Die Entdeckung von C14: Die Neuordnung der Vergangenheit

Egal, ob alte Korallen, längst gefällte Bäume, untergegangene Schiffe oder ausgegrabene archäologische Funde wie Mumien und verkohlte Körner: Wissenschaftler können für viele Entdeckungen ein exaktes Alter angeben. Eines dieser berühmten Beispiele ist Ötzi, der Mann aus dem Eis. Sein Alter konnten Archäologen dank einer Radiokohlenstoffdatierung – auch C14-Datierung genannt – auf 3.258 ± 89 vor Christus bestimmen.
Doch wie funktioniert die Radiokohlenstoffdatierung? Wer hat sie, wann erfunden und worauf muss geachtet werden, damit keine falschen Messungen die Wissenschaft verdrehen? Ein Blick auf eine moderne Messmethode, die die Geschichte revolutionierte.
Ein außerirdisches Geschenk für die Wissenschaft
Der US-amerikanische Physiker Serge Alexander Korff war in den 1930er-Jahren sehr beschäftigt. Neben seinen Tätigkeiten an der Princeton University begann er mit der langwierigen Suche nach den Geheimnissen von energiereichen Teilchen. Diese sind Teil der kosmischen Strahlung und reisen durch den Weltraum, bis sie in unsere Erdatmosphäre eindringen. Für seine Forschung besuchte Korff zahlreiche Observatorien in den USA, Peru, Brasilien und Britisch-Guayana.

Der US-amerikanische Physiker Serge Alexander Korff hat das Kohlenstoff-Isotop C14 entdeckt. Foto: Los Angeles Times, Wikimedia Commons | CC BY 4.0
Im Jahr 1939 gelang ihm der entscheidende Durchbruch: Mithilfe eines Messgerätes, das an einem Heliumballon befestigt war, spürte Korff Neutronen aus kosmischer Strahlung in der Erdatmosphäre auf.
Gleichzeitig entdeckte Korff, dass diese Neutronen zusammen mit dem in der Atmosphäre vorherrschenden Stickstoff-Isotop N14 reagieren. Der US-amerikanische Physiker stellte die Theorie auf, dass bei diesem Aufeinandertreffen das Kohlenstoff-Isotop C14 entstehen müsse.

Das radioaktive und instabile Kohlenstoff-Isotop C14 entsteht in der Erdatmosphäre durch kosmische Strahlung. Foto: kms/Epoch Times
Eine Weltneuheit, denn Kohlenstoff-14 (kurz C14) war bis dato unbekannt. Das verwandte Isotop C13 war dagegen bereits zehn Jahre früher entdeckt worden. Doch jetzt, wo es C14 zumindest in der Theorie gab, wollten die Physiker dieses Kohlenstoff-Isotop genauer erforschen.
C14: Ein radioaktives Schaf der Isotopen-Familie
Da es sich mit der damaligen wissenschaftlichen Technologie als unmöglich erwies, C14 in der Natur tatsächlich nachzuweisen, beschlossen die beiden US-amerikanischen Physiker Martin Kamen und Samuel Ruben im Jahr 1939, das Isotop künstlich herzustellen.
Nach ihrem einjährigen Versuch gelang Kamen und Ruben am 27. Februar 1940 der handfeste Nachweis, dass das Kohlenstoff-Isotop C14 tatsächlich existiert. Dieses instabile und radioaktive Isotop besaß acht Neutronen und sechs Protonen.
Außerdem entdeckten die beiden Physiker, dass C14 eine Halbwertszeit von etwa 5.700 Jahren hat – später korrigiert auf 5.730 ± 40 Jahre. Dies bedeutet, dass sich in dieser Zeit die Hälfte der Atome einer Probe in andere Atome umwandelt, ein Prozess, der heute als „radioaktiver Zerfall“ bekannt ist.
Mit dieser Entdeckung hat die Kohlenstoff-Isotopen-Familie Zuwachs bekommen, denn bis dato waren den Wissenschaftlern hauptsächlich die beiden stabilen und nicht radioaktiven Kohlenstoff-Isotope C12 und C13 bekannt.
Am häufigsten tritt C12 auf. Es macht 98,93 Prozent des Kohlenstoffs auf der Erde aus. Kohlenstoff-13 mit seinen sieben Neutronen und sechs Protonen macht 1,1 Prozent des Kohlenstoffs auf der Erde aus.
Wenn man die Prozentsätze bedenkt, könnte man meinen, dass auf der Erde kein Platz mehr für C14 ist. Tatsächlich aber macht es 0,0001 Prozent des Kohlenstoffs auf der Erde aus. Die Entdeckung von C14 war indes nur der Anfang. In den nächsten fünf Jahren sollte diese Forschung aufgrund des Zweiten Weltkriegs jedoch vorerst zum Erliegen kommen.

