Haben wir jetzt eine Wasserkrise? Chemiker hält dies für „vollkommen absurd“

Nach der Corona-Pandemie und der Klimakrise debattieren Politiker und entscheidungsrelevante Organisationen immer wieder über eine Wasserkrise. Ein renommierter Chemiker entschlüsselt die Hintergründe.
Haben wir jetzt eine Wasserkrise?
Der blaue Planet soll sich laut dem Weltwirtschaftsforum und der UN in einer Wasserkrise befinden.Foto: iStock
Von 16. Oktober 2023

Eine ausreichende Trinkwasserversorgung zu haben, ist lebensnotwendig. Immer wieder setzen sich wichtige Entscheidungsträger mit diesem Thema auseinander – und sprechen nicht selten von einer globalen Wasserkrise. Ein Chemiker sieht darin jedoch Panikmache.

So warnt aktuell die Weltwetterorganisation (WMO) davor, dass der Wasserkreislauf der Erde aus dem Gleichgewicht gerät. Grund seien der Klimawandel und menschliche Aktivitäten. „Wir haben global weniger Wasser in Reservoiren“, sagte WMO-Chef Petteri Taalas am 12. Oktober in Genf. Quantifizieren lasse sich das jedoch bislang nicht. Verwertbare Daten über die Wasserreserven liegen nach Angaben der WMO erst seit dem Jahr 2002 vor. Seitdem gehe der Trend abwärts, wie aus dem Bericht „Zustand der globalen Wasserressourcen 2022“ hervorgeht.

Weltwirtschaftsforum: Bei Wasserkrise „nicht versagen“

Auch Funktionäre des Weltwirtschaftsforums sprachen die Wasserkrise bereits an. Bei einer Pressekonferenz zu einer Versammlung der Organisation im vergangenen Jahr äußerte sich Prof. Mariana Mazzucato zu einer möglichen globalen Wasserkrise. Sie ist Gründungsdirektorin des UCL-Instituts (University College London) für Innovation und öffentliche Zwecke.

Bei der Debatte über die Gesundheit der Menschen in der Welt sagte sie: „Haben wir es geschafft, alle Menschen in der Welt zu impfen? Nein.“ Dann richtete sie die Aufmerksamkeit auf das Wasser, das parallel dazu ebenso „weltweit verbreitet“ ist. Dies sei ein Thema, das die Menschen verstehen könnten. Weiter sagte Mazzucato:

Der Klimawandel ist etwas zu abstrakt, als dass die Menschen es verstehen könnten. Aber dass man Wasser braucht, versteht jedes Kind. Wir haben bei einigen Dingen kläglich versagt und hoffen, dass wir bei diesen anderen Themen nicht versagen.“

Wasserkrise

Prof. Mariana Mazzucato bei einer Pressekonferenz des Weltwirtschaftsforums 2022. Foto: Bildschirmfoto YouTube-Kanal „World Economic Forum“

Bei der COVID-Impfdebatte gab es teils großen Widerstand in der Bevölkerung. Millionen Menschen in etlichen Ländern protestierten gegen die Corona-Maßnahmen der Regierungen und hegten gegenüber den Impfkampagnen Misstrauen. Auch bei der derzeitigen Debatte über den Klimawandel gibt es viele Skeptiker, nach deren Ansicht es zu keinen katastrophalen Auswirkungen kommen wird, darunter Tausende Akademiker.

Wird die vermeintliche Wasserkrise nun also zum nächsten umstrittenen globalen Thema?

Maßnahmenplan verschlingt Milliardenbeträge

Im März dieses Jahres fand in New York eine große Wasserkonferenz der Vereinten Nationen statt, wobei es ausschließlich um das Thema Wasser ging. Das gab es seit 1977 nicht mehr. Die Mitgliedstaaten erwähnten die globale Wasserkrise und schlugen Alarm. Ziel der UN-Wasserkonferenz war es, Lösungen für die Erschöpfung, Verschmutzung und die schlechte Verwaltung von Trinkwasser zu finden.

UN-Generalsekretär António Guterres betonte, dass „Wasser ein Menschenrecht und entscheidend für die Entwicklung einer besseren globalen Zukunft ist“. Er wies darauf hin, dass fast drei von vier Naturkatastrophen mit Wasser zu tun hätten. Ein Viertel der Weltbevölkerung lebe ohne sichere Wasserversorgung oder sauberes Trinkwasser. Darüber hinaus würden 1,7 Milliarden Menschen nicht über eine sanitäre Grundversorgung verfügen.

