Tunesien: Weniger als neun Prozent beteiligen sich an Parlamentswahlen
Die Nationale Heilsfront, das wichtigste Oppositionsbündnis in Tunesien, hat Präsident Kais Saied zum Rücktritt aufgefordert. Bei den Parlamentswahlen, die am Samstag, 17. Dezember, stattgefunden hatten, gaben der zentralen Wahlbehörde zufolge nur 803.638 ihre Stimme ab. Das entsprach einer Wahlbeteiligung von 8,8 Prozent.
Parlament in Tunesien seit Juli 2021 aufgelöst
Wie die BBC berichtet, sprach der Chef des Oppositionsbündnisses, Nejib Chebbi, von einem „Fiasko“ und rief zu Massenprotesten auf. Diese sollten auf baldige Präsidentenwahlen gerichtet sein. Politische Beobachter führen die geringe Wahlbeteiligung unter anderem auf einen Aufruf zum Wahlboykott zurück.
Diesem hatten sich neben den meisten Oppositionsparteien zuletzt auch die Gewerkschaften angeschlossen. Am Ende kandidierten in den meisten Stimmkreisen lediglich weitgehend unbekannte Einzelkandidaten. In einigen Bezirken fanden sich überhaupt keine Kandidaten, die sich zur Verfügung gestellt hätten.
Seit Juli 2021 gibt es in Tunesien kein funktionsfähiges Parlament mehr. Präsident Saied hatte dieses aufgelöst.
Nur 27,5 Prozent beteiligten sich an Verfassungsreferendum
Der 64-Jährige rechtfertigte seinen Schritt mit der Notwendigkeit, einen „Kreislauf aus politischer Lähmung und wirtschaftlichem Verfall“ zu durchbrechen. Er bemühte sich fortan, sich als starke Führungspersönlichkeit im Kampf gegen Korruption, Wirtschaftskrise und eine behauptete Bedrohung durch die Muslimbruderschaft darzustellen. Die Partei Ennahda, die aus deren Reihen hervorgegangen war, hielt zu diesem Zeitpunkt die Parlamentsmehrheit.
Außenpolitisch erhält Saied unter anderem von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten Rückendeckung. Staaten wie die Türkei oder Katar sprechen demgegenüber von einem „Putsch“ und sehen Saied als illegitimen Machthaber.
Ein Jahr nach der Auflösung des Parlaments setzte der Staatschef ein Verfassungsreferendum an, das die Präsidialmacht stärken sollte. Die Vorlage konnte 90 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 27,5 Prozent.
Revolte in Tunesien bildete Startschuss zu Arabischem Frühling
Tunesien war 2011 der Ausgangspunkt des sogenannten Arabischen Frühlings. Damals führte die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers zu landesweiten Unruhen. Am Ende stand eine Flucht des autoritär regierenden Langzeitpräsidenten Zine el-Abidine Ben Ali nach Saudi-Arabien und eine neue Verfassung.
Der Revolte in Tunesien schlossen sich ähnliche Ereignisse in anderen arabischen Staaten an, die zuvor von autoritär-nationalistischen Machthabern regiert worden waren. Außenstehende Mächte von den USA über die EU und Russland bis hin zur Türkei und den Golfmonarchien sahen im Arabischen Frühling eine Chance zur Neuordnung der Region.
In den meisten Ländern blieb die Lage jedoch instabil. Libyen, Syrien und der Jemen schlitterten sogar in Bürgerkriege, die bis heute andauern. In Ägypten beseitigte ein Militärputsch 2013 die erst ein Jahr zuvor gewählte zivile Regierung.
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