Bundestag: Wölfe zurückdrängen, wo das Raubtier dem Menschen in die Quere kommt

Angesichts zunehmender Wolfszahlen steigen die Tierschäden. Das Raubtier soll zurückgedrängt werden. Kommt die erleichterte Bejagung?
Wolf
Wölfe gefährden die Weidetierhaltung in Deutschland.Foto: Olivier Morin/AFP via Getty Images
Von 5. Februar 2023

Vor 20 Jahren noch kaum vorstellbar: Nach aktuellen Zahlen tummeln sich offiziell zwischen 1.200 und 2.000 Wölfe in Deutschland, Tendenz steigend. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 161 Rudel gezählt. Das berichtete das Bundesamt für Naturschutz Ende November 2022. Für das Monitoringjahr 2022/2023 geht der Deutsche Bauernverband sogar schon von bis zu 2.700 Tieren aus.

Wo die einen ein Stück zurückkehrende Artenvielfalt bejubeln, beklagen die anderen zunehmende Schäden. Die Anzahl von verwundeten und getöteten Weidetieren stieg von 40 Tieren im Jahr 2006 auf rund 3.500 Tiere an. Etwa 1.000 Übergriffe wurden 2021 gezählt. Leidtragende sind meist Schäfer und Landwirte, besonders viele der Wolfsübergriffe erfolgten auf Schafe und Ziegen.

Schäden minimieren durch Wolfsmanagement

Grund genug für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, einen Antrag für ein effektives Wolfsmanagement zu stellen, das die Möglichkeit für eine Bejagung des Wolfs verbessern soll. Über den Antrag wird vermutlich am 8. Februar beraten, danach kommen die Lesungen im Bundestag.

Am 29. September letzten Jahres begründete Klaus Mack den Antrag mit drastischen Worten: „Als Bürgermeister im Schwarzwald habe ich erlebt, wie es ist, wenn ein Wolf in einer Nacht im Blutrausch 20 Schafe tötet und die von hinten angefressenen Körper morgens noch lebend auf der Weide liegen“. Doch das ist kein Einzelfall: Schwer zu ertragende Videos von lebenden Schafen, denen die Eingeweide aus dem aufgerissenen Bauch heraushängen, kursieren auf YouTube. Es gehe laut Mack um die „vielen Weidetierhalter“, deren Existenz „vielerorts ernsthaft bedroht“ sei.

Was ist zu tun, um deren Schäden zu minimieren? Ist eine Koexistenz im eng besiedelten Deutschland überhaupt möglich? Im Umweltausschuss des Bundestags kamen am 18. Januar elf Experten zu Wort.

Den Wolf wieder abschaffen will keiner der Politiker und Experten. Jedoch besteht Einigkeit darüber, das Raubtier zumindest da zurückzudrängen, wo er dem Menschen zu sehr in die Quere kommt – Stichwort „Wolfsmanagement“. Dabei geht es um die Erhebung von Daten und deren Bewertung. Nach dem Wunsch der CDU/CSU-Fraktion soll ein „günstiger Erhaltungszustand“ der Wolfspopulation definiert werden und anhand dieser Zahlen eine erleichterte Bejagung möglich sein.

Bei der Einbringung des Antrags in den Bundestag im September war zwischen den Abgeordneten über diesen Punkt ein heftiger Streit entbrannt, ob belastbare Zahlen bereits vorliegen oder erst erhoben werden müssten und wie die Bewertung vorzunehmen sei. Der Ausschussvorsitzende Harald Ebner (Grüne) unterstellte der CDU/CSU zugleich, den Wolf wieder ausrotten zu wollen.

Andere Regierungen in Europa sind schon einige Schritte weiter, wie ein Blick nach Schweden zeigt. Am 2. Januar startete in Schweden die größte Wolfsjagd seit der Wiedereinführung der Lizenzjagd im Jahr 2010. Ziel ist, die Wolfspopulation einzudämmen. Nach Schätzungen leben in Schweden rund 460 Wölfe in freier Wildbahn. Das Jagdgebiet erstreckt sich auf die fünf Regionen mit der höchsten Wolfsdichte. Insgesamt 75 Wölfe wurden in diesem Jahr zum Abschuss freigegeben; in den vergangenen Jahren wurden 203 Tiere getötet. Schweden verbietet den Wolf in allen Regionen, in denen Rentiere leben, um deren Bestand zu schützen.

