Fritz Vahrenholt: Der deutsche Energiewende-Eiertanz in Dubai

In einem Gastkommentar spricht der ehemalige Hamburger Umweltsenator Prof. Fritz Vahrenholt über die Klimakonferenz in Dubai und ihre Ergebnisse sowie die Rolle der deutschen Bundesregierung und der Energiewende.
Ist das der Untergang der Energiewende?
Ist das der Untergang der deutschen Energiewende? Das Abschlussdokument der „Vertragsstaatenkonferenz“ sieht keinen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vor.Foto: iStock
Von 14. Dezember 2023

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Im November 2023 ist die Abweichung der globalen Temperatur vom 30-jährigen Mittel der satellitengestützten Messungen der University of Alabama (UAH) gegenüber dem Oktober praktisch gleich geblieben. Der Wert beträgt 0,91 Grad Celsius, 0,02 Grad weniger als im Oktober.

Wir befinden uns inmitten eines starken El Niño wie 2016, 2010 und 1998. In all diesen Jahren stiegen die Temperaturen sprunghaft an, nur um anschließend ebenso schnell und stark wieder zu sinken. Der aktuelle Zyklus wird aller Voraussicht bis April-Juni 2024 andauern, sein Höhepunkt scheint allerdings überschritten. Der Temperaturanstieg beträgt im Durchschnitt pro Jahrzehnt seit 1979 weiterhin 0,14 Grad Celsius.

Die Temperaturen im November 2023 überstiegen das langfristige Mittel um +0,91 Grad Celsius, minimal unter dem Wert von Oktober. Der langfristige Trend liegt unverändert bei +0,14 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Foto: Dr. Roy SpencerUniversity of Alabama, Huntsville

Deutsche Energiewende von Wirklichkeit umzingelt

Die Weltklimakonferenz in Dubai zeigt, wie weit sich Deutschland von der realen Energiepolitik der anderen Länder entfernt hat. Bundeskanzler Scholz erzielte mit seinem Auftritt wenig Resonanz, denn die anderen kennen die deutsche Leier, dass Windkraft und Fotovoltaik die Welt retten. Sie kennen auch die fatalen Folgen der deutschen Energiewende auf die wirtschaftliche Entwicklung. Und sie wissen, dass diese blauäugige, realitätsferne deutsche Energiepolitik das Land zu den höchsten Strompreisen der Welt geführt hat.

Dazu sagte Scholz: „Die Technologien sind da: Windkraft, Fotovoltaik, elektrische Antriebe und grüner Wasserstoff.“ Doch damit reduziert er die Energiezukunft auf zwei Energieträger – denn elektrische Antriebe und grüner Wasserstoff sind keine Primärenergieträger. 2022 stammten fünf Prozent der weltweit erzeugten Primärenergie aus Solar- und Windenergie. Daher ist seine Forderung nach Verdreifachung der Wind- und Solarenergie bis 2030 allenfalls dazu geeignet, den weiter wachsenden Energiehunger der Welt abzudecken als in irgendeiner relevanten Form die Kohle-, Öl- und Gasbasis zu ersetzen.

Und er vergisst zwei technologische Wege, die die ganze Welt bei ihrer Energiewende beschreiten wird – nur Deutschland nicht: den Ausbau der Kernenergie und die CO₂-Abscheidung bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas.

So mussten die 250 deutschen Delegierten zur Kenntnis nehmen, dass 22 Länder die Verdreifachung der Kernenergiekapazität in Dubai forderten. Damit hat die Kernenergie – das tote Pferd des Olaf Scholz – ihr Mauerblümchendasein auf Weltklimakonferenzen hinter sich gelassen. Zudem ist sie Teil des Abschlussdokuments geworden.

Alles eine Frage des Geldes

Der am 13. Dezember verabschiedete Beschluss fordert die Staaten zu einem gerechten, geordneten und fairen Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf. Außerdem verlangt der Entwurf, verstärkt auch auf andere emissionsfreie oder emissionsarme Technologien zu setzen. Genannt werden dabei neben den Erneuerbaren auch die Atomkraft, Wasserstoff und Technologien zum Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS). Das Abschlussdokument sieht keinen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vor.

Deutschland erringt doch nur noch Aufmerksamkeit, wenn es die Spendierhosen anzieht. So wie am ersten Tag, als die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze (SPD), 100 Millionen Euro zur Verteilung an andere Länder auf den Tisch in Dubai legte. Ministerin Baerbock legte zum Schluss der Konferenz noch einmal 60 Millionen drauf.

Dabei geht unter, dass Deutschland seit Jahren den größten Batzen an Steuermitteln aller Länder der Welt verteilt: zehn Milliarden Euro pro Jahr für Klimaschutzprojekte in anderen Ländern. Falls Herr Lindner noch nach Ausgabenkürzungen zur Vermeidung weiterer Schulden sucht, um die Schuldenbremse nicht aufgeben zu müssen – hier wäre ein großer Fundus, mit dessen Streichung keinerlei Wohlstandseinbußen in Deutschland verbunden wären.

Energiewende: steigende Emissionen, steigende Preise

Bundeskanzler Scholz und die deutsche Delegation verschweigen bei ihrem Kampf gegen Kohle, Öl und Gas jedoch auch, dass die seit Jahrzehnten sinkenden CO₂-Emissionen hierzulande erst durch die Ampelregierung als Folge der Stilllegung der letzten sechs Kernkraftwerke wieder angestiegen sind. Der CO₂-Fußabdruck der deutschen Stromversorgung nimmt seit nach einer „Energiewende“ 2021 wieder zu.

