Forscher: Eiszeitmenschen aus Schöningen setzten Holzwaffen bei der Jagd ein

Eiszeitmenschen waren vermutlich einst geschickte Jäger gewesen. Bei ihren Beutezügen griffen sie nach Überzeugung von Tübinger Forschern auf ein umfangreiches Arsenal von Holzwaffen zurück.
Holzwaffen zur eiszeitlichen Jagd
Die Eiszeitjäger setzten den Wurfstock möglicherweise zur Jagd auf Wasservögel ein.Foto: Benoit Clarys
Von 21. April 2020

Die eiszeitlichen Jäger waren geschickt, hocheffizient und verwendeten ein Arsenal verschiedener Holzwaffen. Dies zeige ein rund 300.000 Jahre alter „Wurfstock“ aus der Freilandfundstelle Schöningen in Niedersachsen. Diesen bargen Archäologen vom Senckenberg-Zentrum für menschliche Evolution und Paläoumwelt der Universität Tübingen und der Universität Liége (Belgien) und analysierten ihn anschließend im Detail.

Laut den Forschern habe vermutlich unser früher Vorfahre Homo heidelbergensis die Holzwaffe verwendet. So soll er mit dem Holz Wasservögel gejagt und größere Säugetiere vor sich hergetrieben haben. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Studienergebnisse im Fachmagazin Nature Ecology & Evolution.

Die berühmten Holzwaffen aus Schöningen

Bereits vor 300.000 Jahren hätten Jäger unterschiedliche hochwertige Holzwaffen wie Wurfstöcke, Speere und Lanzen in Kombination eingesetzt, erklärt Professor Nicholas Conard in einer Pressemitteilung.

Nur dank der fabelhaft guten Erhaltungsbedingungen in wassergesättigten Seeufersedimenten in Schöningen können wir die Evolution der Jagd und die vielfältige Nutzung von Holzwerkzeugen dokumentieren.“

Der Wurfstock stammt aus der Fundschicht 13 II-4, aus der Archäologen bereits in den 1990er Jahren immer wieder sehr gut erhaltene Holzfunde ausgruben. Unter den Funden seien neben Wurfspeeren auch eine Stoßlanze und andere Holzwerkzeuge bislang ungeklärter Funktion.

Wie fast alle diese Funde ist auch der neue Wurfstock aus Fichtenholz gefertigt. Zudem ist er 64,5 Zentimeter lang, hat in der Mitte einen maximalen Durchmesser von 2,9 Zentimetern und wiegt 264 Gramm. Außerdem besitzt er einen asymmetrischen Querschnitt. Dabei ist eine Seite leicht gebogen und die andere relativ flach.

Ein 300.000 Jahre alter Wurfstock ist 2016 in Niedersachsen gefunden worden. Foto: Alexander Gonschior/Universität Tübingen/dpa/dpa

Jagd nach Wasservögel und Pferden?

Weiterhin sollen die Archäologen Gebrauchsspuren an der Holzwaffe entdeckt haben. Diese sollen nach Angaben der Forscher Hinweise auf die Herstellung und Verwendung der Holzwaffe geben. So schnitten die Eiszeitmenschen die Astansätze ab und glätteten sie. Zudem sollen Einschlagspuren im mittleren Bereich Beschädigungen an australischen und tasmanischen Wurfhölzern ähneln. Laut den Wissenschaftlern liefere dieser Fund zum ersten Mal klare Belege für die Funktion eines solchen Gerätes.

Obwohl Wurfstöcke um ihren eigenen Schwerpunkt rotieren, haben sie eine andere Flugbahn als ein Bumerang und kehren nicht zum Werfer zurück. Vielmehr seien sie dafür gemacht, sich in eine lineare Richtung zu bewegen. Durch die Rotation ließe sich dann eine hohe Treffgenauigkeit erreichen, erklärt Dr. Jordi Serangeli, Grabungsleiter in Schöningen.

Ausgrabungsstätte der Holzwaffen

Blick über die Ausgrabungen in Schöningen. Foto: Jordi Serangeli

„Sie sind effektive Waffen über verschiedene Entfernungen, unter anderem bei der Jagd auf Wasservögel.“ Knochen von Schwänen und Enten seien aus der Fundschicht gut belegt.

„Zudem ist es wahrscheinlich, dass mit dem Wurfstock größere Säugetiere, wie beispielsweise Pferde, die häufig am Schöninger Seeufer gejagt wurden, aufgeschreckt und in eine bestimmte Richtung getrieben wurden.“ In Experimenten hätten Wurfstöcke, die in Gewicht, Form und Größe vergleichbar seien, eine Höchstgeschwindigkeit von rund 30 Metern pro Sekunde erreicht.

Vergleiche mit heutigen Völkern

Die Verwendung von Wurfstöcken bei der Jagd, sogenannte „rabbit sticks“ oder „killing sticks“, ist bereits aus Nordamerika, Afrika und Australien bekannt. „Die durch die Ethnologie dokumentierten Reichweiten messen dabei […] Distanzen zwischen fünf bis 30 Metern [und] mehr als 100 Metern“, sagt Dr. Gerlinde Bigga von der Universität Tübingen.

„Die Chancen, bei der Ausgrabung paläolithischer Fundstätten Artefakte aus Holz zu bergen, sind normalerweise verschwindend gering“, ergänzt Nicholas Conard. „Die Fundstelle Schöningen liefert bemerkenswerterweise mit Abstand die zahlreichsten und bedeutendsten paläolithischen Holzwerkzeuge und Jagdwaffen.“

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