Wie bei vielen anderen Krisen wurde auch hier ein Maßnahmenplan zusammengestellt. Dieser führt 689 „freiwillige Verpflichtungen“ aus allen Ländern der Welt auf, um die Wasserkrise zu bekämpfen, wie die „Tagesschau“ berichtete. Der Plan beinhaltet regionale Renaturierungsmaßnahmen, aber auch grenzübergreifende Großprojekte. Dabei sind hohe Summen im Spiel: Auf 750 Milliarden Dollar (rund 706 Milliarden Euro) belaufe sich der geschätzte Gesamtwert. Auch Deutschland brachte eine eigene nationale Wasserstrategie in den Maßnahmenplan des Wassergipfels ein.

Stehlik: Wir haben keine Wasserkrise

Stefan Uhlenbrook, Direktor der WMO-Abteilung für Wasser und Kryosphäre (die mit Eis bedeckte Fläche betreffend), hält es für wichtig, das Wassermanagement zu verbessern. 70 Prozent des Wassers entfalle auf die Landwirtschaft. Dort müsse sparsamer bewässert werden. „Es gibt kein Patentrezept, um das Problem zu lösen“, äußerte Uhlenbrook.

Weniger ein Problem als eine falsche Betrachtungsweise sieht Dr. Gerhard Stehlik. Er machte seine Doktorarbeit in physikalischer Chemie. Der inzwischen 80-Jährige war in seiner Laufbahn politisch tätig, unter anderem als Sachverständiger im FDP-Bundesfachausschuss für Umweltpolitik. Darüber hinaus war er an der Gründung mehrerer Chemieverbände und Umweltvereine beteiligt. Mit der Wasserdebatte hat er sich immer wieder befasst.

Auf Anfrage der Epoch Times erklärte der studierte Chemiker: „Der Hauptfehler bei dem Thema ist der Begriff ‚Wasserverbrauch‘.“ Nur mit hochspeziellen Prozessen wie etwa der Elektrolyse könnten die Menschen Wasser tatsächlich verbrauchen. Weiter sagte Stehlik:

Was die meisten Menschen machen, ist Wasser zu nutzen oder zu verunreinigen. Zu sagen, wir hätten hier auf diesem Planeten einen Wassermangel, ist vollkommen absurd.“

22.000 Entsalzungsanlagen weltweit

Der Chemiker erklärte, dass der Mensch unter normalen Umständen Atome und Moleküle, wie etwa das Wassermolekül (H₂O), nicht verbrauchen könne. „Bei der Wassernutzung wird das Wasser zwar von immer mehr Menschen verunreinigt, aber gleichzeitig wird es auch immer öfter gereinigt.“

Zudem verwies Stehlik auf die vielen Meerwasserentsalzungsanlagen, die es bereits gibt. „Das kann man überall machen, dazu braucht man nur Energie.“

Derzeit bereiten laut ZDF 22.000 Entsalzungsanlagen in etwa 170 Ländern der Erde Meerwasser zu Trinkwasser, Süßwasser und Betriebswasser auf. Die größten Entsalzungsanlagen der Welt stehen in Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel, Saudi-Arabien und den USA.

Wasserkrise

Die Umkehrosmoseanlage in einer Entsalzungsanlage. Foto: iStock

Dass der WMO-Chef Taalas ebenso davor warnt, dass „wir [in den vergangenen Jahren] Grundwasser verloren haben“, kann Stehlik nichts abgewinnen. Er hält dem entgegen, dass hier „konkrete Pegelstände angegeben werden müssten“.

Der Grundwasserpegel sei unter anderem von den Niederschlagsmengen abhängig. „Diese schwanken teils stark von Jahr zu Jahr. Die globale Änderung der Niederschlagsmengen ist im Mittel aber noch niedriger als die Änderung der Temperatur“, sagte der Chemiker und hofft auf Rückkehr zur Normalität.

Weniger Wasser – oder nur eine andere Verteilung?

