Muslimischer Antisemitismus durch gescheiterte Migrationspolitik – eine Analyse

Verweisen die aktuellen antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland auch auf eine gescheiterte Migrationspolitik?
Protestierende haben sich zur Abschlusskundgebung des «Marsch des Lebens» gegen Judenhass und Antisemitismus und für Israel vor dem Brandenburger Tor versammelt.
Protestierende haben sich zur Abschlusskundgebung des „Marsch des Lebens“ gegen Judenhass und Antisemitismus und für Israel vor dem Brandenburger Tor versammelt.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 23. Oktober 2023

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Diese Frage ist deshalb kompliziert, weil sie eine weitere Frage impliziert: Sind bestimmte Zuwanderer antisemitisch? Und wenn ja, wie kann man so einem Antisemitismus entgegenwirken und anschließend von einer gelungenen Migrationspolitik, sprich von einer gelungenen Integration sprechen?

Die Behauptung, dass nur eine Minderung der Migration eine gelungene Migrationspolitik und damit eine Abwesenheit von Antisemitismus sein kann, greift zu kurz. Denn dann müsste jeder Migrant gleich welcher Herkunft im gleichen Maße antisemitisch sein.

Der Verfassungsschutz veröffentlichte im Juni 2019 eine Broschüre mit dem Titel „Antisemitismus im Islamismus“. Wohlgemerkt: nicht im Islam, nicht unter Muslimen. Sondern unter der politischen Ideologie, welche eine radikale Verengung des Islams als „Islamismus“ darstellt. Erklärend heißt es dazu:

„Das ‚Feindbild Judentum‘ bildet einen zentralen Pfeiler, auf den sich die Argumentationen aller islamistischen Gruppierungen stützen.“

Eine solche Erkenntnis gewinne insbesondere vor dem Hintergrund des zwischen den Jahren 2014 und 2017 erfolgten Zuzugs von mehr als einer Million Muslimen in die Bundesrepublik Deutschland an Bedeutung, schreibt der Verfassungsschutz. Und es folgt ein Hinweis, der das Potenzial hat, die Überschrift der Broschüre ad absurdum zu führen:

„Sehr viele dieser Menschen stammen aus Ländern, in denen antisemitische Einstellungen seit Jahrzehnten so alltäglich sind, dass schon Kinder ganz selbstverständlich damit aufwachsen.“

Hiernach gehöre Antisemitismus nicht nur zu radikalen Islamisten. Der Verfassungsschutz beschreibt Antisemitismus mit dem Adjektiv „alltäglich“ in muslimischen Ländern. Damit entfällt Antisemitismus als Alleinstellungsmerkmal von Islamisten.

Überwiegende Mehrheit stimmt antisemitischen Thesen zu

Von Libyen und Algerien über den Irak und Katar bis in die Türkei und Jordanien bietet sich das gleiche Bild an: Eine überwiegende Mehrheit der Menschen stimmt antisemitischen Thesen zu, wie die Anti-Defamation League https://www.adl.org – hier zitiert vom Verfassungsschutz – in den Jahren 2013 und 2014 herausgefunden haben will.

Eine aktuelle Studie der Technischen Universität (TU) Berlin zum Antisemitismus unter Migranten befand im März 2023, dass „antisemitische Einstellungen“, die unter die Kategorien „klassischer Antisemitismus“ und „israelbezogener Antisemitismus“ fallen, unter Musliminnen und Muslimen in Deutschland teils erheblich weiter verbreitet seien als unter dem Rest der Bevölkerung.

Die Studienmacher erwähnen, dass der Antisemitismus in den Herkunftsländern oft massiv propagiert wird, mit entsprechenden Folgen für Deutschland. Nun ist Antisemitismus bei Weitem nicht das einzige Problem einer erfolgreichen Integration von muslimischen oder muslimisch geprägten Migranten in die deutsche Gesellschaft.

