China und die Guqin: Das Instrument der Weisen
Im alten China war das Spielen eines Instrumentes traditionellerweise eher dem Meditieren, statt der Unterhaltung gewidmet. Die elegante, ruhige Musik galt tatsächlich als Kultivierung, da sie den Spielenden, sowie den Zuhörer, auf höhere, spirituelle Ebenen zu versetzen vermochte.
Die Guqin oder Qin ist dafür sehr geeignet (古琴, gǔqín). Sie ist ein siebensaitiges, klassisch-chinesisches Musikinstrument, das zur Familie der Zithern gehört. In China hat dieses sagenumwobene Instrument angeblich eine Geschichte von etwa 5.000 Jahren.
Neben Kalligraphie, Schach und der Malerei, gehörte das Beherrschen der Qin zu den vier jener unumgänglichen Fähigkeiten (琴棋書畫), die ein Literat, Intellektueller oder Kultivierender aufweisen musste, wenn er sein inneres Selbst kultivieren wollte.
Man sagt, dass Konfuzius (551-479 v.Ch.) bekannt dafür war, die Qin zu spielen und Huang Di, der Gelbe Kaiser (2.696-2.598 v.Ch.), der ganz zu Beginn der chinesischen Kultur herrschte, soll sogar an deren Erfindung beteiligt gewesen sein.
Gelehrte und Weise sagten der Qin nach, sie könne als einzges Instrument die Essenz der traditionellen chinesischen Kultur einfangen.
Aufbau und Handhabung
Die Qin ist üblicherweise etwas mehr als einen Meter lang und besteht aus einem Kopf, dem Nacken, Schultern und einer Taille, sowie einem fransigen Ende, das an den Schwanz eines Phönix erinnert. Die kurvige Oberseite des Instruments spiegelt den Himmel wider, während die flache Unterseite die Erde repräsentiert.
Traditionellerweise hatte die Qin fünf seidene Saiten, die für die fünf Elemente Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde stehen. Die zwei zusätzlichen Saiten sind erst bei etwas späteren Modellen, etwa ab 1.000 n. Chr., zu finden. Heute werden üblicherweise Stahlsaiten benutzt.
Mit über 1.000 Fingertechniken ist die Qin eines der kompliziertesten Instrumente weltweit und verlangt entsprechend großes Engagement und Hingabe des Lernenden, der dieses beherrschen möchte.
Um eine breite Palette an Klängen zu erzeugen, müssen die spielenden Hände nicht nur die Saiten zupfen, sondern auch streichen, drücken, rupfen und darübergleiten lernen. So kann zum Beispiel der Klang von rauschendem Wasser, oder aber auch ein klarer, heller Einzelton erzeugt werden.
Phrasen und Redewendungen
Selbst die chinesische Phrase 知音 (zhiyin) – wortwörtlich übersetzt „kenne [die] Musik“, im übertragenen Sinne „Seelenverwandter“ – stammt aus einer Überlieferung, bei der es sich um die Qin dreht.
Laut dem „Tang Wen (湯問)“, eine Geschichte, die im daoistischen Werk „Lie Zi (列子)“ zu finden ist, war Boya ein meisterhafter Spieler der Qin, zur Zeit der Frühlings- und Herbstperiode (722-481 v.Ch.). Sein guter Freund Zhong Ziqi konnte seine Musik sehr gut verstehen.
Es ging sogar so weit, dass Ziqi, allein durch das Zuhören der Musik Boyas, sagen konnte, was Boya dachte und wie er sich fühlte.
So dachte der Qin-Virtuose zum Beispiel an einen großen Berg, während er spielte. Dann rief Ziqi aus: „Wunderbar! So prächtig und ehrwürdig wie Mount Tai!“ Wenn Boya den Klang von rauschendem Wasser in seinem Kopf hatte, sagte Ziqi: „Gewaltig! Die Melodie ist so stark und mächtig wie ein großer Strom, der vorüberzieht!“
Durch die Musik der Qin lernte Ziqi also seinen Freund Boya verstehen. So konnten die beiden gemeinsam den spirituellen Weg zu höheren Ebenen teilen und wurden zu sogenannten Seelenverwandten. Darum wird heute die Phrase 知音 (zhiyin) für Seelenverwandte gebraucht.
Außerdem gibt es heute den Qin-Klassiker „Großer Berg und Fließendes Wasser“ 高山流水 (Gāo Shān – Liú Shuǐ). Als typisch chinesische Redewendung – oder sogenanntes Chengyu, das aus vier Schriftzeichen besteht – wird dieser Titel im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet, um eine elegante, hohe Kunst zu bezeichnen, die nicht jeder zu verstehen vermag.
Kulturelles Erbe
1977 wurde das Qin-Stück „Fließendes Wasser“, das von Guan Pinghu, einem berühmten chinesischen Qin-Spieler, eingespielt und auf eine vergoldete LP aufgenommen wurde, mit der Voyager 1 und Voyager 2 der NASA ins Weltall geschickt.
2003 wurde die Qin-Musik von der UNESCO unter die „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ aufgenommen.
Die Geburtsstunde der Qin ist bis heute unbekannt, jedoch wurden mehrere dieser Instrumente in chinesischen Katakomben und Grabmälern gefunden, die auf die Datierung von 2.500 v.Chr. zurückreichen. Außerdem erzählen viele der alten chinesischen Geschichten und Aufzeichnungen um etwa 3.000 v.Chr. vom Gebrauch und der Musik der Qin.
Das Mysterium rund um die Entstehung der Qin wird in dem Gedicht „Die Hütte inmitten des Bambus“ von Wang Wei widergespiegelt:
獨坐幽篁裡, Dú zuò yōu huáng lǐ,
彈琴復長嘯, Dàn qín fù cháng xiào.
深林人不知; Shēn lín rén bù zhī;
明月來相照: Míng yuè lái xiāng zhào.
《竹里館》 : 王維
(Zhú Lǐ Guǎn : Wáng Wéi)
Allein in der Stille des Bambus
Spiele ich meine Qin und singe zarte Töne.
Im Geheimnis des Waldes, niemand kann mich hören,
Nur der Mond wirft sein klares Licht auf mich.
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