Unterrichten zu Hause: „Eltern sollten die Inspiration für ihre Kinder sein“
„Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, heißt es im deutschen Grundgesetz. In allen Bundesländern gilt die Schulpflicht. Homeschooling ist nicht erlaubt und Eltern sind verpflichtet, ihre Kinder in die Schule zu schicken.
In anderen Ländern herrscht jedoch keine allgemeine Schulpflicht. So dürfen Kinder in vielen europäischen Staaten wie beispielsweise Österreich, Frankreich und Finnland auch zu Hause unterrichtet werden.
Die meisten Kinder, die Hausunterricht oder schulfreies Lernen erhalten, gibt es jedoch auf der anderen Seite des großen Teichs in den USA. Dort werden rund 3,7 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet, heißt es auf der Seite des „National Home Education Research Institute“.
Aus diesem Grund hat sich in den USA auch eine große Homeschooling-Gemeinschaft etabliert, mit Unterrichtsplänen, Experten und Elterngruppen.
In diesem Zusammenhang sprach die Epoch Times mit Nicholeen Peck, einer Erziehungsexpertin aus den USA mit jahrelanger Erfahrung im Hausunterricht. Das Gespräch drehte sich um schulfreies Lernen, Kindererziehung und Familienbande.
Obwohl Hausunterricht in Deutschland verboten ist, können Pecks Erfahrungen und Ratschläge auch Eltern von Schulkindern als Inspiration dienen.
Stärkere Familienbande durch Homeschooling
Frau Peck, was hat Sie zu der Entscheidung bewogen, Ihre vier Kinder zu Hause zu unterrichten?
Ursprünglich hatte ich nie daran gedacht, dass ich meine Kinder eines Tages zu Hause unterrichten würde. Mein Vater war Lehrer an einer öffentlichen Schule und Hochschulprofessor. Und ich war während meiner Schulzeit akademisch, sozial und bei außerschulischen Aktivitäten sehr erfolgreich. Ich hatte keinerlei Neigung zum Homeschooling.
Im Jahr 2000 erzählte mir eine Nachbarin, dass sie darüber nachdenkt, ihren Sohn zu Hause zu unterrichten. Das brachte mich auf die Idee, den Hausunterricht als Option in Betracht zu ziehen. Mein dreijähriger Sohn konnte damals schon lesen und ich wusste, dass er sich in der Schule langweilen würde.
Außerdem war ich zu dieser Zeit in der therapeutischen Betreuung von Jugendlichen in Schwierigkeiten tätig. Da ich selbst Pflegekinder hatte, kannte ich die Probleme, die in Schulen auftreten, aus erster Hand. Außerdem nahm die Arbeit mit den Teenagern nach der Schule viel Zeit in Anspruch.
Ich wusste also, wenn ich mit meinen kleinen Kindern die wertvolle Zeit, die sie von ihrer Mutter brauchten, verbringen wollte, dann musste ich ihnen täglich einige Stunden zur Verfügung stellen, in denen sie von mir lernen konnten.
Dies waren für mich die Faktoren, die fürs Homeschooling sprachen. Schließlich entschied ich mich für den Hausunterricht, weil ich eine enge, geeinte Familie haben wollte.
Ich wusste, dass meine Kinder keine engen Freunde werden würden, wenn wir nicht genügend gemeinsame Zeit als Familie verbringen würden. Auch könnte unsere Bindung durch das soziale Training, das an Schulen mit ausschließlich Gleichaltrigen und oft negativen Einstellungen zu Eltern und Familie stattfindet, entwertet werden.
Einer der versteckten Vorteile wäre auch die Zeit. Durch die vielen Stunden am Tag würden meine kleinen Kinder, die bereits gerne lernten und lasen, nach Herzenslust lernen und wissenschaftlich experimentieren können, ohne unterbrochen zu werden.
Ich erkannte, dass familiäres soziales Training, die Einbindung von Moral in Bildungsthemen und ungestörte Lernzeit meinen Kindern einen sozialen, moralischen und akademischen Vorsprung verschaffen würden.
Was begeistert Sie am Hausunterricht am meisten?
Von allen Vorteilen des Hausunterrichts, die ich aufzählen könnte, waren die bei Weitem lohnendsten Aspekte für unsere Familie:
- Der Familienzusammenhalt, der sich aufgrund des täglichen projektbasierten Lernens und der Diskussionen, die wir als Gruppe führten, entwickelte.
