Die Rolle der Artillerie im Ukraine-Krieg

Ohne Waffen kein Krieg. In der Ukraine kommt vor allem die Artillerie zum Einsatz – die meisten dieser Waffen stammen jedoch aus Lagerbeständen.
Titelbild
Ukrainische Soldaten auf einem gepanzerten Mannschaftstransportwagen in Sewersk, Ostukraine, am 8. Mai 2022.Foto: YASUYOSHI CHIBA/AFP via Getty Images
Von 15. Mai 2022

Vor gut hundert Jahren hat der Erste Weltkrieg die Kriegsführung für immer verändert. Zum ersten Mal haben beide Seiten übermäßig Gewalt angewendet und den Schutz der Zivilbevölkerung missachtet, schreibt Weltkriegsexperte Dr. Gearóid Barry. Die Grenze zwischen den Kämpfern und der Heimatfront war verschwommen. Mit neuen Massenvernichtungswaffen standen die Soldaten nicht mehr nur feindlichen Soldaten gegenüber, sondern auch Zivilisten.

Es entstand eine Hierarchie in der Gesellschaft, die die Bedürfnisse der „Kriegshelden“ vor jene der Zivilbevölkerung stellte. Wie ein ranghoher Kommandant der österreichisch-ungarischen Armee 1918 sagte: „Die Armee muss essen, sie muss bekommen, was sie braucht, … es ist gleichgültig, ob noch ein paar alte Leute im Hinterland sterben oder nicht.“

Eine „Entfremdung der verlorenen Generation“ war zu beobachten und geprägt wurde das Bild des „heimkehrenden Soldaten“, wie Zeitzeugen berichten. „Das vielleicht Außergewöhnlichste am modernen Schlachtfeld ist die Trostlosigkeit und Leere, die es ausstrahlt“, schrieb der damals junge britische Offizier Harold Macmillan an seine Mutter am 3. Mai 1916. „Man kann meilenweit schauen und keine Menschenseele sehen“, so der spätere Premierminister vom Vereinten Königreich.

Die Zahl der Todesopfer war höher als in jedem anderen Krieg der Geschichte davor – was größtenteils an den neuen Militärtechnologien lag, die eingesetzt wurden, darunter waren Panzer, Flugzeuge, U-Boote, Maschinengewehre, moderne Artillerie, Flammenwerfer und Giftgas. Im Ersten Weltkrieg war es jedoch die Artillerie, die die meisten Opfer forderte.

Artillerie ist Kernstück der Kriegsführung

Im gegenwärtigen Krieg in der Ukraine spielt die Artillerie wieder eine große Rolle. Laut einer Analyse von „Economist“ war keine Waffe in diesem Krieg so wichtig wie die Artillerie – und sie wird in den kommenden Wochen wahrscheinlich noch wichtiger werden.

Die Artillerie funktioniert einfach: Die Soldaten schießen mit ihren Gewehren und auf Panzern montierten Geschützen. Und zwar auf alles, was vor ihnen liegt. Bei der Artillerie handelt es sich um indirektes Feuer: Das Ziel kann auf der anderen Seite eines Hügels liegen oder sogar zehn Kilometer entfernt sein.

Russland hat die Artillerie zum Kernstück seiner Armee gemacht und verfügt über wesentlich mehr davon als die meisten westlichen Streitkräfte. Doch ein aktueller Bericht von Jack Watling und Nick Reynolds vom Royal United Services Institute, einer Denkfabrik in London, erklärt, dass die Ukraine den Spieß umdrehen konnte.

Theoretisch kann die Artillerie auch zur Abwehr von Artillerie eingesetzt werden, was Artillerieduell genannt wird. Im „Counter-Battery Fire“ wird Radar genutzt, um die Flugbahn und den wahrscheinlichen Ursprung der eintreffenden Geschosse zu ermitteln. Die Koordinaten werden sofort an die eigenen Streitkräfte weitergeleitet, die das Feuer auf die Quelle erwidern.

Verstopfte Straßen und Nachschub

So hat die russische Artillerie zwar am Anfang des Krieges ihren Bodentruppen zunächst geholfen, nach Süden in Richtung Kiew vorzudringen, sie wurden jedoch von ukrainischen Drohnen und Spezialkräften entdeckt. Ihre Koordinaten wurden an die ukrainische Artillerie weitergeleitet. Als sich die russischen Streitkräfte der Hauptstadt näherten, gerieten sie unter überwältigenden Beschuss – auf den sie keine Antwort hatten.

