Berlin: Wie das Kohle-Aus zur Wasserknappheit führen kann

Das Kohle-Aus in den kommenden Jahren stellt Berlin vor eine große Herausforderung: Es droht Wasserknappheit in der Landeshauptstadt, wenn die Lausitz keine Kohle mehr abbaut. Doch was hat der Kohletagebau damit zu tun? Und welche Lösungsansätze gibt es schon heute?
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Derzeit führt die Spree in Berlin genügend Wasser. Das könnte sich in einigen Jahren ändern.Foto: NiseriN/iStock
Von 17. Juni 2024

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Berlin hat als Millionenstadt einen entsprechend hohen Wasserbedarf. Ausgerechnet der Kohletagebau sorgt derzeit für ausreichend Wasser in der Spree, die vom Lausitzer Bergland durch die Hauptstadt fließt.

Bis spätestens 2038 will die derzeitige Bundesregierung die deutschen Kohlekraftwerke komplett abgeschaltet sehen – nach Wunsch der Regierung bereits in sechs Jahren. Doch gerade diese Maßnahme der deutschen Energiewende könnte Berlins wichtigste Wasserzufuhr zum Erliegen bringen, wie das ZDF in einem Videobeitrag berichtete.

Am 14. Juni trafen sich daher die Länderchefs von Berlin, Brandenburg und Sachsen zum „Spreegipfel”, um über die künftige Wasserversorgung der Region zu sprechen – und wer die Kosten dafür trägt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sieht bei der Finanzierung den „Bund zu 100 Prozent in der Pflicht”.

Grundwasserspiegel sinkt

Was ist das Problem? Bereits seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass manche Seen wie beispielsweise der Große Seddiner See südwestlich von Berlin an Wasser verlieren. Das liegt insbesondere am sinkenden Grundwasserspiegel.

Auch Verdunstung durch den Klimawandel soll hier mit ein Grund sein. „Die Temperaturzunahme ist besonders in den Bundesländern Brandenburg und Berlin besonders hoch, auch etwas höher als in den westlichen Bundesländern“, sagte Hagen Koch vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, laut ZDF. Gelegentlicher Starkregen könne den Grundwasserpegel nicht auffüllen, da dieser schnell abfließt.

Die Spree versorgt mehrere Seen in Berlin mit Wassernachschub. Die Großstadt bezieht ihr Trinkwasser vor allem aus dem Großen Müggelsee im Südosten der Stadt. Mehr als 100 Brunnen, die um den See aufgestellt sind, fördern daraus das wertvolle Nass. Davon kommt aber immer weniger. Innerhalb der letzten 100 Jahre hat sich hier der Grundwasserpegel um bis zu sechs Meter abgesenkt.

Kohletagebau nährt die Spree

Somit ist es für Berlin essenziell, dass die Spree ausreichend Wasser besitzt. Das ist derzeit noch der Fall. Doch dass die Spree so gefüllt ist wie jetzt, ist nicht allein der Natur zu verdanken. Künstliche Wassereinleitungen in der Lausitz sorgen dafür, dass jeweils rund 700 Liter Grundwasser pro Sekunde den Fluss zusätzlich auffüllen. „Gerade im Sommer, wenn es trocken ist, kann dieses gereinigte, eingeleitete Wasser bis zu 75 Prozent des Spreeabflusses ausmachen“, sagte der Fachmann für Renaturierung Christoph Gerstgraser.

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Die Spree fließt von der Lausitz bis nach Berlin und mündet dort in die Havel. Foto: Screenshot YouTube-Kanal „ZDFheute Nachrichten“

Konkret stammt das Grundwasser vom Braunkohletagebau in der Lausitz. Dieses wird von dort abgepumpt, damit sich die gigantischen Gruben nicht mit dem Wasser anfüllen. Somit trägt die schmutzige fossile Energie maßgeblich zur ausreichenden Wasserversorgung der deutschen Hauptstadt bei. Gerstgraser fügte hinzu:

Wenn dieses Wasser wegfällt, müssen wir uns eine Alternative überlegen. Ansonsten wird es dramatische Auswirkungen haben hinsichtlich der Ökologie, der Nutzung und auch der Gewinnung von Trinkwasser – vor allem in Berlin.“

Wenn also bereits in sechs Jahren die letzten deutschen Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen, wird es entsprechend auch mit dem Tagebau zu Ende gehen. Die Pumpen werden dann abgestellt und es fließt kein zusätzliches Wasser mehr in die Spree.

Es braucht Ersatz – aber woher?

Das Umweltbundesamt hat das Problem bereits erkannt und mit einer Studie mehrere Lösungsansätze ausgearbeitet. Die wahrscheinlich naheliegendste Lösung ist bei Wasserknappheit das Einsparen von Wasser. „Alle Nutzergruppen in der Region werden künftig deutlich mehr Wasser sparen müssen“, rät die Behörde. Einsparungen allein könnten das prognostizierte Wasserdefizit aber nicht ausgleichen.

