Wie zuverlässig sind Temperaturrekonstruktionen der letzten 2.000 Jahre?

Unzählige Klimaprognosen basieren auf Simulationen und Modellen. Diese wiederum stützen sich auf Rekonstruktionen vergangener Temperaturen. Am bekanntesten ist die „Hockeyschläger“-Kurve von Michael Mann. Wie zwei deutsche Forscher jüngst veröffentlichten, gibt es jedoch noch viele andere Temperaturkurven, die eher an Herzflimmern erinnern.
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Braunkohlekraftwerk. Symbolbild.Foto: iStock
Von 26. Mai 2022

Welchen Einfluss der Mensch auf den Klimawandel hat, ist in der Wissenschaft nach wie vor umstritten. Letztlich beruhen die physikalischen Annahmen und Rechnungen für das Phänomen des „menschengemachten Klimawandels“ auf nur wenigen Säulen.

Dabei müsste es präziser heißen: Treibhausgas-getriebener Klimawandel, denn eine der wichtigen Säulen sind Daten über den historischen Treibhausgasverlauf, insbesondere zum CO₂-Gehalt. Zudem stützen sich Klimaforscher auf die Modellierung des Verhaltens und die Verweildauer von CO₂ in der Atmosphäre sowie – darauf aufbauend – auf komplexe Klimamodellierungen, in denen die (vermeintliche) Wirkung von Treibhausgasen auf den Temperaturverlauf errechnet wird. Abgerundet wird dies durch Daten über den prähistorischen Temperaturverlauf.

Auf eben diesen Säulen basieren allerdings auch die kritischen Auseinandersetzungen mit den Annahmen und Schlussfolgerungen des Treibhausgas-Menschen-Klimawandels. Eine dieser Arbeiten erschien Anfang März in der Fachzeitschrift „Earth“ und beschäftigt sich nicht mit einer Temperaturrekonstruktion, sondern gleich mit mehreren. Epoch Times sprach mit den Autoren.

Viele Daten, viele Auslegungen

Das Autorenduo um Philipp Lengsfeld konzentrierte sich auf die Temperaturen der letzten 2.000 Jahre, also den Zeitraum seit Christi Geburt. Für ihre Auswertung konnten sie nach eigenen Angaben auf eine Vielzahl an Publikationen zurückgreifen, die Wissenschaftler im Rahmen der kontroversen Diskussion um das Klima veröffentlichten. Laut Lengsfeld fanden sie darin „ein erstaunlich diffuses Bild“. Die Rekonstruktionen verschiedener Arbeitsgruppen „wichen teilweise ganz erheblich voneinander ab“.

Konfrontiert mit diesen Unstimmigkeiten, suchten die Autoren mögliche Ursachen für die Variabilität. Daraus entwickeln sie schließlich einen Satz konkreter Vorschläge oder Kriterien, die eine robuste Temperaturrekonstruktion nicht nur der vergangenen 2.000 Jahre erfüllen müsste.

Als Hauptproblem für die Variabilität der Rekonstruktion sehen die Autoren etwas eigentlich Positives. Es gibt mittlerweile (zu) viele Daten, mit deren Hilfe historische Temperaturverläufe rekonstruiert werden können. Nicht nur gibt es eine Fülle von Standorten, sondern auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Datenquellen, sogenannten Proxies. Baumringe, Stalagmiten, Eisbohrkerne, Korallen, See- oder Ozeansedimente, Pollen, um nur die wichtigsten zu nennen.

Es ist also eher das Zuviel und die damit einhergehende Breite an möglichen Auswertungsstrategien, die problematisch ist. Die Autoren fordern deshalb strenge und insbesondere nachvollziehbare Auswahlkriterien für die Wahl sogenannter Proxies. Sie schlagen außerdem vor, nur auf Grundlage gut abgesicherter und klar charakterisierter Datensätze vorsichtig und begründet zu erweitern.

„Hockeyschläger“ mit sehr großer Vorsicht zu genießen

Zum Beispiel dürfe das Mischen verschiedener Proxietypen nur unter bestimmten Voraussetzungen stattfinden. Zudem sollten auch innerhalb derselben Proxies Einschränkungen gelten. So fordern die Autoren nur Datensätze einer Saison zu verwenden (z. B. Sommer oder Winterproxies) und darauf zu achten, dass sie für ein größeres Gebiet repräsentativ sind und nicht etwa nur eine spezielle geografische Situation abbilden, beispielsweise in einem einzelnen Tal mit guten Erhaltungsbedingungen. Auch bezüglich des Einsatzes von Auswertungs- und Glättungsstatistik warnen die beiden Autoren vor ungenauer Verwendung.

Das vielleicht wichtigste Kriterium müsse jedoch ein strenger Plausibilitätscheck sein. Ein Vergleich mit anderen Rekonstruktionen, mit aktuellen Messwerten, aber auch zu historischen Belegen über das Klima. Spätestens an diesem Punkte scheitert auch Michael Manns berühmt-berüchtigte „Hockeyschläger“-Kurve, denn sie bildet weder die Mittelalterliche Warmzeit (1000-1300) noch die Kleine Eiszeit (1400-1850) ab.

Beide zeichnen sich jedoch in anderen „ordentlich durchgeführten, regional abgegrenzten Rekonstruktionen klar ab“, so Lengsfeld. Dies sei ein ganz deutliches Zeichen, dass Manns Hockeyschläger oder neuerer Rekonstruktionen mit ähnlichem Verlauf „mit sehr großer Vorsicht zu genießen sind“.

