Die Bedeutung der Landtagswahlen in Ostdeutschland für die Bundesrepublik

Vielfach ist die Rede von den richtungsweisenden drei Landtagswahlen in Ostdeutschland. Der Blick ist dabei insbesondere auf die AfD gerichtet, die in den neuen Bundesländern hohe Umfrageergebnisse erzielt.
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Eine Wählerin wirft ihre Stimmzettel für die Thüringer Landtagswahl in eine Wahlurne.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images
Von 24. Juli 2024

Am 1. September wird in Thüringen und Sachsen und am 22. September 2024 in Brandenburg gewählt. Die Abgeordneten des Bundestages werden für vier Jahre und die Landtagsabgeordneten für fünf Jahre bestimmt.

Besagte Landtagswahlen sind schon deshalb auch bundespolitisch von besonderer Bedeutung, weil sie die Zusammensetzung des Bundesrates erneuern. Alle 16 Bundesländer sind im Bundesrat mit 3-6 von insgesamt 69 Stimmen vertreten. Besonderheit hier: Im Bundesrat sitzen ausschließlich Vertreter der Parteien der Landesregierungen. Eine Opposition findet hier nicht statt.

Die Anzahl der Sitze im Bundesrat entspricht nicht 1:1 dem der Bevölkerungszahl. Bayern hat 6 Sitze bei einer Bevölkerung von gut 13 Millionen, während Thüringen mit wenig mehr als 2 Millionen Bürgern über 4 Sitze verfügt. Danach wären die kleineren Länder im Bundesrat überproportional von Bedeutung.

Zwar werden die meisten Gesetze vom Bund erlassen, aber der Bundesrat verschafft den Interessen der Länder Geltung. Kein Bundesgesetz kommt zustande, ohne dass der Bundesrat damit befasst war. Viele Gesetze können sogar nur dann in Kraft treten, wenn der Bundesrat ihnen ausdrücklich zustimmt. Der Bundesrat ist zudem befugt, Gesetzesbeschlüsse an die Bundesregierung weiterzuleiten, die anschließend Stellung beziehen kann bevor der Entwurf an den Bundestag weitergeleitet wird.

Noch eine Zahl: Brandenburg, Sachsen und Thüringen verfügen im Bundestag zusammen über 12 Stimmen (je vier). Das entspricht der Anzahl etwa der Stimmen der bevölkerungsreichen Bundesländer Bayern und Niedersachsen (je sechs).

Die Wahltrends für Sachsen, Thüringen und Brandenburg

In Sachsen und Thüringen wird ab 18 Jahren gewählt, in Brandenburg werden schon die Sechszehnjährigen an die Urne gebeten.

  • Nach aktuellen Umfragen für Brandenburg von INSA vom 16. Juli, liegt die AfD mit 24 Prozent vor der SPD mit 19 und der CDU mit 18 Prozent. Grüne, FDP und Linke liegen im Trend bei 7, 3 bzw. 5 Prozent der Wählerstimmen. Dem erstmalig zur Wahl antretende BSW gibt die INSA-Umfrage 17 Prozent der Wählerstimmen
  • Nach Umfragen von Infratest dimap vom 20. Juli, liegt die AfD in Sachsen mit 30 Prozent auf Platz 1 knapp vor der CDU mit 29 der Stimmen. Mit weitem Abstand folgen SPD und Grüne mit je 7 Prozent, die FDP findet hier nicht mehr statt. Die Partei Die Linke liegt bei 3 Prozent. Und das auch in diesem Bundesland erstmals zur Wahl stehende BSW bei 15 Prozent.
  • Und entlang der Umfragen für Thüringen von INSA vom 26. Juni, liegt die AfD mit 29 Prozent auch bei diesen Landtagswahlen auf Platz 1. Die CDU folgt hier mit 22 Prozent auf Platz 2; wird aber bereits vom BSW bedrängt, das laut INSA auf 20 Prozent kommt. Die SPD liegt bei 7 und die Grünen bei 4 Prozent. Die Linke liegt in Thüringen bei 14 Prozent, die FDP chancenlos bei 2 Prozent.

Schaut man in Thüringen auf das Ergebnis der Landtagswahl von 2019, sieht man die Partei Die Linke als Wahlsieger mit 31 Prozent. Zählt man im INSA -Trend für 2024 Die Stimmen der Partei Die Linke und vom Bündnis Sahra Wagenknecht zusammen, dann kommen beide gemeinsam auf 34 Prozent.

Mindestens auf kommunaler Ebene gibt es hier den einen oder anderen Parteiwechsel innerhalb des linken Block, wenn etwa Hildburghausens ehemaliger Bürgermeister, Tilo Kummer, bekannt gab, er wolle zum BSW wechseln. Mit Katja Wolf ist zudem eine der beiden Landesvorsitzenden des BSW eine frühere Linken-Politikerin.