- Die individuelle Inspiration sowohl für die Eltern als auch für die Kinder, sich mit selbstmotiviertem Lernen zu beschäftigen.
- Die erstklassige Bildung, die wir erhielten.
- Der Fokus auf einen positiven Einfluss auf die Welt, der mit all unseren Studien verbunden war.
- Die offensichtliche soziale Reife, die unsere Kinder an den Tag legten, weil sie von sozial reifen Eltern statt von unreifen Gleichaltrigen sozial geschult wurden.
- Das Lernen von anderen Familien in der Homeschooling-Gemeinschaft und das Unterrichten von Klassen dort.
- Das moralische Vertrauen, das sich aus moralischen Diskussionen rund um die Lernthemen ergibt.
- Die Schaffung von Persönlichkeiten, die ihr Leben lang lernen werden.
Was war für Sie die größte Herausforderung beim Hausunterricht?
Der Unterricht zu Hause öffnet das Tor zur Freiheit in der Bildung, was bedeutet, dass die Bildungsmöglichkeiten endlos sind. Wegen der Fülle an Ausflügen, sozialen Gruppen und Kursen, die von der örtlichen Homeschooling-Gemeinschaft angeboten wurden, fiel es uns gelegentlich schwer, genug zu Hause zu sein.
Ich erinnere mich an eine Zeit, in der unsere Familie bewusst beschloss, nicht mehr am Homeschooling-Chor und an der Homeschooling-Debattierliga teilzunehmen und die außerhalb des Hauses stattfindenden Kurse oder Unterrichtsstunden auf zwei pro Kind zu reduzieren. Damit konnten wir zu Hause als Familie mehr Zeit zum Lesen und Diskutieren haben, um unsere Schule zu Hause zu erhalten.
Es fiel uns schwer, zu so vielen guten Dingen „Nein“ zu sagen. Doch wir wussten, dass wir unsere Familie ganz bewusst zu unserer obersten Priorität machen mussten, wenn wir unsere Ziele im Unterricht zu Hause erreichen wollten. Ständig gründen Menschen Homeschooling-Gruppen.
Schuljahr sollte gut geplant werden
Es ist Sommer. Obwohl Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, ihre Zeit frei einteilen können, sind viele gerade dabei, das nächste Schuljahr zu planen. Welche Strategie empfehlen Sie, wenn es um die Planung eines neuen Homeschooling-Jahres geht?
Die Sommerplanung gibt den Eltern mehr Sicherheit für das kommende Schuljahr. Obwohl wir in unserer Familie im Sommer auch Unterricht hatten, nur weniger als normalerweise, war der Herbst für uns immer ein Neuanfang. Jedes Jahr im Juni oder Juli widmete ich ein neues Notizbuch der Planung des kommenden Schuljahres.
Zunächst nahm ich für jedes Kind ein oder zwei Seiten. Auf diesen Seiten schrieb ich auf, in welchem Bildungsabschnitt sich das Kind meiner Meinung nach gerade befand und welche erzieherischen oder sozialen Erfahrungen es aus meiner Sicht brauchte, um beim Lernen inspiriert zu bleiben und in seiner Entwicklung voranzukommen.
Als ich mit dem Hausunterricht begann, las ich das Buch „A Thomas Jefferson Education“ von Oliver DeMille, in dem ich die Lernphasen und die Art und Weise, wie Menschen lernen kennenlernte. Dieses Buch inspirierte mich, mich mit Bildung und wie Menschen lernen zu beschäftigen. Außerdem motivierte es mich, mich im Bereich der Leadership Education weiterzubilden.
Nachdem ich die Lernphase und die Bedürfnisse jedes Kindes ermittelt hatte, erstellte ich eine Liste mit den Dingen, die ich mit den Kindern lernen oder erleben wollte, um den Lernprozess zu beflügeln und tolle Familienerinnerungen zu schaffen.
Dann war es an der Zeit, mit jedem Kind einzeln zu sprechen. Zweimal im Jahr setzte ich mich mit jedem Kind zusammen und machte eine große Liste mit all den Dingen, die es im kommenden Jahr lernen und tun wollte, darunter auch viele spannende Ausflüge. Außerdem fragte ich jedes Kind, in welcher Lernphase es sich befand, um sicherzustellen, dass meine Einschätzung mit der des Kindes übereinstimmte.
