Ozeanphysiker zu Golfstrom-Kipppunkt: „Apokalypse-Studie als neues Wissen verkauft“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Mitte Februar auf X, ehemals Twitter, vor dem Zusammenbruch der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) gewarnt. Die AMOC ist Teil der globalen Meeresströmungen und wird – fachlich unsauber – oft mit dem Golfstrom gleichgesetzt. Gemeinsam ist beiden Strömungen jedoch, dass sie warmes Wasser nach Europa transportieren, dessen Ausbleiben zu einer Abkühlung von Spanien bis Norwegen führt.
Der Warnung vorangegangen ist die Veröffentlichung einer Studie im Fachjournal „Science Advances“. Laut den Autoren der Universität Utrecht sei es nicht nur möglich, dass die AMOC schwächer werde, sondern im Laufe der kommenden Jahre oder Jahrzehnte versiege. Dies hätte potenziell gravierende Auswirkungen, vorwiegend auf das Klimageschehen in Europa.
Im Sommer Null Grad, im Winter minus 40 °C?
Lauterbach beschrieb anlässlich dessen eine Abkühlung in Europa um 30 Grad Celsius. Warum ein Europa ohne Golfstrom sich dem sibirischen Polarklima angleichen soll, bleibt vermutlich das Geheimnis des Gesundheitsministers.
Tatsächlich liegen Seattle im äußersten Nordwesten der USA und München nahezu auf demselben Breitengrad, sodass das Klima Nordamerikas die wahrscheinlichere Option darstellt. Laut US-Wetterdienst liegt die Jahresmitteltemperatur in der größten Stadt Washingtons zwischen 7,0 und 15,3 Grad Celsius. In der bayerischen Landeshauptstadt schwankt sie laut Deutschem Wetterdienst zwischen 6,7 und 15,6 Grad.
Zugleich muss jedoch festgehalten werden, dass ein Umkippen des Golfstroms wie vorhergesagt mindestens fraglich erscheint. Oder wie es Jochem Marotzke, Co-Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie, im Gespräch mit Axel Bojanowski für die „Welt“ formulierte: „Ich wundere mich, dass die Studie die Begutachtung überstand und so publiziert werden konnte.“
Der Golfstrom wird schwächer – Ja, aber …
Bereits 2021 wiesen irische, britische und deutsche Forscher auf einen schwächer werdenden Golfstrom hin. Zwei Jahre später haben auch amerikanische Wissenschaftler eine Abschwächung der Meeresströmung festgestellt. Epoch Times berichtete.
Die neue Studie unterstreicht diesen Trend – bis zum Jahr 2012. Anschließend habe die Strömung wieder zugelegt. Konkret schrieben die Forscher um René M. van Westen vom Institute für Meeres- und Atmosphärenforschung der Universität Utrecht:
Messungen […] haben gezeigt, dass die AMOC-Stärke von 2004 bis 2012 […] abgenommen hat und danach wieder stärker geworden ist.“
Längerfristige Schwankungen, die anhand der Meeresoberflächentemperatur geschätzt wurden, deuteten ferner darauf hin, dass sich die AMOC derzeit in ihrem schwächsten Zustand seit über einem Jahrtausend befindet. Dabei berufen sich die Niederländer auf die oben genannten früheren Studien.
Seit 2012 wiederum bis mindestens 2019 haben sich Golfstrom respektive AMOC jedoch nicht weiter abgeschwächt. Im Gegenteil, so weit die Daten in die jüngste Vergangenheit reichen, zeigt sich eine Trendumkehr. Dies wurde seinerseits von verschiedenen Autoren bereits beschrieben und veröffentlicht – zuletzt im Januar 2024 von Henk A. Dijkstra, der zugleich van Westens Co-Autor in der aktuellen Kipppunkt-Studie ist. Aus Dijkstras Arbeit stammt folgende Grafik:
Modellierung statt Messung
Somit wird der Golfstrom seit nunmehr zehn Jahren eher stärker als schwächer und ein nahender Kipppunkt ist schwer auszumachen. Van Westen und Kollegen haben jedoch nicht die AMOC selbst untersucht, sondern ein Strömungsmodell. Dabei gingen sie von einem simulierten „vorindustriellen Gleichgewicht“ aus, in dem Treibhausgase und andere klimatische Einflüsse konstant gehalten wurden.
