierung insgesamt ab 2025 auf sechs Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Die Mittel für den GCF sind ein Teil davon, weiteres Geld fließt in andere Fonds sowie bilaterale Projekte und Partnerschaften.
„So wie es jetzt aussieht, sind wir auf einem Weg, dass wir dieses Jahr endlich die Summe von 100 Milliarden US-Dollar erreichen können“, sagte die Grünen-Politikerin beim Petersberger Klimadialog in Berlin.
Die Industrieländer hatten 2009 in Kopenhagen versprochen, bis zum Jahr 2020 gemeinsam jährlich 100 Milliarden US-Dollar (90,5 Milliarden Euro) aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Bisher ist das nicht gelungen.
Greenpeace und FFF verlangen noch mehr
Care-Klimaexperte Sven Harmeling begrüßte die Zusage für den Klimafonds als „großen Schritt in die richtige Richtung“. Skeptische Töne zur Rede des Kanzlers kamen von Greenpeace und Fridays for Future. „Damit die Emissionen schnell genug sinken, reicht es nicht, in Erneuerbare zu investieren“, erklärte Luisa Neubauer, Aktivistin von „Fridays For Future“. Ihrer Ansicht nach sei auch eine schnellere Abkehr von fossilen Energien nötig.
Scholz habe die Chance verstreichen lassen, für Dubai „einen klaren Beschluss zum Ausstieg aus Öl und Gas einzufordern“, kritisierte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser.
(Mit Material der Agenturen)
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