GroKo diskutiert kontrovers über Streichung des „Rasse“-Begriffs aus Verfassung

Innerhalb der großen Koalition wird der Grünen-Vorschlag zur Streichung des "Rasse"-Begriffs aus dem Grundgesetz kontrovers diskutiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bewertete das Vorhaben skeptisch, die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli sprach sich hingegen dafür aus.
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Artikel 3 des Grundgesetzes legt die Gleichheit vor dem Gesetz fest.Foto: Jens Kalaene/dpa/dpa
Epoch Times10. Juni 2020

FDP, Linke und der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein befürworteten eine Abkehr von der bisherigen Formulierung des „Rasse“-Begriffs aus dem Grundgesetz.

Seehofer zeigte sich in Berlin bereit zur Diskussion über den Vorschlag, betonte aber zugleich, ein Verzicht auf den „Rasse“-Begriffs in der Verfassung könne Missverständnisse auslösen. Wenn die Regierung einen Kabinettsausschuss zum Rassismus einsetze und für „null Toleranz“ eintrete, dann sei die Streichung „vielleicht ein falsches Signal“.

Er versperre sich keineswegs einer Debatte, betonte der Innenminister. „Für ihn sei aber „viel wichtiger, dass wir die Causa Rassismus in Deutschland auf den Nullpunkt bringen“.

Auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium äußerte sich zurückhaltend zu einer Streichung. Der Begriff mache keine Aussage zur Existenz verschiedener menschlicher Rassen, sagte eine Sprecherin. „Ihm ist auch keine Akzeptanz von bestimmten Rassekonzepten zu entnehmen.“ Der Artikel sei vielmehr im Grundgesetz aufgenommen worden, um ein „deutliches Zeichen gegen den Rassenwahn“ der Nationalsozialisten zu setzen.

Der Begriff Rasse werde auch in der europäischen Rassismusrichtlinie verwendet und sei der sprachliche Anknüpfungspunkt für den Begriff Rassismus, sagte die Ministeriumssprecherin. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer schloss sich ihrer Position an.

SPD-Vizechefin Midyatli sagte den Funke-Zeitungen vom Mittwoch: „Der veraltete Begriff ‚Rasse‘ hat im Grundgesetz nichts zu suchen, er muss aus Artikel 3 gestrichen werden.“ Sie betonte: „Es gibt keine Rassen, diese Klarheit wünsche ich mir auch in unserer deutschen Verfassung.“ Sie plädierte zugleich dafür, den Kampf gegen Rassismus im Grundgesetz als Staatsziel zu verankern.

Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck hatten unter dem Eindruck der weltweiten Anti-Rassismus-Debatte eine Streichung beziehungsweise Umbenennung des Begriffs verlangt.

Der Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, schloss sich der Forderung nach Streichung an. Er schlug vor, den Begriff zum Beispiel durch „rassistische Diskriminierung“ oder „rassistische Zuschreibung“ zu ersetzen.

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, unterstützte den Grünen-Vorstoß. Der Begriff „Rasse“ sei „ein soziales Konstrukt, das geradezu darauf ausgelegt ist, Menschen abzuwerten und zu diskriminieren“, sagte er den Funke-Zeitungen. Durch die Aufnahme des Terminus seien die Mütter und Väter des Grundgesetzes einer Vorstellung der Rasseideologie aufgesessen.

Die FDP im Bundestag hob hervor, das Grundgesetz wende sich entschieden gegen Rassismus. Dies müsse aber auch sprachlich zum Ausdruck gebracht werden, deshalb sei eine Präzisierung richtig. „Denn die Erwähnung des Wortes Rasse in Artikel 3 des Grundgesetzes dient ja nur der Absage an Rassismus“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann den Funke-Zeitungen.

Für eine Streichung sprach sich auch die Linke im Bundestag aus. Die Linksfraktion habe bereits 2010 gefordert, den Begriff Rasse aus der deutschen Rechtsordnung und aus internationalen Dokumenten zu streichen, schrieb Fraktionschef Dietmar Bartsch im Internetdienst Twitter. Er solle durch die Formulierung „ethnische, soziale und territoriale Herkunft“ ersetzt werden.

In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (afp)



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