Aber er ist ein besonders auffälliger, wenn, wie es aktuell passiert, tausende Muslime ihren Judenhass lautstark öffentlich kundtun und sogar jüdische Einrichtungen angreifen. Entzündet hatte sich der alltägliche Antisemitismus an der Ankündigung Israels, den von Gaza ausgehenden Terror an der Wurzel packen und die Hamas aus dem Gazastreifen bomben zu wollen. Hier mit allen zu befürchtenden Kollateralschäden, wenn die Terroristen die Bevölkerung von Gaza weiterhin als Schutzschild nutzen.

Sicher ist auch das nur ein bestimmter Blickwinkel auf den Konflikt. Und es ist nicht jener vieler Muslime, die immer wieder auf die lange Vorgeschichte des Israel-Palästina-Konfliktes verweisen und ihren Antisemitismus erst hier angelegt wissen wollen. Aber das beantwortet noch nicht die Frage, woher der Eindruck rührt, die Bundesregierung sei von diesem Antisemitismus vollkommen überrascht worden.

Ein Erklärungsversuch: Der Antisemitismus wird immer in besonderem Maße mit Deutschland verbunden sein. Der Holocaust, die von Deutschen organisierte industrielle Vernichtung der Juden in Europa, steht singulär für das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte.

Der Holocaust passte nicht zum deutschen Wirtschaftswunder

Die frühe Nachkriegszeit war geprägt vom Wiederaufbau eines zerstörten Landes. Lange wurde nicht über den Holocaust geredet, nicht in den Familien, nicht in den Betrieben, nicht in der Schule. Parallel begannen Rechtsextremisten und Anhänger des Nationalsozialismus den Holocaust gleich ganz zu leugnen.

Rechtsextremistische verbotene Publikationen wie „Die Auschwitzlüge“ machten hohe Auflage und wurden unter der Hand weiterverbreitet. Zuletzt sah sich die Bundesrepublik genötigt, mit einem raumgreifenden Volksverhetzungsparagrafen unter anderem auch die Leugnung des Völkermordes an den europäischen Juden empfindlich unter Strafe zu stellen.

Wenn immer wieder und bis heute diskutiert wird, ob es einen Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft gibt und nicht nur unter Rechtsextremen, dann mag das auch darauf zurückzuführen sein, dass die Ungeheuerlichkeit der im Nazi-Jargon sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ – Stichwort „Wannsee-Konferenz“ – jede menschliche Fantasie übersteigt. Aber Beweise für den Mord gibt es indes zur Genüge und millionenfach.

Das alles gilt es mitzudenken, wenn man sich die Frage stellt, warum drei Bundesregierungen in Folge offenbar kein geeignetes Alarmsystem installiert haben, einen muslimischen beziehungsweise islamistischen Antisemitismus zum einen zu identifizieren und zum anderen auch angemessen auf ihn zu reagieren.

Von besonderer Bedeutung mag hier auch ein Antisemitismus linker Prägung sein. Der Historiker Michael Wolffsohn identifiziert gleich drei Arten von Antisemitismus: den extrem rechten, den extrem linken und den muslimischen. Letzteren hält Wolffssohn allerdings für den gefährlichsten.

Wiederum die eingangs erwähnte Broschüre des Verfassungsschutzes schreibt dazu:

„Neben einem „AlltagsAntisemitismus“, der bis weit in die soziale und politische Mitte der Gesellschaft hinein verbreitet ist, lassen sich auch im Linksextremismus antizionistische und antisemitische Ansätze erkennen.“

Unterschätzter Judenhass von Links

Wenn man das alles aber so lange weiß, warum hat die Bundesregierung den muslimischen Antisemitismus der Zuwanderer seit 2015 offenbar so unterschätzt oder gar ignoriert? Der „Südwestrundfunk“ (SWR) titelte dazu im Herbst 2022: „Antisemitismus in der deutschen Linken – Unterschätzter Judenhass.“ Versteht man die Bundesregierung als linksorientiert, dann muss das Problem auch ein internes sein. Aber kann man gleichermaßen Patient und Arzt sein?

