Windkraftanlagen unter Denkmalschutz gestellt – „Massive Rückbaukosten“ gespart?
Auf Brandenburgs Denkmalliste gibt es offiziell rund 14.000 Baudenkmale. Und vor Kurzem sind zwei weitere dazugekommen, wie es sie so noch nicht gegeben hat: zwei ältere Windkraftanlagen.
Die Stahltürme sind bei Weitem nicht so groß wie moderne Anlagen, die sich oftmals weit über 200 Meter in den Himmel erstrecken. Die im Jahr 1992 in Betrieb genommenen Windräder vom Typ Enercon E-33 haben eine Nabenhöhe von 38 Meter und einen Rotordurchmesser von 33 Meter, wie „rbb24“ berichtet. Sie stehen auf einem Feld im Zossener Ortsteil Schünow südlich von Berlin.
Ein Erbe und große Pläne
Der damalige Erbauer der Windkraftanlagen, Jürgen Weinrich, verstarb 2021 und seine Nachkommen erbten seine insgesamt 15 Windräder. Seit Jahren stehen sie still, da die Generatoren defekt sind und Ersatzteile fehlen, wie „Bild“ berichtet. Die inzwischen 32 Jahre alten Stahltürme müssten in diesem Alter normalerweise längst abgebaut und entsorgt werden.
In der Regel geschieht das schon nach gut 20 Jahren. Denn dann läuft die gesetzlich garantierte Vergütung für den eingespeisten Strom aus. Zudem ist die Anlage dann auch nicht mehr in optimalem Zustand – die hohen Wartungskosten machen das Windrad meist unwirtschaftlich.
Jürgen Weinrichs Tochter Jeannine Weinrich gründete zusammen dem Unternehmer Christian Busse den Verein WindKraftArche. Busses Firma befasst sich damit, wie man ältere Windkraftanlagen wieder in Betrieb nehmen kann.
„Wir möchten nicht einfach Schrott unter Denkmalschutz stellen“, so Busse. „Wir gehen davon aus, dass wir eine Anlage in diesem Jahr wieder ans Netz bekommen.“ Dabei soll der Verein helfen, bei dem verschiedene Branchenexperten mitwirken.
WindKraftArche gibt sich in seinem Vorhaben optimistisch. Denn die Mitglieder erhoffen sich von den beiden denkmalgeschützten Windrädern, dass diese noch über 50 Jahre Strom ins Netz einspeisen können.
Doch die Pläne gehen laut Busse noch weiter: Im Gespräch ist eine Kooperation mit einem Studiengang für erneuerbare Energien. Der Verein will die Stahltürme begehbar machen. In Zukunft sollen dann die Studenten dort die Möglichkeit haben, sich ein Windrad genauer anschauen zu können.
Jeannine Weinrich spart sich laut einem Bericht der „Bild“ Zehntausende Euro Abrisskosten – dank des Status des Denkmalschutzes.
Lokaler Widerstand gegen Windkraftanlagen-Denkmal
Derweil zeigten viele Anwohner kein Verständnis für die neu ernannten Denkmäler. Als Schünows Ortsvorsteherin Regina Pankrath von dem ungewöhnlichen Denkmal erfuhr, hielt sie dies zunächst für einen schlechten Scherz. Sie sagte „rbb24“:
Den einzigen Sinn kann man darin eigentlich nur sehen, dass die Betreiber sich damit massive Rückbaukosten ersparen.“
Pankrath lässt dieser Fall keine Ruhe. Sie verlangt derzeit vom Landesamt für Denkmalpflege eine Akteneinsicht und erwägt, dagegen zu klagen. Ihrer Ansicht nach dürften diese alten Windräder dort nicht ewig stehen bleiben. Unterstützung könnte sie von Einwohnern bekommen. So sagte eine Anwohnerin:
Das ist für mich kein Denkmal. Das ist Schrott! Denkmäler sind für mich altertümliche Gerätschaften oder Gebäude, wo wirklich ein paar Jahrhunderte drauf sind, aber doch nicht das hier. Die stehen tausendfach bei uns rum.“
Eine weitere Anwohnerin konnte einerseits nachvollziehen, dass die Besitzer die Anlagen gerne erhalten möchten. Andererseits „ist es aber auch wichtig, die Bürger von Schünow miteinzubinden. Der Abstand zum bewohnten Gebiet ist natürlich sehr nah.“
Aufgrund des geringen Abstands ist der Bau neuer Windkraftanlagen nämlich dort verboten. Deswegen würden vieler Schünower einen Abriss dieser einzigartigen Denkmäler befürworten.