Das fehlende Wasser muss im kommenden Jahrzehnt demnach woanders herkommen. So „ist es unerlässlich, zusätzliches Wasser für die Flussgebiete der Lausitz bereitzustellen“. Die Studie empfiehlt Wasserüberleitungen aus nahe gelegenen großen Flüssen, wie der Elbe, der Lausitzer Neiße und der Oder.

Aufgrund der geografischen Nähe steht als möglicher Wasserspender besonders die Elbe im Fokus. Eine mögliche Verbindung wäre von Prossen nahe Dresden nach Bautzen nach Weiterleitung des Wassers in einem rund elf Kilometer langen Tunnel [Studie S. 211].

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Mögliche Elbwassereinleitung in die Spree südlich von Bautzen. Foto: Screenshot YouTube-Kanal „ZDFheute Nachrichten“

Eine Pumpe müsste dann das Wasser in den benachbarten Fluss befördern. Diese Variante wird derzeit laut MDR von Dr. Wilfried Uhlmann, ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet, favorisiert. Uhlmann wirkte an der Studie mit. Zudem gäbe es zwei weitere mögliche, etwas längere Verbindungen in der Nähe.

Wenn die Elbe viel Wasser hat, kann dieses in Wasserreservoirs wie die gefluteten Tagebauseen geleitet werden.

Entnahme-Idee trifft auf Widerstand

Derzeit ist allerdings noch nichts entschieden. Zudem muss erst geklärt sein, ob die Elbe überhaupt genügend Wasser hat, um der Spree etwas davon abgeben zu können. Elbe-Expertin Iris Brunar vom BUND hält die Maßnahme für keine gute Idee. „Durch eine Überleitung würde ein Teil des sowieso schon knappen Wassers der Elbe abgeleitet. Dabei wird es dringend in der Flussaue gebraucht.“ Uhlmann merkte an, dass die Elbe Zeiten mit wenig und Zeiten mit viel Wasser habe.

Ihrer Ansicht nach sollte eine Entnahme nur dann stattfinden, wenn der Fluss ausreichend gefüllt ist. Ebenso müsse es Speicher geben, die dann das Elbewasser gemäßigt in die Spree abgeben.

Ivo Teichmann vom konservativen Bündnis Deutschland steht den Entnahmeplänen ebenfalls skeptisch gegenüber. Er befürchtet, dass nicht nur bei Wasserüberfluss Wasser abgeleitet wird, sondern auch bei Mangellagen.

Dabei wies er auf den großen Wasserbedarf in Dresden hin. Er erklärte, dass er das Vertrauen in die Regierung verloren habe. „Wir [Deutschland] haben auch vor einem Jahr gesagt, wir liefern keine Panzer an die Ukraine und liefern jetzt. Politik ist veränderbar, je nachdem, wer das Sagen hat“, schilderte Teichmann.

Auch Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) hat kein gutes Gefühl bei der Sache. Er verwies dabei auf den industriellen Verbrauch: „Wir sind hier der größte Mikrochipfertigungsstandort für ganz Europa. Da gibt es erhebliche Bedarfe auch für weitere Industrieansiedlungen. Das alles müssen wir teilweise aus Elbewasser gewährleisten.“ Elbabwärts in Magdeburg dürfte auch die entstehende große Intel-Fabrik weiteren Wasserbedarf erzeugen.

Speicher ausbauen

Eine weitere Empfehlung der Umweltbehörde ist der Ausbau von Speicherkapazitäten. Derzeit kann die Spree-Region rund 99 Millionen Kubikmeter Wasser speichern. Mit einer Erweiterung dieser Kapazitäten um 27 Millionen Kubikmeter ließe sich das künftige mögliche Defizit bei trockeneren Monaten teilweise ausgleichen.

Die gespeicherte Wassermenge müsste allerdings vollständig zur Verfügung stehen. Derzeit sind die vorhandenen Speichervolumina nur zu rund 50 Prozent eingeschränkt nutzbar. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher, die bestehenden Speicher zu sanieren, damit sie ihre volle Kapazität nutzen können. Auch Bergbaufolgeseen könnten als Wasserspeicher dienen. Die Behörde sieht hierfür den Cottbuser Ostsee als geeignet an. Dazu müssten jedoch umgehend die erforderlichen genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Speichernutzung geschaffen werden.

Als eine eher vorübergehende Notlösung schlägt das Umweltbundesamt vor, die Pumpen aus dem Bergbau weiterzubetreiben. Dies hätte zum einen negative ökologische Folgen, da so die Sulfatbelastung der Spree weiter ansteigen wird. Zum anderen ist die Aufbereitung des abgepumpten Grundwassers im Vergleich zu anderen Maßnahmen die vermeintlich teuerste Lösung zum Ausgleich des Wassermangels.



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