Mit Blick auf die AfD ist von Bedeutung, dass es bisher in keinem der drei Bundesländer, in denen die AfD jeweils auf Platz 1 liegt, eine realistische Chance auf eine Regierung oder eine Regierungsbeteiligung der AfD besteht. Die AfD benötigt einen Koalitionspartner. Der ist allerdings in allen drei Ländern bisher nicht erkennbar.

Das Bündnis will nicht mit der Alternative

Im Gegenteil. Zuletzt hat auch das BSW der AfD klare Absagen erteilt. BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf, die in Thüringen wie beschrieben auf 20 Prozent der Stimmen hoffen darf, erklärte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass für sie eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen sei.

Wolf hatte sich zudem explizit zur AfD-Personalie Björn Höcke geäußert: Er wolle das Land umbauen, warnte Wolf. Und sie ergänzte: Mit einem „klar nationalsozialistischen Blinken“. Das sei auch keine „Koketterie“. Nicht umsonst dürfe Höcke als Faschist bezeichnet werden, so die Thüringer BSW-Chefin weiter.

Auch in Brandenburg schloß das BSW hat eine Zusammenarbeit mit der AfD aus, ebenso wie auch in Sachsen.

Demgegenüber sind die Länderchefs des BSW grundsätzlich in allen drei Bundesländern bereit, mit der CDU zu koalieren.

In seiner Gründungsphase in den Medien viel besprochen wurde auch die Werteunion um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Seine Partei spielt allerdings bisher in keinem der drei Bundesländer eine Rolle, die eine wie auch immer geartete Regierungsbeteiligung wahrscheinlich machen könnte. Die Werteunion halte verstärkt die Bundestagswahlen im Blick, heißt es aus Kreisen der Partei.

Das Leben in Mitteldeutschland

Wie ist die Lebenssituation der Menschen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen? In Thüringen beziehen 117.677 Menschen Grundsicherung. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um 3,5 Prozent. Laut Thüringer Allgemeiner läge das daran, dass mehr Ausländer in den Jobcentern betreut werden.

Der Thüringer CDU Spitzenkandidat Mario Voigt kommentiert diese Entwicklung auf seiner CDU-Webseite wie folgt: „Thüringen ist Heimat für Fleißige. Das Bürgergeld müssen wir grundsätzlich überdenken.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund widersprach Voigt und argumentierte, dass die Realität in Thüringen eine andere sei:

„Mehr als 40 Prozent der Personen mit Bürgergeld gelten nicht als arbeitslos. Beispielsweise weil sie Angehörige pflegen, Kinder erziehen, selbst zur Schule gehen, in Ausbildung sind oder schlicht arbeiten.“

Aber auch in Brandburg und Sachsen wächst die Zahl der Bürgergeldempfänger. Für Brandenburg gibt der Linksfraktionschef Sebastian Walter zu bedenken, dass man trotz Fleiß und Einsatzbereitschaft keinen Wohlstand aufbauen könne. Mehr als ein Drittel der Brandenburger arbeite im Niedriglohnsektor und komme mit Stundenlöhnen um die zwölf Euro bestenfalls „gerade so über die Runden“, wie er gegenüber dem „Neuen Deutschland“ erklärte.

Für Sachsen meldet der MDR Ende vergangenen Jahres, dass vor allem immer mehr ältere Menschen eine Grundsicherung im Alter benötigen. Und das trotz einer hohen Dunkelziffer der Nichtinanspruchnahme von circa 60 Prozent.

Die Stimmen der Jugend

Bezogen auf die in allen der drei Länder führende AfD ist das aber offenbar ohne größer Relevanz, wie schon 2022 die Bundeszentrale für politische Bildung feststellte. Diese befand nämlich, dass „weder eine hohe Arbeitslosenquote noch ein höherer Ausländeranteil per se zu einer größeren Wahlbereitschaft der AfD“ führten. Ein Indiz könnten allerdings die ländlichen Regionen sein, hier sei die AfD im Osten besonders stark, so die Bundeszentrale.

Eine rasante Entwicklung nahm die Bereitschaft vor allem jüngerer Leute in den genannten drei Bundesländern, AfD zu wählen. War diese Klientel in früheren Umfragen noch unterrepräsentativ, ergab die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“, dass die AfD hier mittlerweile bei 22 Prozent der 14-29-Jährigen an erster Stelle steht.

Die öffentlich-rechtlichen Nachrichten kritisierten die Studie hingegen. Diese Aussage sei zumindest irreführend. Denn die Zahl beziehe sich nur auf diejeingen, welche bereits wüssten, wen sie wählen würden, „und zum anderen, die auch wählen gehen würden.“ Das allerdings gilt in der Studie für alle Parteien gleichermaßen.



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