„Strom-Not-Land“ Deutschland: Weniger Stromproduktion, dafür mehr Stromimporte

Hat Deutschland ein Stromproblem? Die Strommarktdaten für 2023 der Bundesnetzagentur könnten zumindest darauf hinweisen. Demnach sank die Stromproduktion um nahezu zehn Prozent. Der fehlende Strom wurde importiert.
Alarmierende Entwicklungen: 2023 fast zehn Prozent weniger Strom selbst erzeugt
Deutschland hat 2023 weniger Strom produziert und umso mehr importiert.Foto: iStock
Von 10. Januar 2024

2023 ist Geschichte. Der deutsche Strommarkt hat sich im vergangenen Jahr deutlich gewandelt. Offizielle Zahlen zur Entwicklung hat die Bundesnetzagentur am 3. Januar veröffentlicht.

Die Strommarktdaten für 2023 zeigen einen Rückgang sowohl beim Stromverbrauch als auch bei der Stromerzeugung. Ebenso haben die deutschen Netzbetreiber mehr Strom aus dem Ausland importiert als im Jahr davor.

Energieverbrauch: Historisches Tief erreicht

Nach Angaben der Energiebehörde sank im vergangenen Jahr die Netzlast – also der Strombedarf – von zuvor 482,6 auf 456,8 Terawattstunden (TWh). Oder anders gesagt: 2023 verbrauchte Deutschland 5,3 Prozent weniger Strom als im Jahr davor.

Laut dem Portal „Sciencemediacenter“ war der letztjährige Netto-Stromverbrauch 6,9 Prozent geringer als der Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2022.

Ähnliche Daten registrierte schon im Dezember die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Demnach ist der Gesamtenergieverbrauch – also der Verbrauch an Strom, Wärme und Bewegungsenergie – in Deutschland im Jahr 2023 auf ein historisches Tief gefallen.

Nach den Zahlen der Arbeitsgemeinschaft liegt hier der Rückgang bei knapp 7,9 Prozent. Damit liegt der Verbrauch an Primärenergiequellen in Deutschland um mehr als ein Viertel unter dem bisherigen Höchststand von 1990.

Den größten Einfluss auf den Rückgang des Energieverbrauchs hatte der Arbeitsgemeinschaft zufolge die zurückgehende wirtschaftliche Leistung in Deutschland. Insbesondere die energieintensiven Industriezweige verzeichneten Produktionsrückgänge. Es gab Insolvenzen sowie Standortverlagerungen ins Ausland, wo die Unternehmen oft bessere Bedingungen finden. Das hätte spürbare Auswirkungen auf den Energieverbrauch gehabt.

Strom ist nicht gleich Energie

Doch zurück zur Sparte Strom: Hier ist vor allem der Rückgang der (Netto-)Stromproduktion sichtbar. Diese sank um 9,1 Prozent auf 448,5 TWh. Im Jahr davor waren es noch 493,2 TWh. Die Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke im April letzten Jahres hatte darauf maßgeblichen Einfluss. Im Gesamtjahr hatten diese noch einen Anteil von rechnerisch 1,5 Prozent. 2022 waren es noch rund 6,7 Prozent.

Insgesamt stieg der Anteil der „Erneuerbaren“ an der Stromerzeugung um fast 8,7 Prozentpunkte oder von 47,4 auf 56 Prozent, während konventionelle Energieträger wie Kohle oder Erdgas zurückgefahren wurden. Das klingt zunächst nach einer positiven Nachricht für die Energiewende.

Strom

Anteile der verschiedenen Energiequellen im Jahr 2023 und in Klammern der Vergleich zu 2022. Foto: Bundesnetzagentur/SMARD

Doch hier ist zu beachten: Strom ist etwas anderes als Energie. Elektrische Energie macht nur etwa ein Sechstel des sogenannten Primärenergieverbrauches aus. 2022 betrug dieser laut Umweltbundesamt insgesamt 3.264 TWh, wovon etwa 552 TWh auf Strom entfielen. Hinzu kommt Energie zum Heizen und Kraftstoffe. Demnach bedeutet „50 Prozent grüner Strom“ nichts anderes als „8,5 Prozent grüne Primärenergie“. Der Anteil von 56 Prozent bedeute dann, dass die „Erneuerbaren“ in Wirklichkeit gut neun Prozent Anteil an der Primärenergie hatten.

