Der Putsch – Neue Fakten und Gesprächspartner
Am 7. Dezember veröffentlichte Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank zwei Pressemeldungen „zu den Festnahmen von 25 mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer terroristischen Vereinigung“. Die Personen werden mit ihren Vornamen genannt, die Nachnamen sind auf ihre Anfangsbuchstaben reduziert: „Michael F., Norbert G., Markus H., Matthias H., Ruth L.“
Explizit werden Heinrich XIII P. R. und Rüdiger v. P. als „mutmaßliche Vereinigungsmitglieder“ und „Rädelsführer“ bezeichnet und strafverfolgt nach § 129a Abs. 4 StGB.
Absatz 4 lautet folgendermaßen:
Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.“
Die Verhafteten haben laut Frank „eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform“ erarbeitet, welche die geltende ersetzen sollte.
Der Hauptvorwurf des Generalbundesanwalts lautet:
„Die Beschuldigten verbindet eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluss hat wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in konkrete Vorbereitungshandlungen einzutreten.“
Weiter heißt es da, entsprechend „dem klassischen Reichsbürgernarrativ“ wolle die „neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des 2. Weltkriegs verhandeln“. Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen sei aus Sicht dieser Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation.
„Der Beschuldigte Heinrich XIII P. R. hat auch bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen. Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben.“
… mit aller rechtsstaatlichen Härte
Nach Stand der Ermittlungen sollen konkrete Vorbereitungen getroffen worden sein, „mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen.“ Ermittelt wird hier nach § 83 Abs. 1 StGB, Vorbereitung eines „hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund“.
Die Bundesinnenministerin gab ihrerseits eine Erklärung ab. Nancy Faeser sprach von „gemeinsamen Umsturzfantasien und Verschwörungsideologien“ Militante Reichsbürger verbinde „der Hass auf die Demokratie, auf unseren Staat und auf Menschen, die für unser Gemeinwesen eintreten“. Es werden, so Faeser, „mit aller rechtsstaatlichen Härte“ dagegen vorgegangen.
Einer ihrer Vorgänger im Amt, Otto Schily, erst Anwalt der Roten-Armee-Fraktion (RAF), später Bundesinnenminister, äußerste sich deutlich verhaltener. Gegenüber der Welt teilte der 90-Jährige mit:
Mein subjektiver Eindruck ist, dass diese eher skurrile Spinner-Truppe keine reale Bedrohung für Staat und Gesellschaft darstellt.“
Schily mahnt mehr Gelassenheit an:
Dass sich in Deutschland eine Putschisten-Gruppe bildet, die auf einen Staatsstreich hinarbeitet, ist ein neues Kriminalitätsphänomen, sollte aber nicht überbewertet werden.“
Eine ehemalige Staatsschützerin, die anonym bleiben möchte, erklärt gegenüber Epoch Times ihre Sicht der Dinge und wie ihrer Erfahrung nach in Sicherheitskreisen gedacht und gehandelt wird:
„Einem Anfangsverdacht muss immer nachgegangen werden. Ein Ermittler entscheidet dann darüber, was an Äußerungen beispielsweise in den sozialen Medien ernst zu nehmen ist. Oder der andere Fall: Der Auftrag wird von oben an den Ermittler herangetragen. Es ist für jede Sicherheitsbehörde ein Alptraum, wenn du vermuten musst, dass in deinen Reihen Leute sind, welche die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, unser Grundgesetz, als ungültig erachten. Das ist allerdings in der Praxis ein eher geringes Problem. Reichsbürger gibt es in jeder gesellschaftlichen Schicht. Die Polizei ist unzufrieden. Das Wissen, dass der Staat schon die richtigen Entscheidungen trifft, ist bei vielen verloren gegangen, die auf der Straße mit dem Folgen dieser Entscheidungen umgehen müssen. Ich weiß aus Gesprächen mit jungen Polizisten, dass diese mit den politischen Zuständen unzufrieden sind. Diese Beamten haben jeden Tag mit der Talsohle der Menschheit zu tun. Viele sind auch einfach frustriert, sie werden nicht befördert und vieles mehr. Ein typischer Satz, den ich in der Raucherecke höre: „Das ist doch alles Scheiße, was hier passiert.“ Vielfach geht es um den Umgang mit Ausländerkriminalität. Kein Beamter will als Rechter geoutet werden und hält sich hier zurück, selbst noch, wenn er angegriffen wird. Auch machen sich die Kollegen gegenseitig beispielsweise auf eine Rede von Alice Weidel aufmerksam. Und dann heißt es: „Ist doch vernünftig, was die sagt.“ Aber es gibt sicher auch bei der Polizei Drogenkonsumenten, Betrüger, Leute, die besoffen Auto fahren – die Polizei ist Bevölkerungsquerschnitt. Natürlich: Reichsbürger ist schon ein ganz extremes Hobby, auch für einen Polizisten. Da musst du schon irgendwo falsch abgebogen sein, um es höflich zu formulieren. Für mich sind das Spinner. Diese Festnahmen wirken auf mich aber total aufgeblasen bis hin zu dieser Nummer mit dem Koch (Red.: Festnahme des Promi-Kochs Heppner).“
„Die Festgenommenen wurden schon in Karlsruhe vorgeführt“
In den sozialen Medien ist zwischenzeitlich die Rede davon, dass sich die meisten der Verhafteten schon wieder auf freiem Fuß befinden.