Herzflimmern statt Hockeyschläger

Was kann aus diesem Stand der Wissenschaft geschlussfolgert werden? Zunächst überrascht die Heterogenität der Rekonstruktionen über den vergleichsweise kurzen Zeitraum von 2000 Jahren. Insbesondere bei der ausschließlichen Darstellung der Rekonstruktionen, also den Temperaturen ohne zusätzliche neuzeitliche Temperaturmessungen, zeigen zwei Verläufe, ähnlich zu der Darstellung des IPCC im ersten Bericht von 1990, keine echten Auffälligkeiten bezüglich der Neuzeit, aber dafür ausgeprägte Klimaschwankungen.

Die Mittelalterliche Warmzeit und die Kleine Eiszeit sind dabei mit Temperaturanstiegen und -abfällen von bis zu 0,6 bis 0,7° C sichtbar. Bereits in der vorindustriellen Zeit hat sich das Klima damit um 1,3° C erwärmt. Andere Kurven zeigen sogar – sich wiederholende – Schwankungen von mehr als zwei Grad Celsius.

Der aktuelle Temperaturanstieg wäre damit völlig im Bereich der natürlichen Schwankungen einzuordnen. Hinzu kommt, wer die Temperaturentwicklung ausgehend von einer der nachweislich kältesten Perioden der Vergangenheit beurteilt, muss zwangsläufig einen (starken) Anstieg feststellen.

Die Temperaturen der letzten 2.000 Jahre zeigen - je nach Arbeitsgruppe - Herzflimmern oder Hockeyschläger.

Die Temperaturen der letzten 2.000 Jahre zeigen – je nach Arbeitsgruppe – starke Schwankungen von bis über 2° C. Foto: Mit freundlicher Genehmigung. Lengsfeld et al. (2022); doi.org/10.3390/earth3010024

Parallelen zur Wirtschaft: Illusorische Ideen verstecken sich hinter tollen Grafiken

Die Rekonstruktion vergangener Temperatur haben in der Klimaforschung in doppelter Hinsicht eine besondere Stellung. Einerseits war die Temperaturrekonstruktion der Arbeitsgruppe von Michael Mann aufgrund ihrer Form besser bekannt als „Hockeyschläger-Diagramm“, von großer Bedeutung in der Klimadiskussion. Diese Kurve zierte auch das Titelblatt des 3. Berichts des IPCC aus dem Jahre 2001.

Andererseits werden die historischen Verläufe von CO₂ und Temperaturen nicht unbedingt in die Computermodelle eingeführt – beziehungsweise können sie von den allermeisten Modellen nicht reproduziert werden. Das trifft auch auf die Mann-Kurve zu, deren Verlauf in der Vergangenheit, geprägt durch gravierende paläoklimatische Ereignisse, viel zu flach und der Anstieg in der Neuzeit viel zu steil ausfällt.

Auch in der Wirtschaft, insbesondere im Bereich Start-ups, haben Hockeyschläger-Kurven einen schlechten Leumund. Meist handelt es sich um viel zu optimistische, teils völlig illusorische Planungen. In der Mann-Form mit einem späten, aber steilen Anstieg gilt sie als nahezu sicheres Indiz dafür, dass die Annahmen nicht seriös sind. Zum Beispiel, wenn eine Geschäftsidee schön gerechnet wird, der positive Teil aber zeitlich möglichst weit nach hinten projiziert wird, um der Projektidee eine längere Lebenszeit zu ermöglichen. Auf diese Weise tritt der (vorhersehbare) Realitätsschock – das Ausbleiben des Gewinns beziehungsweise das Ausbleiben der dramatischen Klimaveränderung – erst möglichst spät ein.

Eine Kritik am richtigen Platz

„Für mich interessant, aber auch beruhigend, dass die Temperaturkonstruktionen, die unseren Kriterien stärker entsprechen, der Darstellung im ersten IPCC-Bericht sehr ähneln. Obwohl sich die Datenlage stark verbessert hat“, erklärte Philipp Lengsfeld exklusiv gegenüber Epoch Times. „Diese Kurven zeigen deutlich, dass sich das Klima auch in jüngerer Vergangenheit relativ stark verändert hat. Die dramatischen und hochsuggestiven Kurvenverläufe der Mann-Gruppe und anderer dagegen wirken wenig überzeugend.“

Gleichzeitig begegnen Lengsfeld et al. mit ihrer Arbeit einer Kritik in der sehr stark von Lagerdenken und Politisierung geprägten Klimaforschung, die insbesondere von aktivistischen Wissenschaftlern oder Journalisten vorgebracht wurde – nämlich, dass Kritik von ausgebildeten Wissenschaftlern an alarmistischen Modellrechnungen nicht in Fachzeitschriften, sondern bei anderen Gelegenheiten und nur auf Plattformen außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses vorgebracht werde.

Ein harter Vorwurf, der zumindest in diesem Falle absolut nicht zutrifft. Lengsfeld ist promovierter Physiker und wissenschaftlicher Direktor eines von ihm gegründeten und im Ehrenamt geführten kleinen, gemeinnützigen und spendenfinanzierten Forschungsinstitut. Ziel des Instituts ist es, Beiträge zum wissenschaftlichen Diskurs im Bereich Klima und Umwelt auf den dafür üblichen Plattformen zu liefern.

Die vorliegende peer-reviewte Studie ist also ein klarer Gegenbeweis zu dem von Aktivisten verbreiteten Narrativ. Eine Arbeit, die offensichtlich nicht nur von den Autoren hoch angesehen wird. Dazu Lengsfeld: „Ich bin den anonymen Reviewern von ‚Earth‘ sehr für ihre konstruktiven und ermunternden Kommentare dankbar. Sie haben diese Veröffentlichung in dieser Form ermöglicht und sie aber auch noch mal klar verbessert.“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 45, vom 21. Mai 2022.



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