Verlust und Trauer bewältigen

Vor der Trauer wegzulaufen oder zu versuchen, sich vor ihr zu verstecken, verlängert oft den Heilungsprozess und kann zu weiteren Problemen führen. 
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Ihre physische Anwesenheit kann für trauernde Freunde oder Angehörige mehr bedeuten, als Sie sich vorstellen können.Foto: AntonioGuillem/iStock
Von 2. September 2021

Trauer kommt in vielen verschiedenen Formen: der Tod eines geliebten Menschen, ein Routinebesuch beim Arzt, bei dem eine tödliche Krankheit festgestellt wird, das Ende einer Ehe, ein durch Verrat gebrochenes Herz, der vorzeitige Tod eines Haustieres, Insolvenz, der unverschuldete Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Liste ließe sich endlos fortführen – der daraus folgende Kummer hat alle möglichen Formen und Ausmaße. Außerdem trauert jeder Mensch anders. Einige von uns teilen ihren Schmerz mit Freunden und Familienmitgliedern, während andere ihren Kummer stoisch verbergen.

Derweil wissen die Menschen, die die Betroffenen trösten wollen, oft nicht, was sie sagen oder tun sollen. In meiner öffentlichen Bibliothek gibt es eine Reihe von Ratgebern zum Thema Trauer: Trauer bei Kindern nach dem Tod eines Haustiers, mit Tipps für Eltern, Tipps für Frauen, um Trauer zu überwinden, Tipps für Menschen, um Trauernden zu helfen und vieles mehr.

Diese Ratgeber sind zweifellos hilfreich, aber im Folgenden möchte ich nur meine eigenen Beobachtungen über Trauer und Heilung beleuchten – und wie man den Trauernden helfen kann. Wie alle Menschen in meinem Alter – ich bin 70 Jahre alt – habe ich Trauer und Herzschmerz miterlebt und erfahren.

Trauer braucht Zeit

Sechs Wochen nach dem Tod meiner Frau saßen unsere Kinder und ihre Großmutter mütterlicherseits am Küchentisch. Da sagte sie: „Wir müssen jetzt alle darüber hinwegkommen und weitermachen.“

Mein ältester Sohn, noch keine 20 Jahre alt, meinte daraufhin: „Oma, wir werden weitermachen. Aber jetzt werde ich erst einmal meine Mutter vermissen.“

Das waren weise Worte. Mein Sohn ließ sich mit seiner Trauer Zeit und verarbeitete sie. Bei seiner Oma sah es anders aus: Wann immer sie zu uns kam, wollte sie das nahe gelegene Grab ihrer Tochter besuchen. Doch normalerweise blieb sie dort nicht länger als ein oder zwei Minuten, weil sie in Tränen ausbrach und wieder nach Hause gehen wollte. Sie hatte es versäumt, ihre Trauer zu bewältigen.

Niemand von uns leidet gerne, aber ein solcher Verlust verlangt, dass wir den Schmerz fühlen und der großen Heilerin – der Zeit – erlauben, ihre Arbeit zu tun.

Ein Therapeut sagte mir einmal: Bevor die Heilung eintritt, könne die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen bis zu drei Jahre dauern.

Seien Sie also geduldig mit sich selbst und mit anderen. Für Trauer gibt es keinen festen Zeitplan.

Anwesend sein ist alles

Mit anwesend sein meine ich, dass sowohl die direkt Betroffenen anwesend sind, als auch diejenigen, die sich um sie kümmern.

Manche von uns, die unter einem Verlust oder Verrat leiden, sind versucht, vor ihrem Schmerz wegzulaufen. Ich kannte Männer und Frauen, die in Kaufrausch gerieten und leichtfertig Geld ausgaben, um den Schmerz in Schach zu halten.

Andere greifen vielleicht zu Drogen oder Alkohol, stürzen sich in die Arbeit, suchen sich einen anderen Ehepartner oder Liebhaber oder suchen Ablenkung bei Spielen wie Golf und Tennis.

Vor der Trauer wegzulaufen oder zu versuchen, sich vor ihr zu verstecken, verlängert oft den Heilungsprozess und kann zu weiteren Problemen führen.

Wir alle trauern auf unterschiedliche Weise, aber ein Schlüsselelement auf diesem Weg ist die Präsenz, unsere Bereitschaft, uns unserem Verlust und unserer Trauer zu stellen.

Wer trauernden Freunden und Angehörigen helfen will, sollte Folgendes wissen: Ihre Anwesenheit bedeutet mehr als Essen, Geld oder Worte. Das beste Geschenk, das man machen kann, ist, bei der Person zu sein, vorzugsweise physisch. Eine Umarmung in einem solchen Moment bedeutet mehr, als Sie sich vorstellen können.

Bewegung, Ernährung, Routine

Wenn das Leben Ihnen einen schweren Schlag versetzt, fühlen Sie sich durch den Schock oft körperlich krank, manchmal wollen Sie sich sogar übergeben. Vielleicht schlafen Sie schlecht, wollen nichts essen und nichts weiter tun, als auf der Couch zu sitzen und ins Leere zu starren.