Herdenschutz

Noch vor dem Abschuss der Wölfe wird von vielen jedoch der Einsatz von elektrischen Zäunen und Herdenschutzhunden als Mindeststandard befürwortet. Der Einsatz von Zäunen ist aufwendig, kostspielig und zuweilen nicht umsetzbar, beispielsweise in gebirgigen Gegenden oder auf Deichen.

Ilka Reinhardt vom Lupus Institut für Wolfsmonitoring und -forschung plädiert für einen „richtig umgesetzten, funktionstüchtigen“ Herdenschutz. Schutzmaßnahmen wie Zäune, Schutzhunde und Behirtung seien selbst an Deichen und in Bergregionen möglich. Was es brauche, sei eine bessere fachliche Begleitung der Weidetierhalter.

Mit Blick auf den fehlenden Herdenschutz in Norwegen, wo die Schäden enorm seien, sprach sich Carsten Nowak vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt für „gut implementierte Herdenschutzmaßnahmen“ aus.

Berufsschäfer: „Zügiger und konsequenter Abschuss“

Die Ultima Ratio wäre der Abschuss – auch „Entnahme“ genannt. Bislang ist lediglich die Entnahme auffälliger Wölfe erlaubt. Mit dem Antrag könnte die Entnahme aber erweitert werden.

Um diese zu vereinfachen, fordert die CDU/CSU-Fraktion daher, den Wolf von der EU-Kommission vom Naturschutzrecht ins Jagdrecht umstufen zu lassen. Aktuell wird die Jagd auf Wölfe als Straftat geahndet und zieht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich.

Für einen „zügigen und konsequenten Abschuss“ von Wölfen, wenn Nutztieren trotz Herdenschutz Schaden drohe, plädierte Andreas Schenk vom Bundesverband der Berufsschäfer. Er forderte den Ausgleich aller Kosten, die im Zusammenhang mit dem Wolf entstehen.

Frank Hahnel vom Schafzuchtverband Berlin Brandenburg sprach sich gegen Jagdquoten und Obergrenzen aus: Nicht eine bestimmte Zahl von Wölfen sei problematisch, sondern ein bestimmtes Verhalten der Tiere. Daher müssten die entnommen werden, die Weidetiere gefährdeten – unabhängig von einer festgelegten Zahl. Durch die Bejagung geschwächte Rudel seien erst recht gezwungen, Schafe oder Ziegen anzugreifen, so Hahnel.

Mangel an Beutetieren

In vielen Regionen bestehe darüber hinaus ein Mangel an Wild- und Beutetieren, meint Sven Herzog, Professor für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Universität Dresden. Dort dürften mögliche Beutetiere wie Rotwild gar nicht leben, was dazu führe, dass Wölfe sich zunehmend Herden- und Nutztiere als Beute suchten.

Anton Larcher vom Tiroler Jägerverband plädierte daher für die Einrichtung von „wolfsfreien Zonen“. Durch die unkontrollierte Ausbreitung des Wolfes sieht er bereits die Almwirtschaft in Österreich gefährdet. Viehhalter hätten hier viel für den Herdenschutz getan, dieser sei aber „gescheitert“.

Alexander Kramer vom Deutschen Landkreistag sah die Schaffung wolfsfreier Zonen angesichts der juristischen Lage jedoch skeptisch.

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft „nur mitberatend“

Probleme gibt es bei den Zuständigkeiten: Herdenschutz und die Umsetzung der artenschutzrechtlichen Regelungen sind vor allem Ländersache. Der Bund unterstützt die Länder dabei, tragbare und sachgerechte Lösungen für präventiven Herdenschutz zu finanzieren.

Interessant auch, dass die Wolfsproblematik im Umweltausschuss beraten wird, die Schäden aber eher im Landwirtschaftsbereich anfallen, dessen Themen vom Agrarausschuss beraten werden. Laut Auskunft des Büros des Umweltausschussvorsitzenden Harald Ebner ist der Agrarausschuss „mitberatender Ausschuss und wird daher diesen Antrag ebenfalls beraten“.

MdB Hans-Jürgen Thies (CDU) erklärte gegenüber der Epoch Times: „Der Ausschuss Ernährung/Landwirtschaft, dem ich angehöre, ist bei der Beratung über den Wolfsantrag in der Tat nur mitberatend. Deshalb ist es sogar fraglich, ob in diesem Ausschuss überhaupt eine Debatte zu diesem Antrag erfolgt.“ Thies sei in beiden Ausschüssen, weshalb „die Einbindung der Agrarpolitiker bei der Wolfsdebatte sichergestellt“ sei.

 



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