Sie kannten die Lernphasen und wussten, wo sie sich befanden, auch wenn sie nicht immer wussten, in welcher Klasse sie wären, wenn sie zur Schule gehen würden. Ich wollte nicht, dass sie nur wissen, wie sie im Vergleich zu Gleichaltrigen oder den Schulsystemen abschneiden, sondern wie es auf ihrem Bildungsweg weitergeht.
Nach all diesen Einschätzungen war ich dafür gerüstet, meine Tages- und Wochenpläne in meinem Notizbuch zu erstellen. Ich packte die Stundenpläne so weit wie möglich voll, wobei ich immer Zeit für einen Familienausflug am Freitag ließ. Dann erstellte ich anhand meines Plans eine Liste der Materialien, die ich vorrätig haben musste, oder der Bücher, die ich kaufen wollte.
Da sich unsere Familie nicht für Schulbücher interessierte, kaufte ich jedes Jahr eine große Menge klassischer Literatur und Biografien.
In den Rest meines Notizbuchs fügte ich neue Ideen für das nächste Jahr und Notizen über unsere Bildungsreise in diesem Jahr ein.
Gute familiäre Kommunikation ist das A und O
Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste für Familien, um Erfolg beim Hausunterricht zu haben?
Mehr als alles andere sind glückliche familiäre Beziehungen und eine gute Kommunikation in der Familie die wichtigsten Faktoren für erfolgreiche und angenehme Erfahrungen beim Homeschooling.
Ich spreche oft auf Homeschooling-Konferenzen auf der ganzen Welt über Kindererziehung und familiäre Kommunikation, weil die Organisatoren wissen, dass ohne gute Familienbeziehungen und eine ruhige Kommunikation das gesamte Lernumfeld leiden wird. Der Matheunterricht sollte kein tägliches Streitthema sein und Hausarbeiten sollten nicht den ganzen Tag in Anspruch nehmen, um erledigt zu werden.
Familien, in denen die täglichen Diskussionen ohne großes Drama verlaufen, haben mehr Erfolg beim Hausunterricht. Aber man sollte sich nicht entmutigen lassen, wenn es wegen der Mathematik-Lektionen auch mal zu Tränen kommt. Tränen und emotionale Erschöpfung zeigen einer Familie nur, dass ihr nächstes großes Lernthema wahrscheinlich der Zusammenhalt der Familie und selbstbestimmte Kommunikationsfähigkeiten sein sollten.
Weitere Faktoren für ein erfolgreiches Homeschooling sind Eltern, die zu einer vernünftigen Zeit zu Bett gehen und aufstehen, Eltern, die auch ihre eigene Liebe zum Lernen aufrechterhalten. Auch ist ein täglicher lockerer Zeitplan hilfreich. Wenn man in der Familienkultur Gewohnheiten schafft, erleichtert das den Hausunterricht ebenfalls.
Nie aufhören zu lernen
Was sollten Eltern berücksichtigen, die ihre Kinder zu Hause unterrichten möchten?
So viele Eltern erwägen jetzt, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Das ist wirklich ermutigend für die Familienidentität und die allgemeine Freiheit der Gedanken.
Hausunterricht sollte, wenn er richtig gemacht wird, lehren, ‚wie‘ man denkt. Das steht im Gegensatz zu dem, was man an den meisten Institutionen lernt, nämlich ‚was‘ man denken soll.
Wer den Hausunterricht in Erwägung zieht, sollte nicht vergessen, dass man seine Kinder bereits zu Hause unterrichtet. Alle Eltern bringen ihren Kindern bei, was im Leben am wichtigsten ist.
Das, womit eine Familie ihre meiste Zeit verbringt, vermittelt den Kindern eine Botschaft der Wichtigkeit. Die Art und Weise, wie eine Familie ihre Freizeit gestaltet, zeigt den Kindern auch, was sie als Erwachsene schätzen und anstreben sollten.
Wenn man also technisch gesehen seine Kinder schon zu Hause unterrichtet, sollte man sich Gedanken über den Einfluss machen, den man auf seine Kinder hat, auch wenn man kein Homeschooling betreibt.