Der SWR schreibt weiter, dass es in Teilen der deutschen Linken ein Antisemitismus-Problem gebe. „Eines, das lange übersehen worden ist.“

Und der Sender bringt diesen linken Antisemitismus, Bezug nehmend auf die jüngere deutsche Geschichte, mit einem muslimischen Antisemitismus zusammen: „Bereits in den 1970er-Jahren gab es in Ost und West eine Allianz von linkem und arabischem Judenhass.“

Und noch etwas scheint eine Rolle zu spielen für die Beantwortung der Frage, warum der Antisemitismus vieler muslimischer Zuwanderer von den Bundesregierungen seit 2015 offenbar übersehen oder ignoriert wurde: Mit Hinweis auf einen latent vorhandenen oder offen vorgetragenen Antisemitismus wäre nämlich die Zuwanderungspolitik der Regierung(en) infrage gestellt worden.

Die Schwierigkeit, Millionen arabische und afrikanische Zuwanderer in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft zu integrieren, wurde zunehmend als Mammutaufgabe, wenn nicht schon als Überforderung erkannt.

Doch ganz gleich, ob man von einem „Übersehen“ oder gar einem „Wegsehen“ des Faktors „alltagsrelevanter Antisemitismus“ spricht: Die Hamas-Terroranschläge in Israel und ein in dem Zusammenhang nun offen vorgetragener muslimischer Antisemitismus belehren die Bundesregierung jetzt schmerzlich eines Besseren.

Wie antisemitisch sind die Enkel der 68er?

Hinzu kommt eine Konzentration auf einen antisemitischen deutschen Rechtsextremismus, samt der nicht müde werdenden Betonung, dass er die größte Gefahr sei. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte noch im Mai dieses Jahres im Wortlaut: „Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Gefahr für unsere Demokratie.“

Im individuellen Erleben der Menschen sah das aber vielfach anders aus. Jüdische Mitbürger, die in Deutschland wieder Opfer antisemitischer Übergriffe und Anschläge wurden, erkannten in den Tätern überwiegend muslimische Zuwanderer. Die Bevölkerung insgesamt sieht sich weniger von Rechtsextremen bedroht, als von kriminellen Zuwanderern, welche in den Kriminalstatistiken bei bestimmten Delikten überproportional vertreten sind.

Es gibt in Deutschland wieder No-go-Areas für Menschen, die sich sichtbar zu ihrem jüdischen Glauben bekennen, beispielsweise, wenn Männer die traditionelle Kippa tragen.

Nach 2015 und mit wachsender Kritik an der Massenzuwanderung, war viel von einem Zusammenschluss der linksextremistischen Antifa mit Migranten die Rede. Das Schlagwort einer „Migrantifa“ machte die Runde. Während der Corona-Jahre wurde dieses Projekt allerdings auf Eis gelegt. Möglicherweise war die einer mRNA-Spritze gegenüber kritische Haltung unter Zuwanderern versus der Aussage der Antifa „Wir impfen euch alle“ ein vorübergehender Hinderungsgrund für den explosiven Zusammenschluss.

Die aktuellen Ausschreitungen in Berlin lassen befürchten, dass diese Berührungsängste nun überwunden und der gemeinsame Antisemitismus sogar zum neuen Bindeglied zwischen Migranten und Linksextremisten geworden sein könnte. 

Die Rolle der Bundesregierung steht hier besonders im Fokus: Denn mit beiden Gruppen ist man eng verbunden: Die Forderung nach einer staatlichen Förderung der Antifa und Bekenntnisse zum Linksextremismus kommen aus den Regierungsparteien selbst. Und schließlich war die Massenzuwanderung samt Förderung der Seenotrettung mindestens bis zum Terroranschlag gegen Israel das wichtigste Prestigeprojekt der Bundesregierung.



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