Große Bedenken äußerte auch Péter Vida, Freie-Wähler-Chef von Brandenburg. Er teilte der „Bild“ mit: „Wenn das Beispiel Schule macht, werden bald überall kaputte Windräder das Land verschandeln.“
Bald auch in MV unter Denkmalschutz?
Könnte sich hieraus also künftig ein Trend ergeben, dass Betreiber von Windkraftanlagen so die Abbau- und Entsorgungskosten umgehen? Dazu hat der „Nordkurier“ bei der Landesregierung des benachbarten Mecklenburg-Vorpommern nachgefragt, ob es dort ebenfalls solche Windraddenkmäler geben könnte.
Eine Antwort kam vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege. Darin heißt es, dass „ein solcher Fall zumindest in der Theorie denkbar“ wäre. Das hinge „im Einzelfall von der Prüfung der Eingabe ab“. Somit schließt die Behörde solch ein Vorgehen wie in Schünow nicht aus.
Das wäre dann nicht die erste Erklärung eines Windrades in MV zum Denkmal. Denn das Amt bestätigte, dass eine Windenergieanlage vom Typ Vestas V25 in Wustrow (Vorpommern-Rügen) im Jahr 2022 als Denkmal anerkannt wurde. Die offizielle Eintragung in die Denkmalliste des Kreises Vorpommern-Rügen befindet sich laut des Landesamtes „in der Vorbereitung“. Das Windrad ging erstmals im Jahr 1989 in Betrieb.
Recycling von Windkraftanlagen problematisch
Rund 85 Prozent der Materialien einer Windkraftanlage wie Stahl, Kupfer, Elektronik und Generatoren können problemlos wiederverwendet werden. Das Problem sind die restlichen 15 Prozent – die glasfaserverstärkten Rotorblätter. Nur wenige Deponien nehmen diese überhaupt an.
Bisher gibt es nur wenige Ansätze, die Rotorblätter zu recyclen. Einer kommt vom deutschen Unternehmer Holger Sasse, wie „National Geographic“ berichtet. Er will die Glasfasern als Zusatzstoff bei der Herstellung wetterfester Terrassendielen einsetzen. Sasse errichtete dafür eine Fabrik für Glasfaserrecycling. Dort könnte er theoretisch bis zu 43.000 Tonnen Windradflügel pro Jahr verarbeiten.
Doch es gibt es noch Probleme bei der Rentabilität. „Leider sind es bislang nur rund 1.000 Tonnen pro Jahr, was etwa 35 Windrädern entspricht“, so der Unternehmer. Aus finanziellem Grund würden die Windkraftbetreiber die ausgedienten Rotorblätter lieber verfeuern, das koste nur rund die Hälfte vom Recycling bei Sasse. Doch auch darüber hat sich der Unternehmer Gedanken gemacht und fordert „einen Bonus für Unternehmen, die umwelt- und klimagerecht handeln.“
Nach Schätzung des Umweltbundesamtes fallen bis 2030 jährlich 20.000 Tonnen Flügelabfall an, danach rund 50.000 Tonnen. Hinzu kommt, dass neuere Flügel nicht nur 30 Meter lang und zehn Tonnen schwer sind, sondern eher Hundert(e) Meter lang und entsprechend schwer. Sie nutzen statt Glasfasern zudem Carbonfasern, die zwar stabiler, aber auch gefährlicher für die Gesundheit sind, und kommen daher für Sasses Recyclingfabrik nicht infrage. Ihr Recycling bleibt damit weiterhin ungewiss.
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