Insgesamt hat Kohlenstoff 15 Isotope – von C8 bis C23. Für die C14-Datierung sind nur die Isotope C12, C13 und C14 relevant. Foto: nach ttsz/iStock
Aus Ideen wurden Beweise
Nach Kriegsende im Jahr 1945 widmeten sich zahlreiche Physiker wieder dem Kohlenstoff-14, das sich immer noch als schwer fassbar erwies. Doch ein Physiker – Willard Libby – ließ sich nicht einschüchtern und war vielmehr inspiriert von den früheren Entdeckungen.
Libby widmete sich dem Studium des Kohlenstoff-Isotops und machte seine eigenen theoretischen Vorhersagen zu seinem radioaktiven Zerfall. So stellte er im Jahr 1946 die Theorie auf, dass das natürlich in der Atmosphäre vorkommende C14 in jedem Lebewesen zu finden sein muss – schließlich atmen alle die Isotopen-reiche Luft ein.

Der US-amerikanische Physiker Willard Libby hat die Radiokohlenstoffdatierung erfunden. Foto: unknown, Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0
Doch Libby ging noch einen Schritt weiter: Da C14 radioaktiv ist und eine sehr lange Halbwertszeit hat, sowie seine Konzentration – so die Annahme des Physikers – über tausend Jahre konstant ist, wäre es außerdem möglich, das Alter von Organismen zu bestimmen: Die Idee der Radiokohlenstoffdatierung war geboren.
Doch es gab ein Problem. Seine Theorie basierte auf einem Kohlenstoff-Isotop, das bislang nicht in natürlicher Form entdeckt wurde. Libby stützte einen Teil seiner Theorie auf Korffs theoretische Berechnung. Da es aber keine Technologie gab, die empfindlich genug war, um dieses spezielle Atom nachzuweisen, benötigte der Professor Hilfe.
Also bat er einen Nuklearchemiker, eine mit C14 angereicherte Methanprobe mit einem Geigerzähler zu untersuchen. Das Experiment glückte und Libby konnte die tatsächliche Existenz von natürlich vorkommendem Kohlenstoff-14 nachweisen.
Keine Zufälle mehr
Jetzt war es an der Zeit, seine Theorie der Radiokohlenstoffdatierung im realen Leben zu testen. Würde es möglich sein, die Lebensdauer von Organismen genau zu bestimmen? Sogar von Wesen, die vor der modernen Zivilisation lebten? Libby und seine Kollegen machten sich an die Arbeit, ein äußerst sensibles Nachweisgerät zu bauen.
Das Team konstruierte eine Apparatur mit einem Zylinder, der von Geigerzähler-Röhren umgeben war. Diese Röhren konnten feststellen, ob ein C14-Atom von dem Organismus im Zylinder stammte oder nicht. Der Apparat wurde mit Stahlblechen abgeschirmt, um die unerwünschte Außenstrahlung zu reduzieren. Würde die Strahlung in den Behälter eindringen, könnte sie die Probe kontaminieren und die Messung verfälschen. Nach vielen Versuchen funktionierte das System zuverlässig.
Nun konnte die erste Messung durchgeführt werden. Als Ausgangspunkt nahm Libby den Kohlenstoffkreislauf, der die Wechselwirkungen von Kohlenstoff mit Pflanzen, Tieren, Mikroben, Mineralien und der Atmosphäre darlegt. Ein wesentlicher Punkt ist dabei, dass Kohlenstoff hauptsächlich als gasförmiges CO₂ in der Luft vorliegt und ein geringerer Teil in Pflanzen, Ozeanen und Gesteinen gespeichert ist.
Libby stellte die These auf, dass ein Lebewesen mit seinem Tod umgehend vom Kohlenstoffkreislauf abgeschnitten wird. Dies ist gleichzeitig der Startzeitpunkt für die „Uhr“ der Kohlenstoffdatierung, während das Lebewesen wie eine Art Zeitkapsel wirke.