Im Jahr 2023 ist die CO₂-Intensität nicht weiter angestiegen, weil 2023 die energieintensive Industrie um 20 Prozent eingebrochen ist und daher die Nachfrage nach Kohlestrom nicht weiter angestiegen ist. Zur Zeit der Dubai-Konferenz hatte Deutschland eine CO₂-Intensität von bis zu 597 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde – einer der höchsten der letzten 6 Jahre.

Der massive Ausbau der Erneuerbaren im Rahmen der Energiewende lässt die Emissionen der deutschen Stromerzeugung nicht sinken.

Durchschnittliche CO₂-Emissionen der deutschen Stromerzeugung nach Tagen (blaugrau) und Monaten (violett) seit 2013. Deutlich erkennbar ist die „Energiewende“ im Jahr 2020. Foto: ts/Epoch Times nach Agora Energiewende (2023)

Neben dem Mehrausstoß von CO₂ ist die Bundesregierung auch verantwortlich für eine Verdoppelung der Börsenstrompreise. Das macht allein in einem Jahr 25 Milliarden Euro Mehrkosten für Bürger und Unternehmen aus – 500 Terawattstunden mal fünf Eurocent pro Kilowattstunde.

Hinzu kommen 10,6 Milliarden Euro EEG-Umlage für 2024 für Wind und Solarenergie. Diese sollen nun von den Steuerzahlern durch den Bundeshaushalt bezahlt werden. Von den gestiegenen Netzkosten und Kosten für abgestellten Windstrom – etwa eine Milliarde Euro in 2022 – reden wir erst gar nicht.

Energiewende führt zu keiner Verminderung von Klimagasen

Geht es nach der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung, soll „idealerweise“ der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sollen 50 neue Gaskraftwerke mit zusammen 25.000 Megawatt Leistung gebaut werden – Bauzeit circa 6 Jahre –, die im Wesentlichen durch zusätzliches Flüssiggas versorgt werden sollen.

Klug ist das nicht. Erstens ist importiertes Flüssiggas teurer als Pipelinegas. Zweitens führt dieser Weg laut Berechnungen des US-Wissenschaftlers Robert Howarth von der Cornell University zu extrem hohen Treibhausgasemissionen:

Howarth berechnet überzeugend, dass die Treibhausgasemissionen eines Gaskraftwerks, das mit Flüssiggas aus den USA betrieben wird, so hoch sind wie die eines Kohlekraftwerks in Deutschland. Hinzu kommt, Erdgas hat einen 30-mal höheren Treibhauseffekt als CO₂. Auf dem Wege von der Förderung über die Verflüssigung, den Transport und die Regasifizierung in Deutschland geht so viel Gas verloren, dass das dadurch betriebene Gaskraftwerk nicht weniger Treibhauseffekt bewirkt als ein Kohlekraftwerk.

Flüssiggas statt Kohle – dieser von der Bundesregierung eingeschlagene Weg macht die Stromerzeugung Deutschlands teurer und erhöht die Treibhausgasemissionen. Besser wäre es, wie Howarth schreibt, die Kohlekraftwerke in Deutschland am Netz zu lassen.

Wenn man dann noch die bestehenden Kohlekraftwerke mit einer CO₂-Abscheidung versehen würde, leiste man sogar einen Beitrag zur CO₂-Senkung. Auch die Förderung des eigenen Schiefergases in Norddeutschland würde ökologisch und ökonomisch große Vorteile gegenüber dem LNG-Import bringen. Ob sich die Bundesregierung im Interesse Deutschlands dafür entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

Frau Baerbock und das Pariser Abkommen

In ihrer Pressekonferenz in Dubai erklärte die deutsche Außenministerin: „Wir sind hier, um die Welt für die ganze Menschheit zu retten.“ Immer wieder verweist sie auf das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, das die Erwärmung der Erde auf unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit – möglichst auf 1,5 Grad Celsius – begrenzen soll.

Wir wollen uns an dieser Stelle nicht damit beschäftigen, dass die Zeit um 1860 mit dem Auslaufen der Kleinen Eiszeit eine der kältesten Perioden der letzten 2.000 Jahre war. Diese Zeit, die für die Menschheit bedrohlich kalt war, als Ausgangsbasis für ein Temperaturziel zu nehmen, darf durchaus hinterfragt werden. Der Durchschnitt der Temperaturen der letzten 2.000 Jahre ist eher um das Jahr 1950 zu suchen.

Wichtiger ist jedoch, sich mit dem Wortlaut des Pariser Abkommens zu beschäftigen. In Artikel 4, Abs.1 des Abkommens sind die Emissionsziele in diesem Jahrhundert formuliert:

„Zum Erreichen des in Artikel 2 genannten langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, wobei anerkannt wird, dass der zeitliche Rahmen für das Erreichen des Scheitelpunkts bei den Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, größer sein wird, und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken […] herzustellen.“

In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts soll also ein Gleichgewicht zwischen den CO₂-Emissionen und den CO₂-Senken – das sind Ozeane und Pflanzen – erreicht werden.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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