Vier Prozent in 40 Jahren: Studie belegt schwächeren Golfstrom

Schon lange vermuten Forscher, dass sich der Golfstrom abschwächt. Um wie viel gaben jüngst Messdaten aus über vier Jahrzehnten preis. Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel bleibt weiter fraglich.
Studie belegt schwächer werdenden Golfstrom
Symbolbild.Foto: iStock
Von 9. Oktober 2023

Der Golfstrom ist die wichtigste Meeresströmung vor der Ostküste Amerikas und Teil der nordatlantischen Ozeanzirkulation. Bereits eine geringe Veränderung seiner Intensität spielt eine wichtige Rolle für Wetter und Klima auf der Nordhalbkugel. So führt seine Abschwächung dazu, dass weniger Wärme in den nördlichen Atlantik gelangt. Als Folge dessen präsentieren Wissenschaftler häufig die Zunahme von Extremwetter in Europa und den Anstieg des Meeresspiegels an der US-Ostküste.

Bereits 2021 wiesen irische, britische und deutsche Forscher in ihrer Studie auf einen schwächer werdenden Golfstrom hin, wie die Epoch Times berichtete. Nun haben auch amerikanische Wissenschaftler eine Abschwächung der Meeresströmung festgestellt.

„Wir kommen mit großer Sicherheit zu dem Schluss, dass sich der Transport des Golfstroms in den letzten 40 Jahren tatsächlich um etwa 4 Prozent verlangsamt hat. Dies ist der erste schlüssige, eindeutige Beobachtungsbeweis dafür, dass sich diese Meeresströmung in der jüngsten Vergangenheit erheblich verändert hat“, heißt es in einer Pressemitteilung des Ozeanografischen Instituts Woods Hole in Massachusetts.

Dieser Erkenntnis liegen zahlreiche Meeresbeobachtungen aus der sogenannten Floridastraße seit den 1980-er Jahren zugrunde, so die Forscher weiter. Jedoch habe sich „dieser signifikante Trend […] erst in den letzten zehn Jahren herauskristallisiert und ist der erste eindeutige Beweis für einen aktuellen jahrzehnteübergreifenden Rückgang“.

Eine zweite Studie stellt zudem eine Verschiebung in Richtung Küste sowie eine Erwärmung der Strömung fest. Insbesondere im Bereich westlich von 68 Grad West, sprich vor der Ostküste der USA, habe sich der Golfstrom seit 2001 um fünf Kilometer pro Jahr in Richtung Küste bewegt. Gleichzeitig habe sich die warme Oberflächenströmung verstärkt, sodass diese nun bis in etwa zehn Meter Tiefe reicht und die Wasseroberfläche etwa ein Grad Celsius wärmer ist als das umgebende Wasser.

Ursache Klimawandel?

Der Golfstrom trennt im Allgemeinen wärmeres, salzigeres und leichteres Wasser auf der küstenfernen oder äquatorwärts gelegenen Seite von kälterem, frischerem und dichterem Wasser auf der küstennahen oder polwärts gelegenen Seite. Dadurch beeinflusst er sowohl das amerikanische Wetter als auch das in Europa. Während für Europa geringere Niederschläge zu erwarten seien, steige in Amerika die Gefahr eines Meeresspiegelanstiegs oder die Zunahme der nordatlantischen Hurrikane.

„Das Verständnis über die Veränderungen des Golfstroms in der Vergangenheit ist wichtig für die Vorhersage zukünftiger Trends – wie etwa bei Extremwetterereignissen in Form von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürmen“, so die Forscher aus Woods Hole. Ebenso wichtig sei die Beobachtung, um festzustellen, wie der Ozean auf das Klima zurückwirkt.

Welche Ursache jedoch für die Abschwächung der Meeresströmung verantwortlich ist, können die Forscher nicht sagen.

„Während wir definitiv sagen können, dass diese Abschwächung stattfindet, können wir nicht sagen, inwieweit sie mit dem Klimawandel zusammenhängt oder ob es sich um eine natürliche Variation handelt“, erklärt Chris Piecuch, Ozeanograf der Woods Hole Oceanographic Institution (USA) und Hauptautor der Studie. Eine Klärung der Frage müsse demnach in künftigen Studien angestrebt werden.

Alle Zeugen in den Zeugenstand gerufen

Für ihre Studie wendeten die Forscher die sogenannte Bayes-Statistik an, um Tausende Datenpunkte aus drei unabhängigen Datensätzen zu kombinieren und zu untersuchen. Bei dieser Art der Modellierung wird die Unsicherheit innerhalb eines Modells mithilfe von Wahrscheinlichkeiten dargestellt.

Laut den Forschern lieferten die Ergebnisse schließlich eindeutige Beweise für eine signifikante langfristige Veränderung. Selbst wenn ein beliebiger Datensatz aus der Untersuchung ausgeschlossen wurde, blieb das Ergebnis gleich. Piecuch erklärt die Bedeutung der Methodik anhand eines Vergleiches mit einem Gerichtssaal.

„Wenn man seinen Fall vorträgt, braucht man mehr als einen Zeugen. Im Idealfall möchte man sogar eine Sammlung unabhängiger Zeugen, deren Aussagen alle eine zusammenhängende und nachvollziehbare Geschichte ergeben“, so Piecuch.

„Wir haben alle Zeugen in den Zeugenstand gerufen, die wir technisch einbeziehen konnten. Nachdem wir die Aussagen der verschiedenen Zeugen zusammengefasst hatten, zeichneten sie ein sehr klares Bild, nämlich dass sich der Golfstrom in den letzten 40 Jahren tatsächlich um etwa vier Prozent abgeschwächt hat. Das ist ein sehr deutliches Ergebnis und höher, als man erwarten würde.“

Für die Forscher habe sich ihre sechs Jahre andauernde Arbeit und das noch viel längere Sammeln von Daten schließlich gelohnt. „Diese Arbeit demonstriert ausdrücklich den Wert dieser langen Beobachtungssysteme, um sehr subtile Signale herauszufiltern. In diesem Fall haben wir gezeigt, dass wir mehr als 30 Jahre an Daten benötigen“, so Piecuch.

Die Studien erschienen am 25. September 2023 im Fachjournal „Geophysical Research Letters“ sowie am 9. Oktober in „Nature Climate Change“.



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