Anstieg um 14 Prozent: Warum steigt der Börsenstrompreis plötzlich rasant an?

Die Börsenpreise für Strom und Gas ziehen wieder kräftig an. Grund ist die Entwicklung im Ukraine-Krieg. Fachleute befürchten, dass der Preissprung erst der Anfang ist. Was bedeutet die Entwicklung für Verbraucher?
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Der Energiemarkt befindet sich in Veränderung.Foto: daniilphotos/iStock
Von 16. August 2024

Innerhalb von nur zwei Wochen ist der Börsenstrompreis an der europäischen Strombörse EEX um mehr als 14 Prozent angestiegen. Noch größer war im selben Zeitraum der Sprung beim Erdgaspreis am europäischen Handelsplatz TTF: Gut 20 Prozent verzeichneten die Händler.

Das hängt mit der ukrainischen Offensive in Russland zusammen. Der Markt reagiert sensibel auf eine mögliche Destabilisierung der europäischen Gasversorgung.

Ungewissheit über Gastransit

Der Anstieg des Gaspreises ist eine Folge der aktuellen geopolitischen Ereignisse, insbesondere des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Seit rund zwei Wochen führen ukrainische Streitkräfte in den russischen Regionen Kursk und Lipezk eine militärische Offensive aus. Dort sollen sie laut unbestätigten Berichten die Gasverdichterstation der Stadt Sudscha unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Anstieg um 14 Prozent: Warum steigt der Börsenstrompreis plötzlich rasant an?

Eine Gasmessstation im russischen Sudscha an der Grenze zur Ukraine. Das Gebiet ist in der Hand von ukrainischen Truppen. Foto: epa Maxim Shipenkov/epa/dpa/dpa

Über diese Station verteilt sich russisches Erdgas quer durch die Ukraine Richtung Slowakei, Österreich und weitere europäische Länder. Fast die Hälfte aller russischen Gaslieferungen nach Europa läuft hier durch.

Eine Unterbrechung der Gaslieferungen könnte die Verhandlungsposition Russlands in Bezug auf zukünftige Gas-Transitabkommen mit der Ukraine und anderen europäischen Ländern beeinträchtigen.

Merit-Order von Strom- und Gaspreis

Der Anstieg des Börsenstrompreises ist nach Aussage von Dr. Christoph Canne, Bundespressesprecher der Bundesinitiative Vernunftkraft, die Folge der Gaspreisentwicklung. Dieser Zusammenhang liege an der Folge des Merit-Order-Effekts.

Merit-Order bezeichnet die Einsatzreihenfolge der verschiedenen Kraftwerksarten, die an der Strombörse ihren Strom anbieten. Laut Prof. Dr. Fritz Vahrenholt werden diese aufsteigend sortiert. „Das Kraftwerk, das als letztes mit dem teuersten Preis zugeschaltet wird, bestimmt den Börsenpreis.“

Als Beispiel nannte der Wissenschaftler und SPD-Politiker die Zeit, als in Deutschland ein Strombedarf von 60 Gigawatt (GW) bestand. Der Preis dafür lag bei rund 60 Euro pro Megawattstunde (MWh) – das sind sechs Cent pro Kilowattstunde.

„Wenn nun der Gaspreis steigt und die […] Gaskraftwerke im Preis nach oben gehen und das teuerste Gaskraftwerk bei 200 Euro pro MWh Strom produziert, ist das der Börsenpreis, den alle bezahlen müssen“, erklärte Vahrenholt.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt. Foto: privat

Das deutsche Stromnetz wird bereits heute und in zunehmendem Maße durch Erneuerbare-Energie-Anlagen geprägt. Diese bekommen laut Vahrenholt eine festgelegte Vergütung und speisen in der Regel dann in das Stromnetz ein, wenn sie gerade produzieren. Ihre Einspeisung richte sich dabei nicht nach dem aktuellen Marktpreis. „Sie schieben die Kraftwerksreihenfolge nach rechts, der Preis sinkt.“

Die deutschen Netzbetreiber haben nach Aussage von Canne das Problem, dass sie in windstillen Nächten, also bei der sogenannten Dunkelflaute, in der Merit-Order-Systematik teure Erzeuger zuschalten müssen.

Wird der Strompreis weiter steigen?

