Vom Pilz zur Mode: Forscher entwickeln neues Ökoleder

Bei viel Feuchtigkeit und Wärme schießt dieser Waldbewohner aus dem Boden und kann je nach Art genießbar oder tödlich sein. Nun sollen Pilze – oder besser gesagt ihre Wurzeln, das sogenannte Mycel – auch in der Modeindustrie als neues Leder zum Einsatz kommen.
Vom Pilz zur Mode: Forscher entwickeln neues Öko-Leder
Leder aus Pilzwurzeln habe ein „wachsendes Potenzial, sich zu vergrößern“, das denken englische Forscher über ihre Entwicklung.Foto: Natalia Kopyltsova/iStock
Von 10. Juni 2024

Schon lange suchen Modedesigner nach Alternativen zu echtem tierischen Leder. Neben Leder aus Kakteen, Ananasblättern, Apfelresten oder Papier haben Forscher der englische Universität Cambridge auch mit Pilzen experimentiert.

Dieses biologisch hergestellte Material für das neue „Leder“ könne schneller gezüchtet und einfacher kultiviert werden, sodass für viel Nachschub gesorgt sei. Doch wie wird ein Pilz im wahrsten Sinne des Wortes tragbar? Gezüchtet wird das Ökoleder gleich als Mycelledermatten, wobei eine neu entwickelte Paste als Substrat verwendetet wird. Außerdem könne das Material auf einer Vielzahl von landwirtschaftlichen und industriellen organischen Abfällen gezüchtet werden.

Doch damit das Pilzleder wirtschaftlich rentabel wird, müsse eine größere Akzeptanz und Skalierung der Produktion vorherrschen, so die Forscher. Wie etablierte traditionelle Materialien könne der neue Rohstoff auch optimiert werden, um die Anforderungen der Verbraucher zu erfüllen. Bleibt noch die Frage, welche Pilze eignen sich für das Leder?

Der richtige Pilz

Die Forscher untersuchten zwei Pilzarten und ihre Eignung für die Entwicklung von Ledermatten: den Reishi-Pilz, einen Heilpilz der traditionellen chinesischen Medizin, und den Rosen-Seitling, einen Gourmetpilz. Besonders der Seitling ist dafür bekannt, Substrat schnell zu besiedeln und schnell Fruchtkörper zu produzieren.

Aus Reishi und Seitling wird Leder

Die Forscher untersuchten, wie sich der Heilpilz Reishi und der Gourmetpilz Rosen-Seitling für die Entwicklung von Leder eignen. Foto: ts/Epoch Times; nach sasirin pamai, Marta Nogueira/iStock

Damit das Züchten der Matte Erfolg hat, entwickelten die Forscher zudem ein neues Pastensubstrat. Dieses sollte die Nährstoffverfügbarkeit der Pilze verbessern, ihre Skalierbarkeit ermöglichen und ihre Wachstumsbedingungen rationalisieren. Ein wichtiger Schritt, denn die verschiedenen Pilzarten haben ihre eigenen Vorlieben für Substrate. Zu den üblichen Substraten gehören Stroh, Kaffeesatz und Mist.

Mycelleder kann dabei auf drei verschiedenen Wegen als biologisches Gewebe oder Matte hergestellt werden: als Pilzbiomasse, auf flüssigem Substrat oder auf festem Substrat. Wichtig ist dabei jedoch immer die Fermentation im Wasser. Jedes Substrat hat jedoch seine Vor- und Nachteile.

Andere Organismen als Rohstoffquelle

So sind die Wachstumsbedingungen auf festem Substrat beispielsweise besser als auf flüssigem. Allerdings lassen sich die Matten in flüssigem Milieu leichter ernten, müssen dann aber noch weiter bearbeitet werden. Um keine Kompromisse eingehen zu müssen, haben die Forscher ihre neue Anbaumethode auf der Grundlage eines pastenartigen Substrats entwickelt.

Die Forscher fanden heraus, dass sie mit dieser speziellen Paste dickere Mycelmatten in kürzerer Zeit züchten konnten. Darüber hinaus sind die Matten so stark gewachsen, dass sie am Stück „geschält“ werden konnten.

Und genau dieses Material soll nun zu einer Revolution in der Modeindustrie führen, indem andere Organismen – Pilze statt Tiere – als neue Rohstoffquelle für Leder dienen sollen – ganz ohne ethische Gewissensbisse.

„Auf der Suche nach nachhaltigen Alternativen zu herkömmlichen Materialien wächst das Interesse an der Verwendung lebender Organismen zur Herstellung biologisch abbaubarer und umweltfreundlicher Ersatzmaterialien – wie zum Beispiel Leder aus Mycel, einer umweltfreundlichen Alternative zu anderem Leder“, sagt Studienhautautorin Assia Crawford von der Universität von Colorado (USA).

Auf der Suche nach alternativem Leder

Die Pilze sollen später auch das derzeitige Ersatzleder aus Kunststoff ablösen, da dieses besonders umweltunfreundlich ist.

„Petrochemische Alternativen wie Kunstleder, die als Reaktion auf die Herausforderungen der Tierlederproduktion und die damit verbundenen ethischen Bedenken immer beliebter werden, haben ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen, die mit der Gewinnung fossiler Brennstoffe, einer langen Abbaudauer und potenziellen Ausgasungsrisiken verbunden sind. Die Entwicklung besserer Alternativen ist in der heutigen ökologisch sensiblen Welt von entscheidender Bedeutung“, so Crawford.

Bisherige Lederalternativen – einschließlich Lederimitat aus Kunststoff – werden nach einiger Zeit brüchig, klebrig oder lösen sich in der Oberfläche auf, erklärt ein Kürschner gegenüber Epoch Times. Das sei kaum zu reparieren. Auch Kälte halten die veganen Leder bislang nicht stand. Wie robust und langlebig das neue Pilzleder im Vergleich zu traditionellem tierischen Leder ist, ist noch fraglich.

Die Studie erschien am 23. April 2024 im Fachmagazin „Research Directions: Biotechnology Design“.



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