
Studie: Menschliche Zellen können RNA-Sequenzen doch in DNA umschreiben
Tierische und menschliche Zellen können RNA-Sequenzen wieder in DNA umwandeln, ein Kunststück, das bislang von Viren bekannt ist. Zu diesem unerwarteten Ergebnis kommen Forscher aus den USA. Ihre Entdeckung verwirft ein lange gültiges Dogma in der Biologie und bringt neue Überlegungen mit sich – unter anderem zu SARS-CoV-2 und den mRNA-Impfstoffen.

Forscher zeigen, dass RNA in menschliche DNA eingebettet werden und das Erbgut verändern kann. (Symbolbild)
Foto: iStock
Zellen enthalten kleine „Maschinen“, sogenannte Polymerasen, die DNA kopieren können, um das Erbgut in neu gebildete Zellen weiterzugeben. Dieselben Polymerasen bauen auch RNA-Botschaften auf – Notizen, die aus dem zentralen DNA-Rezeptspeicher kopiert werden – damit sie effizienter für die Proteinproduktion abgelesen werden können.
Bislang galt in der Biologie der Grundsatz, dass Polymerasen in menschlichen Zellen nur in eine Richtung arbeiten, nämlich von DNA in DNA oder in RNA. Die umgekehrte Richtung, also RNA in DNA, kannte man bisher nur von Viren. Man ging davon aus, dass menschliche Zellen dadurch verhindern, dass RNA-Nachrichten wieder in das „Master-Rezeptbuch“ der genomischen DNA zurückgeschrieben werden. Zumindest Letzteres haben Forscher nun widerlegt. Ihre Studienergebnisse veröffentlichten sie Mitte Juni in der Fachzeitschrift „Science Advances“.
Darin erbringen die Forscher um Dr. Richard Pomerantz, außerordentlicher Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Thomas Jefferson University (Philadelphia, USA), den ersten Beweis, dass RNA-Segmente auch in menschlichen Zellen wieder in die DNA zurückgeschrieben werden können. Diese Entdeckung stellt möglicherweise das zentrale Dogma in der Biologie infrage.
„Diese Arbeit öffnet die Tür zu vielen anderen Studien. Sie werden uns helfen, die Bedeutung eines Mechanismus zur Umwandlung von RNA-Nachrichten in DNA in unseren eigenen Zellen zu verstehen“, so Dr. Pomerantz. „Die Tatsache, dass eine menschliche Polymerase dies mit hoher Effizienz tun kann, wirft viele Fragen auf.“
Zum Beispiel, so die Forscher weiter, legt dieser Befund nahe, dass RNA-Botschaften als Vorlagen für die Reparatur oder das Neuschreiben genomischer DNA verwendet werden können. Es hat zudem weitreichende Auswirkungen auf viele Bereiche der Biologie, einschließlich der mRNA-Corona-Impfstoffe.
RNA-Mechanismen wie bei HIV: fehleranfällig, aber mutationsfreudig
Gemeinsam mit dem Erstautor der Studie, Gurushankar Chandramouly, und anderen Mitarbeitern untersuchte Dr. Pomerantz zunächst eine sehr ungewöhnliche Polymerase, die Polymerase theta (Polθ).
Dazu sei gesagt, von den 14 bekannten DNA-Polymerasen in Säugetierzellen verrichten nur drei den Großteil der Arbeit bei der Verdopplung des gesamten Genoms, um die Zellteilung vorzubereiten. Die restlichen elf sind hauptsächlich mit der Erkennung und Reparatur von Brüchen oder Fehlern in den DNA-Strängen beschäftigt.
Auch Pol theta repariert DNA. Sie ist aber dafür bekannt, viele Fehler oder Mutationen zu machen. Den Forschern fiel auf, dass Pol theta einige der „schlechten“ Eigenschaften mit einem anderen zellulären Mechanismus teilt. Diese sogenannte Reverse Transkriptase kommt jedoch eher in Viren vor.
Wie Pol theta arbeitet die Reverse Transkriptase von Viren wie HIV als DNA-Polymerase. Verschiedene Viren nutzen diesen Mechanismus, um ihre eigene RNA in DNA umzuschreiben. Damit können sie ins menschliche Erbgut gelangen, wo RNA nicht hinkommen könnte.
