Deutschland fordert radikales Chemikalien-Verbot in der EU
Laut einer vor Kurzem veröffentlichen Recherche von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ wurden an mehr als 1.500 Orten in Deutschland sogenannte PFAS nachgewiesen. Dabei gaben die drei Medien bekannt, dass bei Hunderten Industriestandorten, Kläranlagen, Deponien, Flughäfen und Militärgeländen die Gefahr besteht, dass dort Böden und Gewässer verunreinigt sein könnten.
Die sogenannten PFAS oder Ewigkeitschemikalien sind künstlich hergestellte Chemikalien, die wasserresistent sind und Schmutz, Fette und Öle abweisen. Sie kommen unter anderem in Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtungen und Textilien wie Outdoor-Kleidung zum Einsatz. In der Natur sind sie extrem langlebig. Einige PFAS reichern sich in der Umwelt und in Organismen an und gelten als gesundheitsschädigend – sie stehen unter Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen.
Was Deutschland angeht, soll es laut der Recherche demnach sechs Fabriken geben, die PFAS produzieren. Das seien mehr als in jedem anderen europäischen Land. Dabei handele es sich um den Konzern Solvay in Bad Wimpfen, Daikin in Frankfurt, Lanxess in Leverkusen und drei weitere Firmen im bayerischen Chemiepark Gendorf bei Burgkirchen an der Alz – 3M, W.L. Gore und Archroma.
Ab 25.2.2023 hat die EU wie geplant die Verwendung weiterer perfluorierter Carbonsäuren (PFAS) eingeschränkt – im Speziellen die C9-C14 PFCA (perfluorierte Carbonsäuren mit 9-14 Kohlenstoffatomen). Die Beschränkung dieser Chemikalien stellte einen weiteren Schritt der sogenannten REACH-Richtlinie dar – einer EU-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft getreten ist.
Deutschland fordert Verbot von 1.000 PFAS
Es ist noch nicht lange her, dass Deutschland und vier weitere europäische Staaten ein radikales Verbot von rund 10.000 solcher perfluorierter Carbonsäuren (PFAS) gefordert hatten. Die EU-Chemikalienagentur ECHA veröffentlichte den entsprechenden Vorschlag von Deutschland, Dänemark, Norwegen, den Niederlanden und Schweden Anfang Februar. „Es wäre eines der größten Verbote von Chemikalien, die jemals in Europa verhängt wurden“, erklärten diese.
Peter van der Zandt, Direktor für Risikobewertung bei der ECHA, sagte: „Dieser bahnbrechende Vorschlag der fünf Mitgliedstaaten unterstützt die ehrgeizigen Ziele der EU-Chemikalienstrategie und des Aktionsplans ‚Zero Pollution‘“.
Im Zuge des „Green Deal“ hat die EU mit dem Begriff „Zero Pollution“ ein hochgestecktes Ziel formuliert. Demnach soll bis 2050 die Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung auf null reduziert werden, damit sie nicht mehr schädlich für Gesundheit und natürliche Ökosysteme sei.
Die fünf Länder schätzen, dass in den kommenden 30 Jahren mindestens 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen, wenn es keine EU-weite Regelung für die risikoreichen Chemikalien gibt. Dabei soll den Unternehmen je nach Verwendungszweck und Verfügbarkeit zwischen anderthalb und zwölf Jahren Zeit gegeben werden, um auf alternative Stoffe umzustellen.
Bislang unklar, wie viele Chemikalien die PFAS umfassen
Wie „heise.online“ jedoch noch vor zwei Wochen berichtet hatte, stellt es aber bislang noch ein Rätsel dar, wie viele Chemikalien die Gruppe der PFAS wirklich umfasst. Nach einer Zählung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) würden ihr 4.730 verschiedene Verbindungen angehören.
Dieser Zahl lägen aber nur Melderegister-Nummern zugrunde und manchmal verberge sich unter verschiedenen Nummern auch ein und dieselbe Substanz. Zudem hätten viele der Chemikalien auch gar keine technische Bedeutung mehr oder hatten nie eine.