Auch bei einer Plenarsitzung des EU-Parlaments im Juni dieses Jahres stand das Thema Wasserkrise auf dem Programm. Als Gründe dafür wurden eine zunehmende Wasserknappheit und Dürre vor der Sommersaison genannt. Nach Daten der Europäischen Dürrebeobachtungsstelle (EDO) galt zu diesem Zeitpunkt für mehr als ein Viertel des EU-Gebiets eine Dürrewarnung, während für acht Prozent der Fläche bereits der Dürre-Alarm galt.

Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission noch für fast die Hälfte Europas eine Dürrewarnung ausgesprochen. 47 Prozent der Fläche des Kontinents wären bedroht gewesen, darunter vor allem Italien, Spanien, Portugal und Frankreich. In diesen südeuropäischen Ländern können die Temperaturen jeden Sommer gelegentlich auf rund 40 Grad steigen.

Weltweit hätten 3,6 Milliarden Menschen – mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung – mindestens einen Monat im Jahr nicht genügend Trinkwasser zur Verfügung und seien somit von Wasserknappheit betroffen.

Wasserkrise

Gerade in ärmeren Ländern der Welt ist der Zugang zu Trinkwasser manchmal problematisch. Foto: iStock

Doch was sagen die Zahlen? Herrscht wirklich eine globale Wasserknappheit? Laut Daten der Weltbank lag die verfügbare Menge des Frischwassers im Jahr 1973 noch bei 10,6 Kubikmeter pro Kopf. Heute sind es noch 5,5 Kubikmeter, also etwas mehr als die Hälfte, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Allerdings gab es 1973 laut „Statista“ rund 3,9 Milliarden Menschen. Derzeit leben mit knapp über 8 Milliarden mehr als doppelt so viele Menschen auf der Erde als 1973. Demnach wäre die Menge des verfügbaren Frischwassers sogar leicht angestiegen; sie verteilt sich lediglich auf mehr Menschen.

Neben den neuen Warnungen bemängelt die WMO aber ebenso, dass es nach wie vor viel zu wenig Messungen und präzise Daten zum Beispiel über Grundwasser-Reservoirs oder Feuchtigkeit in Böden gebe. Sie rief die Länder auf, dies dringend zu verbessern, um Frühwarnungen zu geben und besseres Wassermanagement einzuführen.

Die Forschung läuft noch

Wie bei manchen anderen Krisen wird bei der Wasserkrise schon jetzt deutlich, dass es für manche Entscheidungen an ausreichenden fundierten Kenntnissen mangelt. Laut „Deutschlandfunk“ können die Forscher derzeit noch gar nicht sicher sagen, wie viel Wasser es genau auf der Erde gibt und wie es verteilt ist.

Die bisherigen Daten beruhen oftmals auf Schätzungen. Insgesamt soll es zwischen ein und zwei Trilliarden Liter Wasser auf der Erde geben. Fast alles davon ist Salzwasser. Nur rund drei Prozent sind trinkbares Süßwasser – und davon lagern rund 70 Prozent in den Eismassen der Antarktis. Grundlage dieser Zahlen sind Radarmessungen auf der Erde.

Seit Ende 2022 begann aus diesem Grund die internationale Satellitenmission SWOT (Surface Water and Ocean Topography; deutsch: Oberflächenwasser und Meerestopografie). Die Mission ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen, kanadischen, britischen und französischen Weltraumagenturen. Der Satellit vermisst die Oberflächengewässer der Erde genauer als je zuvor.

Chris Aceves, der Chefingenieur für die Mission in Kalifornien, sagte: „SWOT misst all das Wasser auf der Erde, das aus dem All sichtbar ist. Wissenschaftler bekommen so erstmals Angaben über die Menge der Wasservorkommen. Und sie werden verstehen können, welchen Effekt Wetter und Klima auf die Ozeane, auf Flüsse und Seen haben.“ Alle 21 Tage soll der Satellit ein Gesamtbild aller Wasservorkommen des Planeten liefern, und das mindestens drei Jahre lang.

Weitaus mehr Wasser befindet sich wohl im Inneren der Erde. Forscher vermuten laut „National Geographic“, dass unter der Erdkruste bis zu sechsmal mehr Wasser verborgen ist als in allen Ozeanen auf der Erde. Da es sich jedoch in mindestens 410 Kilometern Tiefe befindet, ist dies nicht ohne Weiteres zu erreichen. Zum Vergleich: Die tiefste Stelle in allen Oberflächenozeanen liegt mit rund elf Kilometern im Marianengraben im westlichen Pazifischen Ozean.

(Mit Material der Agenturen)



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