Auf Umwandlung von RNA in DNA spezialisiert
In einer Reihe von Experimenten verglichen die Forscher die Polymerase theta mit der Reversen Transkriptase von HIV. Letztere ist eine der am besten untersuchten ihrer Art. Dabei zeigten Dr. Pomerantz et al., dass die Polymerase theta in der Lage war, RNA-Nachrichten in DNA umzuwandeln. Überraschenderweise war sie darin genauso gut wie die Reverse Transkriptase von HIV. Dabei machte sie laut den Forschern „einen besseren Job“ als bei der Verdopplung von DNA.
Die Polymerase theta war effizienter und verursachte weniger Fehler, wenn sie eine RNA-Vorlage verwendete, um neue DNA-Botschaften zu schreiben, als bei der Duplizierung von DNA in DNA. Das deute darauf hin, dass diese Funktion ihr Hauptzweck in der Zelle sein könnte.
Mithilfe von Forschern der Universität von Südkalifornien und einem Verfahren namens Röntgenkristallographie untersuchten die Forscher zudem die Struktur von Pol theta. Bei der Definition fanden sie heraus, dass dieses Molekül in der Lage war, seine Form zu verändern, um das sperrigere RNA-Molekül aufzunehmen. Dieses Kunststück ist wiederum einzigartig unter den Polymerasen.
„Unsere Forschung legt nahe, dass die Hauptfunktion der Polymerase theta darin besteht, als reverse Transkriptase zu fungieren“, sagt Dr. Pomerantz.
„In gesunden Zellen könnte der Zweck dieses Moleküls in der RNA-vermittelten DNA-Reparatur liegen. In ungesunden Zellen, wie zum Beispiel Krebszellen, wird die Polymerase theta stark exprimiert und fördert das Wachstum der Krebszellen und die Resistenz gegen Medikamente“, so Dr. Pomerantz weiter. „Es wird spannend sein, weiter zu verstehen, wie die Aktivität der Polymerase theta auf RNA zur DNA-Reparatur und zur Proliferation von Krebszellen beiträgt.“
Erklärung für SARS-CoV-2-Fragmente in menschlicher DNA?
Diese neue Entdeckung könnte auch die Erklärung liefern, warum Forscher Abschnitte des Erbguts von SARS-CoV-2 in menschlicher DNA nachweisen konnten. Erste Studien dazu (Epoch Times berichtete), waren umstritten. Sie wurden von verschiedenen Wissenschaftlern unter anderen mit Vorwürfen, dass bei diesen Ergebnissen „gezielt nachgeholfen wurde“, kritisiert.
Einer der Gründe für die Debatte war, dass SARS-CoV-2 im Gegensatz zu anderen Viren wie HIV keine eigene Reverse Transkriptase besitzt. Angesichts der neuen Erkenntnisse gibt es eine weitere Möglichkeit. Mit Pol theta könnten menschliche Zellen selbst den Einbau der SARS-CoV-2-Erbgutfragmente vorgenommen haben. Ob und welche Zusammenhänge es dabei mit dem Phänomen Long-COVID oder Menschen gibt, die monatelang positiv auf COVID-19 getestet wurden, ist derzeit ungeklärt.
Auch Auswirkungen auf die Impfstoffe?
Das Dogma, das RNA nicht in DNA umgewandelt werden kann, berührt jedoch auch Impfstoffhersteller. Bislang galt auch hier, dass die verwendete Boten-RNA (mRNA) nicht in die DNA eingebaut werden kann. Angesichts der Ergebnisse der Forscher um Dr. Pomerantz, die einen fundamentalen Grundsatz der Biologie ins Wanken bringen, könnte dies auch neue Fragen zu Veränderungen des Erbguts durch Impfungen aufwerfen.
Ob und wie weit Pol theta auch diese mRNA aus den Corona-Impfstoffen verarbeiten kann, ist zurzeit völlig offen. Eine Übertragung der Ergebnisse – und möglicherweise von mRNA in DNA – außerhalb des Labors unter natürlichen Bedingungen muss erst erforscht werden. Ebenfalls unerforscht ist bislang, ob auch andere Polymerasen im menschlichen Körper dazu in der Lage sind.
(Mit Material der Thomas Jefferson University)
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