Eltern sollten bedenken, dass derjenige, dem sie ihr Kind zur Erziehung anvertrauen, tatsächlich die Erlaubnis erhält, den Geist und das Herz des Kindes zu beeinflussen. Deshalb ist es sehr wichtig, bei der Auswahl des Materials für den Unterricht in der Regelschule oder im Hausunterricht sehr vorsichtig zu sein.
Man sollte nicht einfach irgendeinen Lehrplan für den Hausunterricht nehmen, sondern wählerisch sein. Man sollte die Autoren, die man liest, und die Programme, die man verwendet, prüfen.
Und wir sollten nicht vergessen, dass das Buch uns gehört und nicht wir dem Buch. So viele Menschen folgen starr einem Lehrplan, der nicht zu ihrem Familienleben oder ihren Zielen passt. Wenn es nicht funktioniert, dann sollte man sich die nötigen Informationen herauspicken und sie auf seine eigene Art und Weise nutzen.
Auch sollten wir nicht vergessen, dass eine gute Bildung auf der Lust zu lernen beruht. Wir sollten unseren Kindern also spannende fortgeschrittene Dinge beibringen, auch wenn sie dies noch nicht selbstständig verstehen können. Man sollte nicht zögern, ihnen echte Bildung zu vermitteln. Wenn man zu kleine Schritte macht, kann es manchmal auch zu langweilig werden.
Und schließlich wird man am ehesten inspiriert, wenn man sieht, wie jemand, der einem nahe steht, sich mit Dingen befasst, die er selbst noch nicht kann. Deshalb sollte man als Erziehungsberechtigter auch selbst weiterhin lernen, lesen und Bildungsprojekte durchführen. Wenn man möchte, dass sein Kind Klavier spielen möchte, sollte man vielleicht auch lernen, Klavier zu spielen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich auf der Veranda die „Elemente“ von Euklid lernte und mein ältester Sohn sie auch lernen wollte – weil ich es tat.
Man sollte die Inspiration für seine Kinder sein. Ich weiß, es scheint schwer zu sein, gleichzeitig zu lernen und zu lehren. Und tatsächlich hören viele Lehrer auf zu lernen, sobald sie zu lehren beginnen. Doch selbst wenn man jeden Tag nur ein wenig aus seinem Hauptbuch lernt und es mit seinen Kindern teilt, gibt man ihnen die Inspiration, die sie brauchen, um weiter voranzukommen.
Kinder sollten lernen, das Zuhause zu lieben
Was würden Sie Eltern empfehlen, die ihre Kinder von der Schule nehmen oder ganz auf die Schule verzichten und zu Hause unterrichten wollen?
Wenn man sich nicht mit dem Hausunterricht auskennt, sollte man damit beginnen, seinen Kindern vorzulesen und zu diskutieren, regelmäßig Ausflüge zu machen und viele Lernspiele zu spielen. Man sollte bei sich zu Hause eine Lernumgebung erschaffen, an der die Kinder teilhaben wollen.
Man kann gemeinsam zu Hause arbeiten und spielen, selbst wenn die Kinder schon im Gymnasialalter sind. Vielleicht muss man dafür zuerst ein paar Schritte zurückgehen, um ein solides Familienfundament aufzubauen.
Stellen Sie sicher, dass die Kinder ihr Zuhause lieben lernen. Wenn man mit Auffälligkeiten im Verhalten oder verqueren Einstellungen zu kämpfen hat, sollte man sich zuerst einige Wochen Zeit nehmen, um die Familie besser zu organisieren und geeignete Wege zur Konfliktlösung finden.
Schließlich sollte man lernen, wie Menschen lernen. Die Bücher von Oliver DeMille und Charlotte Mason haben mich dies gelehrt und wie man eine gute Lernumgebung einrichtet. Wenn man weiß, wie Menschen lernen, kann man sich selbst fortbilden und gleichzeitig seine Kinder erziehen.
Für mich ist der Hausunterricht das Erfüllendste und Befreiendste, was man als Elternteil tun kann. Das eigene Leben wird sich verändern. Das eigene Herz und die eigenen Beziehungen werden sich verändern. Und dadurch wird sich auch die Welt verändern.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 56, vom 6. August 2022.
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