Ferner sei unklar, wer sie in welchen Mengen verwendet. Bekannt sei nur, dass rund 50 Prozent der produzierten PFAS weltweit im Textilbereich angewendet werden. Das ging aus einer Risikobewertungsstudie von Forschern des Zentrums für Umweltforschung und nachhaltige Technologien der Universität Bremen aus dem Jahr 2018 hervor, so „heise.online“.
Auch eine Abfrage des Umweltbundesamtes unter zwölf Herstellern vom Dezember 2019 ließ damals nur in etwa erahnen, in welchen Größenordnungen PFAS eingesetzt werden. Etwa 10.000 Tonnen pro Jahr sollen als Zwischenprodukte in der EU im Umlauf sein. Da die Produzenten von Polymeren, die ihre Kunststoffe mit PFAS veredeln, jedoch häufig nicht wissen, was während des Produktionsprozesses im Material geschieht, seien auch diese Zahlen nicht sehr aussagekräftig, was zum Beispiel Rückschlüsse auf einzelne Verbindungen angeht.
Aus dem Magazin des Umweltbundesamtes vom Jahr 2020 ging hervor, dass PFAS in geringen Konzentrationen grundsätzlich überall in Böden nachweisbar sind. Eine Verpflichtung zur Messung von PFAS im Trinkwasser in Deutschland gebe es bisher noch nicht. Die freiwillig durchgeführten Messungen würden aber zeigen, dass sich – abgesehen von besonders betroffenen Regionen wie den Landkreisen Altötting und Rastatt – die PFAS Konzentrationen im Trinkwasser im Bereich ≤ 0,01 Mikrogramm pro Liter bewegen und somit unterhalb der Maßnahmenwerte liegen.
Deutschlands Chemieindustrie plant Stellenabbau, verlegt Investitionen ins Ausland
Welche Auswirkungen das neue Gesetz nicht nur auf Chemiekonzerne in Europa, sondern auf die Industrie insgesamt haben könnte, lässt sich erahnen. Die meisten Firmen kämpfen durch die Energiekrise ohnehin schon ums Überleben. Durch das neue EU-Verbot könnte es für sie den Todesstoß bedeuten, wenn sie keine Alternativen zu den Chemikalien finden, die verboten werden sollen.
Laut „Bloomberg“ planen große Chemiekonzerne wie BASF, Dow oder LANXESS bereits Tausende Arbeitsplätze zu streichen und Investitionen ins Ausland zu verlagern. Der Vorstandsvorsitzende von Lanxess, Matthias Zachert, erklärte auf einer Konferenz, dass das Unternehmen in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Die Produktionsstandorte in Nordrhein-Westfalen wolle man zwar beibehalten, würde weitere Investitionen aber an wettbewerbsfähigeren Standorten wie in den USA vornehmen, um weiterzuwachsen.
BASF, der weltweit größte Chemiekonzern, begründet seinen Stellenabbau durch gestiegene Kosten, gesunkene Nachfrage und immer aufwendigere bürokratische Hürden in Deutschland, wie die „Tagesschau“ am 24. Februar berichtete. BASF-Chef Martin Brudermüller gab auf der anderen Seite aber an, dass dagegen der Markt in China wachsen würde, während er in Europa zurückginge. Durch die Abkehr Chinas von der Null-COVID-Politik sei dort die Nachfrage angekurbelt worden.
Im Zuge seines Stellenabbaus plant der Konzern, einen Teil seiner Ammoniak-Produktion an seinem Hauptsitz in Ludwigshafen einzustellen. Wie „Tichys Einblick“ berichtete, hat BASF in den 2020 begonnenen Bau eines neuen Werkes in Zhanjiang dagegen 10 Milliarden Euro investiert.
Wie es mit dem geforderten Verbot 1.000 „ewiger“ Chemikalien weitergeht, wird sich nach der Auswertung der ECHA zeigen. Die EU-Chemikalienagentur leitet ihre Ergebnisse dann an die Europäische Kommission weiter. Die Kommission soll dann eine Regelung ausarbeiten, die sie wiederum den 27 Mitgliedstaaten vorschlägt. Mit einer Umsetzung des Verbots wird frühestens 2026 gerechnet.
(mit Material von Nachrichtenagenturen)
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