Anreicherung von C14 im Organismus und der Zerfall des Isotops. Foto: kms/Epoch Times
Testen des Bekannten
Libbys Team entschied, dass es am besten sei, mit der Untersuchung von organischem Material zu beginnen, dessen Alter bereits bekannt war. Die ersten Proben waren deshalb Bäume: Mammutbaum und Tanne. Das Alter der Bäume ließ sich anhand ihrer Jahresringe leicht berechnen.
Zusätzlich entnahmen die Physiker eine Probe von der hölzernen Barke, auf der der ägyptische Pharao Sesostris III. laut Schriftquellen im Jahr 1839 vor Christus bestattet wurde. Libby und sein Team führten schließlich weitere Messungen an Artefakten durch und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Dezember 1949 in der Zeitschrift „Science“.
Die Autoren veröffentlichten auch ein Diagramm, das später „Kurve des Bekannten“ genannt wurde. Dies zeigte die Holzproben mit den bekannten Daten und dem Ergebnis der Radiokarbondatierung – ein bahnbrechender Erfolg.
„Selten hat eine einzelne Entdeckung in der Chemie eine solche Auswirkung auf das Denken in so vielen Bereichen menschlichen Strebens gehabt“, bemerkte der US-amerikanische Chemiker Kenneth Pitzer. „Selten hat eine einzelne Entdeckung ein so breites öffentliches Interesse hervorgerufen.“ Zum Dank wurde Libby 1960 für seine Radiokohlenstoffarbeit mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
Die „C14-Revolution“
Libbys Methode revolutionierte zahlreiche wissenschaftliche Bereiche, da Archäologen, Paläontologen und anderen Wissenschaftlern endlich ein Werkzeug zur Verfügung stand, das exakte Daten liefert.
Lange Zeit konnten Geschichtswissenschaftler nur sagen, dass etwas älter ist als ein anderer Gegenstand – was als relative Chronologie bekannt ist. Mit der C14-Datierung konnte nun das Alter von organischem Material auf ein Datum oder einen genauen Zeitraum festgelegt werden und ebnete den Weg zur sogenannten absoluten Chronologie.
Im Laufe des nächsten Jahrzehnts wurden weltweit mehr als 30 Radiokohlenstofflabore eingerichtet. Die Wissenschaftler waren im C14-Fieber, denn jetzt konnte das Alter von Artefakten – sofern die finanziellen Mittel für eine kostspielige Datierung vorhanden waren – zuverlässig und genau bestimmt werden. Von zahlreichen großen und bedeutenden Funden aus der Geschichte wurde nun das exakte Alter gemessen – oder doch nicht exakt? Denn Fehler schlummerten verborgen im Detail.

Mit der C14-Datierung ist es möglich, das Alter von Artefakten aus organischem Material zu bestimmen. Dazu zählen Knochen, Holz, verkohltes Essen oder Schriftrollen wie die Qumran-Handschriften. Foto: Gemeinfrei
Unsichtbares verzerrt Messungen
Lange Zeit galt Libbys Erfindung als genaueste Datierungsmethode. Doch mit der Zeit entdeckten Historiker Unstimmigkeiten zwischen den gemessenen C14-Daten und ihren Funden, sodass sich die Wissenschaftler auf die Suche nach den Ursachen machten.
Eine wesentliche Erkenntnis war, dass die Kohlenstoffkonzentration in der Atmosphäre nicht – wie Libby angenommen hatte – konstant war. Vielmehr gab es Einflüsse durch Mensch, Natur und Universum, die zu einem Schwanken der Konzentration führten. Folglich mussten alle Altersbestimmungen korrigiert werden.
Die gemessenen C14-Daten nannte man künftig „konventionelles C14-Alter“ und gab sie in der Einheit BP (engl. „before present“), also „vor heute“ an, wobei „heute“ auf das Jahr 1950 festgelegt wurde.
Eine Korrektur der Altersangabe – auch Kalibrierung – erfolgt inzwischen durch chronologisch geprüfte Daten aus Seesedimenten und Baumringen. Entsprechende Altersangaben werden mit „calBP“ angegeben.

Das konventionelle C14-Alter wird mit Daten aus Seesedimenten und Baumringen korrigiert. Foto: Gemeinfrei
Allerdings gab es noch weitere, unsichtbare Einflussfaktoren, die Wissenschaftler erst im Laufe der Zeit aufdeckten. Dazu zählen unter anderem der Kernwaffeneffekt, wonach der Einsatz von Atomwaffen kurzfristig die C14-Konzentration erhöht, oder der Reservoireffekt, bei dem Meerwasser nachweislich eine niedrigere C14-Konzentration hat als die Atmosphäre. Letzterer bewirkt, dass aquatische Lebewesen älter datiert werden, als sie sind. Dies gilt auch für Lebewesen, die hauptsächlich von Nahrung aus dem Meer leben.
C14 -Datierung misst Vorhandenes statt Fehlendes
Von 1945 bis 1980 wendeten Physiker bei der Radiokarbondatierung die radiometrische Technik an, wo sie das Verhältnis zwischen den Isotopen C12 und C14 maßen. Ab 1980 – mit der Einführung der Beschleuniger-Massenspektrometrie – konnten Isotope direkt und nicht ihr Zerfall gemessen werden.
Die neue Technik ermöglichte nicht nur deutlich genauere Messergebnisse, sondern auch viel kleinere Probenmengen. Statt den bisher benötigten mehreren Gramm Kohlenstoff waren dann nur noch einige Milligramm nötig.

Durch die Einführung der Beschleuniger-Massenspektrometrie konnten genauere Messergebnisse erzielt werden. Foto: Gemeinfrei
Mit den technologischen Neuerungen, dem Erkennen der kritischen Einflussfaktoren und ihrer Fehlerbehebung sind Radiokarbondatierungen heute viel zuverlässiger. Obwohl mit der C14-Datierung nur das Alter von relativ jungen Artefakten bestimmt werden – Holzproben bis 55.000 Jahre und Knochen bis 30.000 Jahre – ist die Methode dennoch eine große Bereicherung für die Wissenschaft und kommt in vielen Fällen zum Einsatz.
Mit Material von The Epoch Times.
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