Zu viel Schnee für den Ski-Weltcup: Das „wärmste Jahr seit Messbeginn“

2023 wird als das bislang wärmste Jahr seit Messbeginn in die Berichterstattung eingehen. An einen heißen Sommer werden sich jedoch die wenigsten Menschen erinnern. Die Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes lässt viele Fragen offen.
Das wärmste Jahr in der Statistik ermöglichte etlichen Skigebieten einen Traumstart. Für den Weltcup war es sogar zu schneereich. Mehrere Rennen mussten abgesagt werden.
Das wärmste Jahr in der Statistik ermöglichte etlichen Skigebieten einen Traumstart. Für den Weltcup war es sogar zu schneereich. Mehrere Rennen mussten abgesagt werden.Foto: iStock
Von 30. Dezember 2023

Deutschland erlebte 2023 „das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“, sind sich die deutschen Nachrichtenagenturen einig und berufen sich dabei mehrheitlich auf den Deutschen Wetterdienst (DWD) sowie andere meteorologische Quellen.

Sowohl in den Sozialen Medien als auch am Stammtisch ist man sich weniger einig und bezeichnet vor allem den Sommer als zu kühl und zu nass. Ob diese subjektive Empfindung sich in den Daten spiegelt, bleibt zunächst offen. Eine genauere Betrachtung ist jedoch auch bezüglich der offiziellen Berichte angebracht.

Eine „Topnews“, 280 Zeichen, viele offene Fragen

Dass das Thema Klimaveränderung in den Nachrichten omnipräsent ist, zeigt die Anzahl der entsprechenden Meldungen auch in diesem Fall. So schickten die verschiedenen Nachrichtenagenturen am 27.12.2023 über ein Dutzend Meldungen über das „wärmste Jahr“. Die ersten basierten dabei auf einem Social-Media-Beitrag des Deutschen Wetterdienstes. Dieser verkündete auf X, früher Twitter:

Bereits die Kommentare unter dem Beitrag zeigen, dass die „Topnews“ umstrittener ist, als in vielen Medien dargestellt. Verwiesen wird unter anderem auf die Erdgeschichte, das sogenannte Holozäne Maximum und die letzte, „Kleine Eiszeit“. Ihr Ende stellt zugleich den vom DWD beiläufig erwähnten Messbeginn dar.

Die insgesamt 279 Zeichen umfassende Kurznachricht hinterlässt jedoch weitere Fragen: Was sagt die Jahresmitteltemperatur aus? Wie wird sie ermittelt? An welchen Wetterstationen? Und warum verwendet der DWD die international nicht mehr gültige Referenzperiode 1961–1990?

Hinter der Statistik

Die Jahresmitteltemperatur ist weder fühl- noch messbar. Sie ist wie das Klima und die globale Durchschnittstemperatur eine rein statistische Größe und beruht laut DWD auf ersten Auswertungen der Ergebnisse von rund 2.000 Messstationen des Wetterdienstes. Für die drei letzten Tage des Jahres wurden Prognosen verwendet.

Diese Auswertungen liegen zum aktuellen Zeitpunkt bisher nicht vor, sodass eine unabhängige Überprüfung nicht möglich ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Auswertung des DWD mathematisch korrekt ist. Unberücksichtigt bleiben mitunter systematische Fehler. Beispielsweise ändern sich die Messwerte, wenn Wetterstationen verrückt oder in ihrer Nähe etwas gebaut wird. Ebenso beeinflussen neue und stillgelegte Stationen die Werte.

Warum der DWD die ältere Referenzperiode verwendet, kann nur der Wetterdienst selbst beantworten. Frühere Anfragen der Epoch Times diesbezüglich blieben unbeantwortet. Laut Weltorganisation für Meteorologie gilt seit Anfang des Jahres 2021 international der jüngere Zeitraum von 1991 bis 2020 als Vergleich, bei dem die Unterschiede im Regelfall weniger stark aus- und auffallen.

Das „wärmste Jahr“ zu kalt für Wintersport

Zurück zum Wetter: In den für den 29.12. angekündigten Details bestätigte der DWD seine vorläufige Jahresbilanz. Das – noch nicht beendete – Jahr „2023 war in Deutschland das wärmste seit Messbeginn 1881“. Dazu erklärte Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt, am Freitag in Offenbach: „2023 war weltweit ein neues Rekordjahr der Temperatur“. Der Klimawandel gehe „ungebremst“ weiter, warnte er.

Dass sowohl global als auch in Deutschland im Jahresverlauf eine Vielzahl an Kälterekorden gebrochen wurde, bleibt unerwähnt. Im norwegischen Oslo blieben Mitte Dezember, weil es zu kalt war, die E-Busse liegen und zu viel Schnee führte zur Absage gleich zweier Weltcup-Rennen: dem Männer-Slalom in Val d’Isere (Frankreich) und dem Super-G der Frauen in St. Moritz (Schweiz).

