Älteste DNA lüftet Geheimnis von blühendem Leben in der Arktis

Fast doppelt so alt und voller Überraschungen: Die kaum sichtbaren DNA-Fragmente zeigen ein blühendes Ökosystem weit nördlich des Polarkreises.
Rekonstruktion der Arktis
Zeichnerische Rekonstruktion der Arktis vor zwei Millionen Jahren.Foto: Beth Zaiken
Von 21. Dezember 2022

Vor zwei Millionen Jahren war die Arktis ein völlig anderer Ort. So durchstreiften Rentiere, Hasen, Lemminge und Waldelefanten die grüne, von Wiesen, Birken und Pappeln bedeckte Polarregion. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Universität Kopenhagen (Dänemark) in ihrer aktuellen Studie.

Gleichzeitig gelang ihnen damit der Nachweis der mit rund zwei Millionen Jahren bislang ältesten DNA weltweit. Diese ist somit doppelt so alt wie der bisherige Rekord, welchen Forscher 2021 aus den Knochen eines sibirischen Mammuts entnahmen.

Mit der neu entdeckten DNA gelang es den Wissenschaftlern, die Pflanzen- und Tierwelt der Arktis vor zwei Millionen Jahren zu rekonstruieren. Zudem sei es möglich, den Einfluss der Klimaveränderungen besser zu verstehen, die sich in den folgenden tausend Jahren von einer wärmeren Phase hin zur Eiszeit vollzogen haben.

Unsichtbares finden

Insgesamt sammelten die Forscher unter der Leitung der Professoren Eske Willerslev und Kurt Kjær 41 brauchbare Proben aus eiszeitlichen Sedimenten im Norden Grönlands. Die mikroskopisch kleinen DNA-Fragmente waren in Ton und Quarz versteckt und mussten von den Forschern in aufwendiger Arbeit entnommen werden.

„Endlich konnten wir ein neues Kapitel aufschlagen, das sich über eine Million Jahre erstreckt. Und zum ersten Mal können wir einen Blick auf die DNA eines vergangenen Ökosystems werfen, das so weit in der Vergangenheit liegt“, zeigt sich Willerslev begeistert von dem Glücksfund. „DNA kann sich schnell zersetzen. Wir haben aber gezeigt, dass wir unter den richtigen Umständen weiter in der Zeit zurückgehen können, als man es sich je hätte vorstellen können.“

Welche besonderen Umstände für die Erhaltung so alter DNA nötig waren, erklärt Kjær: „Die alten DNA-Proben lagen tief in Sedimenten vergraben, die sich im Laufe von 20.000 Jahren bildeten. Diese wurden schließlich im Eis oder im Permafrostboden konserviert – und, was entscheidend ist, zwei Millionen Jahre lang nicht vom Menschen gestört.“

Die Detektivarbeit von 40 Forschern aus Dänemark, England, Frankreich, Schweden, Norwegen, den USA und Deutschland führte schließlich zur Entschlüsselung der Geheimnisse in den alten DNA-Fragmenten. Nachdem die DNA entnommen war, verglichen die Forscher jedes einzelne DNA-Fragment mit umfangreichen DNA-Bibliotheken, die von heutigen Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen gesammelt wurden.

Zeichnerische Rekonstruktion der Arktis vor zwei Millionen Jahren. Foto: Beth Zaiken

Eine grüne, eisfreie Arktis

Nach den gesammelten Proben war die Arktis während des späten Pliozäns und frühen Pleistozäns (vor 3,6 bis 0,8 Millionen Jahren) von Bäumen, Sträuchern und Kräutern bedeckt und ähnelte landschaftlich heutigen Tundren und nordeuropäischen Wäldern. Das Klima schwankte zwischen arktisch und gemäßigt und war 10 bis 17 Grad Celsius wärmer als das heutige Grönland. Somit herrschte dort ein Klima, das demjenigen ähnelt, das für die künftige Erwärmung vorhergesagt wird – jedoch mit deutlich niedrigeren CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre.

„Das Ökosystem [in Grönland], für das es keine Entsprechung in der heutigen Zeit gibt, existierte bei wesentlich höheren Temperaturen, als wir sie heute haben.“, so der Studien-Coautor Prof. Mikkel Pedersen.

Ein Abgleich mit den DNA-Datenbanken ergab, dass unter anderem Rentiere, Hasen und Lemminge einst zwischen Lebensbäumen, Birken und Pappeln lebten. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass Mastodonten – eiszeitliche elefantenähnliche Säugetiere – bis nach Grönland wanderten. Bisher verortete man diese Art nur in Nord- und Mittelamerika. Unter den DNA-Fragmenten gab es jedoch auch wenige Proben von Arten, die nicht in den DNA-Bibliotheken des 21. Jahrhunderts zu finden waren.

Besonders interessant für die Forscher ist die Entwicklung der heutigen arktischen Tiervielfalt im Hinblick auf die vorhergesagte, künftige Erwärmung. „Eine zentrale Frage ist, inwieweit die Arten in der Lage sind, sich an den erheblichen Temperaturanstieg anzupassen. Unsere Daten legen nahe, dass sich mehr Arten entwickeln und an stark schwankende Temperaturen anpassen können, als bisher angenommen wurde. Entscheidend ist jedoch, dass sie dafür Zeit brauchen.“ Für die Forscher gehe die heutige Erderwärmung zu schnell vonstatten, sodass Tiere und Pflanzen die benötigte Zeit nicht hätten.

Die Studie erschien am 8. Dezember 2022 im Fachblatt „Nature“.



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