Russland hatte wiederum Schwierigkeiten auf dem Weg nach Kiew, seine Geschütze steckten im Verkehr auf verstopften Straßen fest und waren außer Reichweite.

Die Russen sahen sich einer weiteren Herausforderung gegenüber: dem Nachschub, schreiben die Forscher. Ohne Zugang zu den Schienentransporten, die normalerweise russisches schweres Gerät transportieren, und ohne die wenigen verfügbaren Straßen, die durch den Verkehr verstopft waren, wurde es immer schwieriger, Nachschub zu transportieren. Zudem wollten die Russen keine empfindlichen Luftwehrsysteme in die Ukraine verlegen, falls sie erbeutet würden. 

Ein anonymer Berater von General Valery Zaluzhnyi, dem obersten Befehlshaber der Ukraine, erklärte kürzlich, wie seine Streitkräfte den russischen Vormarsch auf Kiew aufhielten. „Panzerabwehrraketen haben die Russen aufgehalten“, sagte er, „aber was sie getötet hat, war unsere Artillerie“. Großkalibrige Geschütze und Raketenwaffen hätten ihre Einheiten zerstört.

Bei den derzeitigen Kämpfen in der Süd- und Ostukraine, wo sich beide Seiten stärker verschanzt haben, sei das sogar noch entscheidender. „Die moderneren Versionen, die westliche Länder der Ukraine zur Verfügung stellen, könnten den entscheidenden Unterschied ausmachen“, so der Berater.

USA größter Waffenlieferer der Ukraine

Von allen amerikanischen Hilfen für die Ukraine war das Geschenk von etwa 5.500 Javelins vielleicht am willkommensten, schreibt Economist. Mit diesen leichten Panzerabwehrraketen gelang es den ukrainischen Streitkräften, den russischen Vormarsch auf ihre Hauptstadt Kiew aufzuhalten und schließlich umzukehren. 

Die Javelin zeichnet sich durch eine furchterregende Kombination aus Kraft und Präzision aus. Sie kann Ziele in einer Entfernung von mehr als drei Kilometern und die Oberseite des Panzers treffen.

Amerika ist der mit Abstand größte Waffenlieferant der Ukraine. Seit 2018 hat es rund 7.000 Javelin-Panzerabwehrraketen an das osteuropäische Land verkauft oder gespendet. Insgesamt haben die USA und ihre Verbündeten mehr als 60.000 Panzerabwehrwaffen an die Ukraine geliefert.

Dazu gehören nicht nur die Javelin, sondern auch die Panzerfaust aus Deutschland sowie die leichten Panzerabwehrwaffen der nächsten Generation aus Großbritannien und Schweden. 

Das Ergebnis: Mehr als 3.000 russische Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge wurden in der Ukraine zerstört, beschädigt, aufgegeben oder erbeutet, so Oryx, ein Open-Source Intelligence Blog.

Waffenlieferung gefährdet Bestände

Die meisten dieser Waffen stammen jedoch aus Lagerbeständen; die Fabriken können möglicherweise die Produktion nicht schnell erhöhen, falls es nötig sein sollte, schreibt Economist.

Die Waffenlieferungen für die ukrainische Artillerie könnten demnach den Druck auf die Munitionsvorräte erhöhen. Weitere Engpässe sind ebenfalls zu erwarten, da wegen der Corona-Krise weniger qualifizierte Manpower in den Lagern und Fabriken zur Verfügung stehen. Zudem ist die Rüstungsindustrie durch die weltweite Knappheit an Computerchips betroffen.

Der Krieg in der Ukraine ist für die USA immer noch ein begrenztes Unterfangen. „Aber wenn ihre Industrie jetzt schon unter Druck steht, könnte sie dann einen großen Krieg verkraften – etwa gegen China wegen Taiwan?“, fragen die Schreiber von Economist.

Eine Antwort könnte lauten: „Im Zweiten Weltkrieg konnte die Industrie die Umstellung schnell vollziehen, weil wir nach der Depression eine riesige Menge ungenutzter Industriekapazitäten hatten“, sagt Bradley Martin von der Rand Corporation. „Im Moment ist das Arsenal der Demokratie nicht in der Lage, den Anforderungen eines langfristigen Konflikts gerecht zu werden.“



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