Da gilt es trotz aller gegenteiligen Anwandlungen aktiv zu werden und sich um sich selbst zu kümmern. Ernähren Sie sich gesund. Versuchen Sie, genügend Schlaf zu bekommen. Treiben Sie etwas Sport. Selbst ein Spaziergang um den Block kann Ihre Stimmung heben.

Wenn Sie Ihre Routine so weit wie möglich beibehalten, kann dies ebenfalls die Trauer lindern. Ich hatte die Angewohnheit, mit meinem jüngsten Sohn ein- oder zweimal pro Woche in die Bibliothek zu gehen – und einige Wochen nach dem Tod seiner Mutter nahmen wir diese Routine wieder auf. Diese Besuche gaben uns beiden ein Gefühl der Kontinuität und eine Verbindung zu einer glücklicheren Vergangenheit.

Wenn Sie einen Freund oder Angehörigen nach einer Tragödie trösten wollen, so können Sie ihm gesunde, hausgemachte Mahlzeiten bringen oder einen Gutschein für ein örtliches Lebensmittelgeschäft schenken. Wenn Sie in der Nähe wohnen, können Sie ihm anbieten, zwei oder drei Abende in der Woche gemeinsam spazieren zu gehen – eine Betätigung, die sowohl die Gesundheit als auch gute Gespräche fördert.

Rettungsanker

Einige Menschen sind nicht in der Lage, einen Verlust zu bewältigen, selbst wenn sie von anderen Menschen in ihrem Leben unterstützt werden. Manche haben auch keine Angehörigen in der Nähe oder keine Freunde, die ihnen Mut machen und sie durch den Sturm begleiten könnten.

In diesen Fällen kann es sehr hilfreich sein, sich an einen Therapeuten oder eine Selbsthilfegruppe zu wenden. Selbsthilfegruppen geben uns die Möglichkeit, mit Menschen zusammenzukommen, die einen ähnlichen seelischen Schock wie wir erlitten haben. Dieser gemeinsame Schmerz kann uns oft entlasten und uns erkennen lassen, dass wir nicht so allein sind, wie wir vielleicht denken.

Auch ein Therapeut kann uns dabei unterstützen, unsere Trauer zu verarbeiten, indem er uns anleitet, verschiedene Heilungstechniken auszuprobieren, oder uns zumindest die Möglichkeit gibt, Dinge auszusprechen und Tränen zu vergießen, die wir sonst vielleicht sogar vor den uns Nahestehenden verbergen würden.

Wenn Sie nach „Trauergruppen in meiner Nähe“ googeln, werden Sie sehen, welche Hilfe es gibt.

Zäsur im Leben

Trauer verändert uns. Hier ist ein Beispiel. Es mag einigen Lesern trivial erscheinen, aber in meiner Galerie der Versäumnisse in meinem Leben nimmt es einen großen Platz ein.

Am Mittwoch, dem 12. Mai 2004, rief ich meine Frau vor 9 Uhr morgens vom Gebäude aus an, in dem ich Seminare für Schüler gab. Ich bat sie, einige Fragen zum Text zu suchen, die ich zu Hause vergessen hatte. Sie fühlte sich nicht wohl, aber sie fand meine Notizen und las mir die benötigten Informationen vor.

Als wir unser Gespräch beendeten, waren ihre letzten Worte an mich: „Ich liebe dich.“ Meine letzten Worte an sie waren: „Ich muss los. Die Schüler warten. Wir sehen uns um 16 Uhr.“

Als ich nach Hause kam, lag sie bewusstlos auf dem Boden unseres Schlafzimmers. Am darauffolgenden Montag starb sie in einem Krankenhaus an einem Hirnaneurysma.

Was war nur mit mir los gewesen? Warum hatte ich nicht einfach mit „Ich liebe dich auch“ geantwortet? Warum? Warum? Warum?

Diese Frage quälte mich. Das tut sie noch heute. Aber von diesem Tag an sage ich jedes Mal „Ich liebe dich“, wenn ich ein Gespräch mit meinen Kindern, meinen Enkeln und vielen meiner Freunde beende.

Trauer als Lehrmeister

Verlust und Trauer lassen manche Menschen verbittert oder zynisch werden, unfähig, das Gute in ihrem Leben und in der Welt zu sehen. Wenn wir jedoch genau hinschauen, ist die Trauer ein großer Lehrmeister.

Sie kann unser Einfühlungsvermögen und unsere Liebe für andere wachsen lassen.

Letztendlich gibt sie uns auch die Kraft, diejenigen wertzuschätzen, die wir verloren haben. Und sie erlaubt uns sogar, von denen zu lernen, die uns Unrecht taten.

Wie Kate McGahan, Autorin und langjährige Betreuerin in einem Hospiz, einmal schrieb: „Die Trauer wird einen solange nicht loslassen, bis man das akzeptiert, was sie einen lehren wollte.“



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