„Es ist eines der großen Rätsel“: Warum COVID-19 Kinder verschont

Kinder haben in der Regel einen Überlebensvorteil gegenüber Erwachsenen, wenn es um neu auftretende Viruserkrankungen geht. Das ist laut Studien auch bei COVID-19 der Fall.
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Für ihre Studie suchten die Forscher verzweifelt nach Proben von Kindern mit schweren COVID-19-Symptomen. Die Suche war vergeblich.Foto: coscaron/iStock
Von 26. Januar 2024

„Bei fast allen Infektionskrankheiten befinden sich die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen an den zwei Enden der Altersgrafik – sie sind entweder sehr jung oder sehr alt. Aber COVID-19 verschont die jungen Menschen.“

Dies sind die Worte von Bali Pulendran, einem Professor für Mikrobiologie, Immunologie und Pathologie an der Stanford University. Seit zwei Jahren erforscht er dieses Rätsel um COVID-19.

Wie dieses Phänomen zustande kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt aber einige mögliche Antworten.

Starke angeborene Immunität

Kinder sind keine Mini-Erwachsenen. Je nach Alter können sie ähnlich oder sehr unterschiedlich auf Infektionskrankheiten reagieren. Im Falle von COVID-19 verläuft die Krankheit bei Kindern im Allgemeinen milder.

Der Hauptgrund dafür ist, dass bei Kindern das angeborene Immunsystem schneller als bei Erwachsenen reagiert. Dadurch können sie schneller eine robuste Abwehr gegen Atemwegsinfektionen aufbauen, sagte Dr. Cody Meissner in einem Interview mit Epoch Times. Er ist Professor für Pädiatrie an der Geisel School of Medicine des Dartmouth College.

Im Gegensatz dazu haben Erwachsene ein besser entwickeltes adaptives Immunsystem, das eine besser gespeicherte, gezielte Immunität erzeugen kann. Es reagiert jedoch langsamer und kann Tage brauchen, um aktiv zu werden, meinte Kenneth Rosenthal, Professor für Immunologie, gegenüber Epoch Times.

Das Rätsel um den milden COVID-Verlauf bei Säuglingen

Kinder und Jugendliche haben also ein schnelles, angeborenes Immunsystem und im Allgemeinen eine gesündere Konstitution. Dies kann erklären, warum COVID-19 bei ihnen mild verläuft. Diese Erklärung funktioniert jedoch nicht bei Säuglingen und Kleinkindern.

„Das ist eines der großen Rätsel der menschlichen Immunologie“, so der Immunologe Pulendran gegenüber Epoch Times. Säuglinge werden in der Regel mit einem unreifen angeborenen und adaptiven Immunsystem und einer schwächeren Konstitution geboren. Dadurch sind sie anfälliger für Infektionen – Frühchen umso mehr.

Denn Kinder unter zwei Jahren haben ein viel höheres Risiko, an Atemwegserkrankungen wie dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) und der Grippe zu sterben als ältere Kinder und Erwachsene unter 50 Jahren.

Zum Erstaunen der Forscher blieben Säuglinge während der COVID-Pandemie jedoch weitgehend verschont. „Wir waren [für unsere Studie] verzweifelt auf der Suche nach Kindern mit schweren Symptomen“, erzählte Pulendran. 

„Wir baten unsere Mitarbeiter von Cincinnati Children’s [Hospital], uns Proben von Kindern mit schweren Erkrankungen zu schicken. So sehr sie sich auch bemühten, sie konnten in all den vier Jahren, in denen sie Proben sammelten, keine Proben von Kindern mit schweren Infektionen finden.“

Immunität von Säuglingen gegen COVID-19

Laut Pulendrans Studie können Säuglinge tatsächlich robuste Immunreaktionen gegen COVID-19 entwickeln.

Nach einer natürlichen Infektion bilden Erwachsene normalerweise schnell, aber kurzzeitig Antikörper gegen COVID-19. Der Antikörperspiegel nimmt allerdings innerhalb von sechs Monaten um das Zehnfache ab. Säuglinge hingegen zeigen eine langsamere, aber beständigere Antikörperreaktion. Ihr Antikörperspiegel fiel während der 300 Studientage nie ab und blieb entweder gleich hoch oder stieg weiter an und erreichte schließlich den Spitzenwert von Erwachsenen.