In den vergangenen Wochen ist der Börsenstrompreis von 86,7 Euro pro MWh am 22. Juli auf aktuell knapp 99 Euro (15. August) angestiegen. Ebenfalls zog im selben Zeitraum der TTF-Gaspreis von 32,6 auf derzeit 39,2 Euro pro MWh an. Zwischenzeitlich sprang dieser auch über die 40-Euro-Marke.

Doch wie sind die Prognosen? Flachen die Preise wieder ab oder werden sie noch weiter ansteigen?

Canne teilte der Epoch Times mit: „Ein Marktwirtschaftler glaubt ja immer daran, dass ihm die Börsenpreise die derzeitigen Erwartungen aller Marktteilnehmer widerspiegeln.“ Mit Blick auf den Chart des Stromfutures verriet er die Erwartung der Marktteilnehmer. Demnach würden sich die Preise „von den derzeitigen Hochs wieder ein wenig nach unten bewegen“.

Gleichzeitig sieht der Bundespressesprecher eine Preisdifferenz zu Frankreich. Eine in seinen Augen „sehr intelligente Auswertung“ hat er am 14. August auf 𝕏 geteilt. Den Grund für die unterschiedlichen Preise im Nachbarland sieht er in der ganztägigen Verfügbarkeit von Kernkraft im Nachbarland. Deutschland hingegen ist im April 2023 mit dem Abschalten der letzten deutschen Atommeiler komplett aus dieser Energiequelle ausgestiegen.

Der Preis ist aber maßgeblich abhängig von der weiteren Entwicklung im Ukraine-Krieg. Bei sofortigem Stopp der russischen Gaslieferungen erwartet James Waddell, Leiter des Bereichs europäisches Gas und globales LNG beim Beratungsunternehmen Energy Aspects, TTF-Preise für den Winter 2024/25 von rund 50 Euro pro MWh.

Genug Gas für den Winter?

Weiter teilte Waddell „Montel News“ mit: „Wir sehen ein Szenario, in dem [der russische Gaskonzern] Gazprom beschließen könnte, keine Gasströme mehr aufgrund der ukrainischen Besetzung durch Sudscha zu leiten oder weil die Kämpfe in der Nähe der Station Schäden verursachen und die Gasströme unterbrechen könnten.“

Experten hatten bisher ohnehin miteinkalkuliert, dass Russland seine Gaslieferungen durch die Ukraine bis Ende dieses Jahres einstellen könnte. „Aber ein sofortiger Ausfall über diese Route würde die für Ende Oktober erwarteten Speicherstände verringern“, sagte Waddell.

Europa könne einen solchen Gasstopp zwar verkraften und dennoch gut durch den kommenden Winter kommen. Momentan sind die deutschen Gasspeicher bereits zu gut 92 Prozent gefüllt.

Allerdings sei es „sehr schwierig“, die Speicher bis 2025 dann wieder aufzufüllen, sagte er.

Was bedeuten der Preisanstieg für Stromkunden?

Canne wies darauf hin, dass der Börsenstrompreis einen Teil der Stromrechnung der privaten Haushalte ausmache. Er ist einer von vielen Komponenten, aus denen sich letztlich der Preis pro Kilowattstunde (kWh) für den Endkunden zusammensetzt.

Beschaffung und Vertrieb des Stromes machen rund 52 Prozent des Endstrompreises aus. Die Beschaffung erfolgt dabei über die Strombörse. Es ist wie ein Marktplatz, an dem der verfügbare Strom aus unterschiedlichen Quellen gehandelt wird. Die Preise ergeben sich aus Angebot und Nachfrage.

Wenn der Börsenstrompreis also um 15 Euro pro MWh steigt, wie es fast in den vergangenen zwei Wochen der Fall war, erhöht sich der Preis pro Kilowattstunde für den Endkunden um rund 0,75 Cent.

Laut Canne werden in Zukunft aber eher die hohen und steigenden Netzkosten zum Problem für die deutschen Haushalte. Bei den Netzentgelten ist deswegen ein deutlicher Anstieg zu erwarten, weil in diesem Bereich die Investitionen um ein Vielfaches gestiegen sind. Der Grund: der für die Energiewende dringend nötige massive Netzausbau.



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