Darauf aufbauend fügten die Forscher eine „langsam variierende Süßwasserflussanomalie im Nordatlantik über der Region zwischen 20°N und 50°N hinzu.“ Diesen Einfluss erhöhten sie „linear mit einer Rate von 3 × 10-4 Sv pro Jahr bis zum […] [Ende der Simulation], wo ein Maximum von 0,66 Sv erreicht wird“.
Die verwendete Einheit „Sv“ bedeutet „Sverdrup“ und ist benannt nach einem norwegischen Meeresforscher. Sie steht für den Volumenstrom von einer Million Kubikmeter beziehungsweise einer Milliarde Liter pro Sekunde. Das klingt unwahrscheinlich viel, im offenen Meer entspricht dies indes einer gleichmäßigen Strömung von lediglich 3,6 km/h.
Mit anderen Worten, van Westen und Kollegen berufen sich – anders, als der Titel ihrer Studie suggeriert – nicht auf die physikalischen Messdaten, sondern auf ein Modell, dem sie nach und nach Süßwasser hinzugefügt haben. Dies soll das Abschmelzen des arktischen Eisschildes durch steigende Temperaturen simulieren.
Das Ende der AMOC … in 1.500 Jahren
Betrachtet man die Ergebnisse genauer, fällt auf, dass in den ersten 1.500 Jahren der Simulation sehr wenig passiert. Das ändert sich im Jahr 1758 der Modellierung. Für diesen Zeitpunkt vermerken die Forscher um van Westen den „AMOC-Kipppunkt“ in ihrer Grafik.
Bezieht man den Beginn der Modellierung auf das „vorindustrielle“ Jahr 1750, droht das Ende des Golfstroms demnach im Jahr 3508, sprich in etwas weniger als 1.500 Jahren. Startet man das Modell heute, verlangsamt sich die AMOC erst im Jahr 3782 deutlich.
Angesichts dieser Zeiträume erscheint die Warnung weit weniger beunruhigend, als Karl Lauterbachs Beitrag assoziiert. Auch die „schon lange“ bestehende Warnung von Stephan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, auf die sich der Gesundheitsminister bezieht, erscheint in diesem Zusammenhang eher jung.
So viel Eis kann gar nicht schmelzen
Ein weiterer Aspekt wird in der medialen Debatte um den Golfstrom-Kipppunkt bislang übersehen. Wie bereits erwähnt, simulierten die Forscher einen jährlich steigenden Süßwassereintrag. Dieser stieg „linear mit einer Rate von 3 × 10-4 Sv pro Jahr“. Das heißt, im ersten Jahr der Simulation floss Süßwasser mit 0,0003 Sv in den Atlantik, im zweiten Jahr 0,0006 Sv, im dritten Jahr 0,0009 Sv und so weiter.
Zum Zeitpunkt des Kipppunktes im Modelljahr 1758 floss Süßwasser demnach mit 0,5274 Sv beziehungsweise 527.400 Kubikmeter pro Sekunde in den Atlantik.
Da es sich um eine lineare Steigerung handelt, lässt sich verhältnismäßig einfach ausrechnen, wie viel Süßwasser bis zu jenem Zeitpunkt insgesamt in den Atlantik gelangte: 14,6 Billiarden Kubikmeter Wasser.