Während bei Erwachsenen bereits nach einer leichten COVID-19-Infektion ein Anstieg der entzündungsfördernden Proteine im Blut zu beobachten war, blieb dieser Anstieg bei Säuglingen aus. Infektionen und entzündungsfördernde Proteine im Blut können problematisch sein, da sie systemische Entzündungsreaktionen verursachen können. Diese können zu Gewebeschäden, Organversagen und schließlich zum Tod führen.

Bei Säuglingen und Kindern waren viele dieser entzündungsfördernden Proteine jedoch nicht im Blut, sondern in der Nase zu finden. Im Gegensatz zum Blut ist die Nase ein relativ lokaler Bereich, so Pulendran.

Ferner können mehr entzündungsfördernde Proteine dazu beitragen, die Viruslast beim Eindringen zu verringern. „Das Virus wird möglicherweise in den Nasengängen im Keim erstickt“, so der Mikrobiologe weiter.

„So wird das Immunsystem in der Nase aktiviert, um das Virus einzudämmen. Der Körper reagiert dann nicht so stark, was eine gute Möglichkeit ist, auf das Virus zu antworten, ohne weitere systemische (den ganzen Körper betreffende) Erkrankungen zu verursachen“, meinte Dr. Lael Yonker gegenüber Epoch Times. Sie ist pädiatrische Lungenärztin und Co-Direktorin der Klinik für Genetik für Lungenerkrankungen des Massachusetts General Hospital.

Die Forscher konnten jedoch keine gute Antwort darauf finden, warum dies nur bei COVID-19 und nicht bei anderen Atemwegserkrankungen wie RSV und Influenza auftritt.

Der Überlebensvorteil von Kindern

Ein weiterer Faktor ist, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen bei neu auftretenden Viruserkrankungen wie Masern und Windpocken tendenziell einen Überlebensvorteil haben, erklärt Dr. Meissner. Diese Krankheiten verlaufen schwerer, wenn sie im Erwachsenenalter auftreten.

Professor Rosenthal betonte jedoch, dass das adaptive Immunsystem, das bei Erwachsenen stärker entwickelt ist, bei der Bekämpfung von Infektionen hilft, die sich der angeborenen Immunität entziehen.

Normalerweise sind Erwachsene nach der Pubertät weniger in der Lage, sofort auf neue Infektionen zu reagieren. Sie haben dafür aber robuste Immunreaktionen gegen früher aufgetretene Infektionen.

Immunsystem lässt im Laufe des Lebens nach

Studien zufolge ist das Immunsystem eines Menschen vor der Pubertät oder um die Pubertät herum funktionell am stärksten. Danach verändert es sich allmählich und wird mit zunehmendem Alter weniger leistungsfähig (Immunoseneszenz).

Dabei wird der Thymus, der adaptive T-Zellen produziert, weniger aktiv und beginnt zu schrumpfen. Damit nehmen auch die immununterdrückenden angeborenen Immunzellen zu; adaptive Immunzellen sind in ähnlicher Weise betroffen.

Die Gedächtniszellen des Immunsystems nehmen mit dem Alter zu. Das bietet einen langfristigen Schutz gegen Krankheitserreger, denen man bereits begegnet ist. Die Zahl der naiven T- und B-Zellen nimmt jedoch ab. Wenn eine Person neueren Krankheitserregern ausgesetzt ist, stehen folglich weniger Reserven für die Bildung neuer Gedächtniszellen zur Verfügung.

Chronische Krankheiten und schlechte Lebensgewohnheiten können die Alterung des Immunsystems beschleunigen. Ferner nimmt die in der Jugend aufgebaute Widerstandsfähigkeit allmählich ab, bis ab etwa 50 Jahren das Risiko einer Infektion und schwererer Krankheitsverläufe immer höher wird. 

Zahlreiche Studien deuten jedoch darauf hin, dass regelmäßige Bewegung, eine nährstoffreiche Ernährung und eine positive Geisteshaltung dazu beitragen können, Entzündungen zu verhindern und das Immunsystem zu stärken.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „‘It’s One of the Great Mysteries,’ Why COVID Spares Children“. (redaktionelle Bearbeitung as).



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