Stromimporte: Ein Viertel stammt aus Kernenergie

Da die Stromproduktion deutlich zurückging, musste Deutschland im kommerziellen Außenhandel mehr Strom importieren. 2023 kauften die deutschen Netzbetreiber insgesamt 54,1 TWh aus anderen Ländern. Ein Jahr zuvor waren es 33,2 TWh. Das bedeutet ein Plus von knapp 63 Prozent. Gleichzeitig sank die exportierte Strommenge um 24,7 Prozent auf 42,4 TWh.

Deutschland war laut Lobbyorganisation Agora Energiewende im vergangenen Jahr somit Nettoimporteur von knapp 12 TWh Strom. Das sind in etwa 2,3 Prozent des Stromverbrauchs. Rund ein Viertel dieses Importstroms haben Kernkraftwerke generiert, wie „Blackout News“ berichtet. Der größte Teil – rund die Hälfte – der Importe stammte aus „erneuerbaren“ Energiequellen.

Weil die deutschen Netzbetreiber mehr Strom aus dem Ausland kaufen mussten, wirkt sich das auf die Kosten der deutschen Stromerzeugung aus. Besonderen Einfluss hat etwa das teure LNG-Gas. Solange Deutschland diesen fossilen Brennstoff aus den Vereinigten Staaten bezieht, ist die heimische Stromproduktion automatisch teurer als in den USA. Dieser Ansicht ist Professor Christian Rehtanz von der Technischen Universität Dortmund. Meist handelt es sich bei dem amerikanischen LNG um Fracking-Gas.

Die Bundesnetzagentur erklärte jedoch, dass es oftmals – aus Versorgungs- sowie wirtschaftlichen Gründen – sinnvoll sein kann, Strom aus dem Ausland zu importieren oder zu exportieren. Denn Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt würden ein „gesamteuropäisches Zusammenspiel“ bilden. Demnach werde Strom im europäischen Verbund dort erzeugt, wo dies nach Möglichkeit am günstigsten ist. Die Länder im Verbundnetz könnten so von den günstigsten Erzeugungsbedingungen profitieren.

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen der Strom so günstig wird, sodass die Produktion unrentabel wird. Das ist etwa der Fall bei einem Überangebot von Windenergie in Deutschland. Dann kann der Preis für die Megawattstunde so weit fallen, dass er unter null liegt. Dann müssen die Netzbetreiber noch drauflegen, damit das Nachbarland den Strom abkauft – obwohl er selbst auch schon gut versorgt ist.

Spahn: Ampel für sinkende Stromproduktion verantwortlich

Unionsfraktionsvize Jens Spahn machte jüngst die Ampelkoalition für die gesunkene Stromproduktion verantwortlich. „Monatelang haben uns Habeck und seine Grünen erklärt, wir hätten kein Stromproblem – das war eine katastrophale Fehleinschätzung“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“. 2022 hatte Deutschland noch mehr Strom exportiert als importiert. Das hängt laut Spahn auch mit Entscheidungen der Ampel zusammen:

Die drei sicheren Kernkraftwerke abzuschalten, war schlicht verantwortungslos.“

Deutschland sei zu einem Strom-Not-Land geworden. „Die Ampel verschärft mit ihrer ideologischen Politik das Stromproblem, Unternehmen und Bürger zahlen dafür mit viel zu hohen Strompreisen“, fügte Spahn hinzu. „Das ist Gift für unsere Industrie und fürs Wachstum.“

Deutlich positiver bewertete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Entwicklung des Strommarkts 2023. „Wir haben erstmals die 50-Prozent-Marke bei den ‚Erneuerbaren‘ geknackt. Zum ersten Mal kommt sichtbar mehr als die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Energien“, sagte er.

(Mit Material von dts)



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