Epoch Times telefoniert dazu mit der Pressesprecherin des Generalbundesanwalts, die berichtet, dass sich bisher keiner der Festgenommenen wieder auf freiem Fuß befinde. Die 23 in Deutschland Festgenommenen wurden schon in Karlsruhe vorgeführt, so eine Sprecherin, die Ermittlungsrichter hätten am 7. und 8. Dezember alle Haftbefehle in Vollzug gesetzt. Die Personen befänden sich jetzt in Untersuchungshaft.
Von den mutmaßlichen Unterstützern – möglicherweise auch Mitgliedern – sei keiner verhaftet worden, so eine Sprecherin weiter. Für eine Durchsuchung brauche es einen geringeren Verdachtsgrad als für eine Festnahme, in Kürze werde eine weitere Pressemitteilung dazu veröffentlicht werden (Red.: zwischenzeitlich geschehen).
Via Twitter äußerte sich auch der ehemalige Bundesminister Peter Altmeier (CDU) – allerdings indirekt – zu den Vorfällen:
„Guten Morgen Deutschland! Heute vor einem Jahr war Regierungswechsel: Unaufgeregt & demokratisch-normal. Darum beneiden uns Viele auf der Welt. Nicht alles läuft gut, das tut es nie – aber dieses Deutschland ist das beste, das wir jemals hatten!“
Bei Telegram macht sich beispielsweise die Gruppe „Soldaten & Reservisten“ über den Putsch lustig. Die Aktion wird „Staatstheater“ Aufführung genannt. Die Gruppe hat aktuell mehr als 13.800 Follower. Vor einem Jahr waren das gerade einmal 667 Nutzer. Am 27. November 2021 kommentierte Nutzer „Der Peter“ einen Aufruf zu einer Flashmob-Veranstaltung in Eisenach folgendermaßen:
„Wir sind die Armee!!! Jeder einzelne von uns. Wir müssen nur anfangen, etwas zu tun. Ihr seht es doch an den lächerlichen „Testzentren“, dort sind unsere Verbündeten. Wir sind so viele. Wir müssen es nur wahrnehmen und endlich ANFANGEN.“
„Da wurde eine Geschichte einfach immer weiter gesponnen …“
Wir sprechen noch einmal mit der ehemaligen Staatsschützerin explizit über diesen Kommentar, und wie so etwas normalerweise vom Staatschutz eingeordnet wird:
„Generell stochert der Staatsschutz hier sehr oft im Nebel herum. Das liegt unter anderem auch daran, das zum Teil in einer codierten Sprache gesprochen wird, die sich über Jahre aufgebaut hat. Das heißt lange nicht, dass diese Leute wirklich radikal sind. Man muss sich das vorstellen wie in der Anfangszeit der Computerspiele oder noch früher, als es noch gar keine gab. Da wurde eine Geschichte einfach immer weiter gesponnen von tausenden von Usern und jeder nahm in diesem Spiel irgendeine Rolle wahr. Dabei ist eine eigene Welt entstanden, eine Spielwelt.“
Im Zusammenhang mit den aktuellen Festnahmen und der angeblich geplanten Reichstagsstürmung ist ein noch ein weiterer Vorfall interessant: Nach der ersten Stürmung – manche sagen „Flashmob“ – des Reichstags im Sommer 2020 kam es zu einem Vorfall im hohen Haus selbst, als eine Person auf Einladung der AfD Peter Altmaier vor dem Fahrstuhl des Reichstages bedrängt haben soll. Aus informierten Kreisen heißt es, das Verfahren sei vor wenigen Tagen und nach zweieinhalb Jahren gegen eine geringe Bearbeitungsgebühr eingestellt worden.
Und noch etwas ist bemerkenswert: In einigen Details erinnert die aktuelle Berichterstattung zu Putsch, Prinz von Reuß und Co an umfangreiche Ermittlungen von Anfang 2020, als zwölf Leute festgenommen wurden, die schon einmal einen Putsch geplant haben sollen.
Auch damals ging es zunächst um Internet-Kommunikation der speziellen Art, allerdings von einem ganz anderen Kaliber, geführt teilweise von Protagonisten mit kriminellem und mutmaßlich tatsächlich rechtsextremem Hintergrund. Für die Prozessführung erschwerend war die Rolle einer Reihe von V-Männern in der Gruppe. Erst vor wenigen Tagen endete für ein halbes Dutzend der Angeklagten die U-Haft, sie wurden nach mehr als zweieinhalb Jahren entlassen. Der Prozess gegen die weiterhin Inhaftierten wird fortgesetzt.
Anmerkung der Redaktion: Im vorstehenden Fall handelt es sich um Verdachtsfälle. Unsere Redaktion folgt dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Ob und in welchem Rahmen eine tatsächliche Schuld o. g. Akteure besteht, ist gerichtlich festzustellen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion