CO₂ ist gut für die Zellen – schales Bier stellt Jahrzehnte der Zellforschung infrage

Chemiker aus den USA haben im Rahmen ihrer Studie entdeckt, wie Salze der Kohlensäure Zellen vor oxidativem Stress schützen können und stellen damit die jahrzehntelange Erforschung von Zellschäden infrage.
US-Chemiker erklären: „CO2 ist gut für die Zellen“
Chemiker von der University of Utah haben überraschend einen positiven Einfluss von Kohlenstoffdioxid auf menschliche Zellen entdeckt – und dies am Beispiel von Bier erklärt.Foto: cosmin4000, Andrei Apoev/iStock
Von 20. Dezember 2024

Die Zellen in unserem Körper sind wie geschäftige Städte, die mit einem eisenbetriebenen System arbeiten. Damit dieses System funktioniert, benötigt es Wasserstoffperoxid (H₂O₂). Dank der chemischen Verbindung lassen sich nicht nur Unordnung beseitigen, sondern auch wichtige Signale übermitteln.

Normalerweise funktioniert das gut, aber unter Stress, wie bei einer Entzündung oder einem hohen Energieverbrauch, schädigt oxidativer Stress die Zellen. Das liegt daran, dass Eisen und H₂O₂ in der sogenannten Fenton-Reaktion reagieren und Hydroxylradikale bilden. Diese zerstörerischen, elektrisch geladenen Moleküle greifen dann wahllos unsere DNA und RNA an. Aber es gibt Hoffnung:

In Gegenwart von Kohlenstoffdioxid – dem Gas mit schlechtem Ruf – erhalten unsere Zellen eine Geheimwaffe. Diese kommt in Form von Bikarbonat.

Schutz für Zellen

Bikarbonat ist dafür bekannt, den pH-Wert unseres Körpers im Gleichgewicht zu halten. Chemiker von der University of Utah haben nun entdeckt, dass Bikarbonat noch weit mehr kann – beispielsweise indem es die Fenton-Reaktion in den Zellen beeinflusst.

Anstatt chaotische Hydroxylradikale zu produzieren, erzeugt die Reaktion sogenannte Karbonatradikale, die die DNA „auf weit weniger schädliche Weise angreifen“, erklärt Cynthia Burrows, Professorin für Chemie.

„Bei so vielen Krankheiten […] ist oxidativer Stress eine wichtige Komponente. Dazu gehören viele Krebsarten, praktisch alle altersbedingten Krankheiten und viele neurologische Erkrankungen“, so Burrows. „Wir versuchen, die grundlegende Chemie der Zellen unter oxidativem Stress zu verstehen. Wir haben etwas über die schützende Wirkung von CO₂ gelernt, das meiner Meinung nach wirklich tiefgreifend ist.“

Ohne die Anwesenheit von Bikarbonat oder CO₂ ist auch die Chemie nachweislich eine andere. „Das entstehende Hydroxylradikal ist extrem reaktiv und trifft die DNA wie eine Schrotflinte, die überall Schäden verursacht“, so Burrows.

Im Gegensatz dazu zeigen die Ergebnisse ihres Teams, dass die Anwesenheit von Bikarbonat aus gelöstem CO₂ die Reaktion so verändert, dass ein Karbonatradikal entsteht. Statt aller organischen Basen unserer Ribonukleinsäure (RNA) greift das Radikal nur das Guanin (G) an. Die anderen drei, Adenin (A), Cytosin (C) und Uracil (U), bleiben unversehrt.

Was bedeutet dies für die Wissenschaft?

„Möglicherweise eine ganze Menge“, so die Forscher. Zunächst einmal zeigt die Entdeckung, dass Zellen viel intelligenter sind als bisher angenommen. Dies könnte unser Verständnis von oxidativem Stress und seiner Rolle bei Krankheiten wie Krebs oder Alterung verändern.

Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass Zellforscher ihre Laborexperimente bislang auf eine Art und Weise durchgeführt haben, die nicht der realen Welt entspricht. Dies würde die daraus gewonnenen Ergebnisse suspekt machen, so Burrows. Was genau die Chemieprofessorin damit meint, erklärt sie an dem Beispiel Bier.

Überall züchten Chemiker und Biologen Zellen in einer Gewebekultur in einem auf 37 Grad Celsius eingestellten Inkubator. In diesen Kulturen wird der Kohlenstoffdioxidgehalt auf fünf Prozent erhöht, was etwa 100-mal höher ist als die Konzentration in der Atmosphäre. Das erhöhte CO₂ stellt die Umgebung nach, in der die Zellen normalerweise leben, wenn sie Nährstoffe verstoffwechseln. Sobald die Zellen für Experimente entnommen werden, ändern sich jedoch die Bedingungen.

„Das ist so, als würde man eine Dose Bier öffnen. Man setzt das CO₂ frei, wenn man die Zellen aus dem Inkubator nimmt. Es ist, als würde man mit einem einen Tag alten Bier experimentieren. Es ist ziemlich schal, weil es das CO₂, seinen Bikarbonatpuffer, verloren hat“, so Burrows. „Man hat nicht mehr den Schutz des CO₂, um die Eisen-Wasserstoffperoxid-Reaktion zu modulieren.“

Damit bei solchen Experimenten realistische Bedingungen abgebildet werden können, müsste den entnommenen Zellen neues Bikarbonat hinzugefügt werden, plädiert Burrows. „Die meisten Leute lassen Bikarbonat weg, wenn sie die DNA-Oxidation untersuchen, weil es schwierig ist, mit dem ständigen Ausgasen von CO₂ umzugehen“, erklärt die Professorin.

Die Studie erschien am 27. November in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“.



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