Umgerechnet in 14,6 Millionen Kubikkilometer (km³) ist diese Zahl nur geringfügig leichter vorstellbar. Ein Vergleich muss her. Der Bodensee (48 km³) ist dafür unbrauchbar klein. Selbst das Mittelmeer mit 4,3 Millionen Kubikkilometer Fassungsvermögen könnte nur knapp ein Drittel des benötigten Wassers liefern.
Die einzigen Süßwasserquellen im Nordatlantik sind jedoch das arktische und grönländische Eis. Ersteres ist mit einem Volumen von 7.000 bis 20.000 km³ – je nach Jahreszeit – jedoch praktisch bedeutungslos.
Etwas mehr Einfluss hätten die 2,93 Millionen Kubikkilometer Eis auf Grönland, doch selbst das wäre allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, beziehungsweise in den warmen Golfstrom. Zur Erinnerung, der Kipppunkt der AMOC wird im Modell bei 14,63 Mio. km³ Süßwasser erreicht. Das ist etwa fünfmal so viel wie der gesamte grönländische Eisschild. Der Dichteunterschied zwischen Eis und flüssigem Wasser sei dabei vernachlässigt.
Alles wie immer bei Klima und Golfstrom
Sprich, selbst wenn Grönland bis auf die letzte Schneeflocke abschmilzt, wird nicht genügend Süßwasser frei, um die Bedingungen des Modells zu erfüllen. – Erwähnt wird dies in der öffentlichen Diskussion nicht.
Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut bringt dies gegenüber Bojanowski wie folgt auf den Punkt: „Abwägende Risiko-Kommunikation verspricht eben keine Aufmerksamkeit.“
Weiter sagte der Physiker:
„Es lief diese Woche also wie eh und je: Eine medial anschlussfähige Apokalypse-Studie widersprach dem Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC und wurde dennoch als neuer Sachstand verkauft. Wallace Broecker, einer der Urväter der AMOC-Forschung, hatte Mitte der 1980er-Jahre ebenfalls vor dem Versiegen der AMOC gewarnt. Im Gegensatz zu heutigen Mahnern aber vergaß er nicht, auf die gravierenden Unsicherheiten hinzuweisen.“
Weitere ausgewählte Stimmen zu Klima und Klimawissenschaft
„CO₂ ist zu schwach, um die Temperaturen zu beeinflussen.“ – John K. Dagsvik und Sigmund H. Moen, Statistisches Zentralbüro Norwegen
„Nur Computermodelle bringen Erwärmung mit CO₂ in Verbindung.“ – Ralph Alexander, Physiker und Autor von „Science Under Attack“
„Die angebliche Klimanotlage ist ein bewusst eingesetzter Hebel zur Zerstörung unserer Wirtschaft.“ – Hans-Georg Maaßen, Rechtsanwalt, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
„Das Klima […] [wird] nicht mehr wissenschaftlich untersucht. Vielmehr ist es zu einer Glaubensfrage geworden.“ – Haym Benaroya, Professor für Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik
CO₂ ist der „teuerste Betrug der Geschichte“. – Edwin Berry, Atmosphärenphysiker und zertifizierter beratender Meteorologe
„Die Wahrscheinlichkeit, wegen einer Wetterkatastrophe zu sterben, ist um mehr als 95 Prozent gesunken.“ – Axel Bojanowski, Chefreporter für Wissenschaftsthemen der „Welt“
„Die Sorge um globale Erwärmung ist eine totale Erfindung.“ – John Clauser, Physiker, Nobelpreisträger (2022), unter anderem an der University of California, Berkeley
„Es gibt eine Menge Klimaübertreibungen.“ – Bill Gates, Mitgründer von Microsoft
„97 Prozent der Klimawissenschaftler“ […] sind sich alles andere als einig. – Marcel Crok, Wissenschaftsjournalist, Gründer von CLINTEL
„Klimaschutz ist ein Geschenk für die Welt, aber nicht wirklich für die Umwelt.“ – Florian Josef Hoffmann, Rechtsanwalt, Buchautor und Publizist
(Fortsetzung folgt)
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