Es sei bereits der siebte (Männer) beziehungsweise dritte (Frauen) Rennausfall einer „spektakulär schneereichen Saison“. Jenseits des Profisports verhilft das Wetter Skigebieten in ganz Europa zu einem „Traumstart“.

0,1 Grad wärmer, aber viel nasser

2023 werde nun mit einer Jahresmitteltemperatur von 10,6 Grad Celsius den bisherigen Rekord brechen. Den bisherigen Titel „das wärmste Jahr“ teilten sich zuletzt 2022 und 2018 mit jeweils 10,5 Grad im Mittel, dahinter kommt 2020 mit durchschnittlich 10,4 Grad.

Während die Nachrichtenagenturen an dieser Stelle vor allem den Vergleich mit der vom DWD zuerst genannten Referenzperiode 1961 bis 1990 aufgreifen, veröffentlicht der Wetterdienst auch die Abweichung von der neueren Vergleichsperiode 1991 bis 2020: Statt + 2,4 Grad Celsius beträgt dieser jedoch nur + 1,3 Grad Celsius.

Statistisch trugen vor allem „ein rekordmilder Jahresbeginn und der anschließende Winterausfall“ zur höchsten Jahresmitteltemperatur bei. Sommerlich warm war es im Juni und Juli. Ein warmer September und Oktober verlängerten jedoch das T-Shirt-Wetter, bevor im November ein sehr regnerischer Herbst einsetzte und ab Anfang Dezember zweistellige Kälte und Schnee unter anderem für Flugausfälle sorgten.

Jahresmittelwerte und Temperaturunterschiede von 0,1 Grad sind für die meisten Menschen wenig nachfühlbar. In vielen Köpfen bleibt daher eher der Eindruck eines zu nassen Jahres hängen. Zu Recht: Mit rund 958 Litern pro Quadratmeter (l/m²) fiel 2023 etwa 20 Prozent mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel – sowohl dem aktuell (791 l/m²) gültigen als auch dem früheren (789 l/m²). Im vielfach als zu trocken bezeichneten Jahr 2022 fielen etwa 670 l/m².

Mehr Niederschläge als üblich fielen laut DWD 2023 ganzjährig, Ausnahmen bilden die Monate Februar, Mai, Juni und September. Entlang der Alpen und einigen Gebirgen fielen mehr als 2.000 l/m², hingegen blieb der Nordosten der Republik mit weitverbreiteten Mengen um 600 l/m² vergleichsweise „trocken“. Schneeschmelze und Niederschläge ließen zum Jahresende vielerorts Bäche und Flüsse über die Ufer treten.

Schnee und Kälte werden nicht immer weniger

Weiße Weihnachten sind übrigens statistisch eher die Ausnahme, denn die Regel. 2009 schrieb der DWD: „In München ist die Chance, an allen drei Festtagen durch Schnee zu stapfen, im Vergleich der größeren Städte noch am höchsten. In der bayerischen Hauptstadt liegt im Mittel etwa alle drei Jahre vom 24. bis 26. Dezember eine geschlossene Schneedecke.“

In Dresden könne man alle vier bis fünf Jahre, in Hamburg alle neun und in Frankfurt am Main oder Aachen immerhin alle zehn Jahre mit Schnee über die Feiertage rechnen. Weiße Weihnachten in ganz Deutschland habe es zuletzt 1981 gegeben. Davor jedoch auch nicht häufiger, wie Destatis 2016 mitteilte.

Die zugrunde liegende Auswertung von wetter.com zeigte, dass das Weihnachtswetter in Deutschland eher von einer milden West- oder Südwestwetterlage geprägt ist. Statt viel Schnee hatten Weihnachtsferien in den vergangenen Jahren mit Temperaturen „örtlich bis an die 20-Grad-Marke“ „einen Hauch von Pfingsten“. – Die höchsten Weihnachtstemperaturen gab es 2013 in Piding im oberbayerischen Landkreis Berchtesgadener Land mit 19,3 Grad.

Die Aussage „Früher gab es noch viel öfter weiße Weihnachten“ verneinen die Autoren deutlich. Ein Blick in die Statistik zeige, dass weiße Weihnachten in den vergangenen 100 Jahren „nicht seltener geworden sind“.

Noch ein Fakt am Rande: Auf der Liste der weltweit wärmsten Länder steht Deutschland auf Platz 188 (von 217). Angeführt wird diese Liste von Burkina Faso mit einer Jahresdurchschnittstemperatur 2021 von 30,01 Grad Celsius. Am anderen Ende friert Grönland bei -17,56 Grad. Bezogen auf die 119 Länder mit Messwerten von Extremtemperaturen steht Deutschland auf Platz 16 – der kältesten Länder. Unter den Wärmsten belegt die Bundesrepublik Platz 76.

Immer mehr Sonnenschein?

Indes teilte der DWD mit, dass die Sonnenscheindauer ihr Soll „überragte“. Hierbei beziehen sich die Meteorologen wiederum auf den Zeitraum 1961 bis 1990 mit durchschnittlich 1.544 Sonnenstunden. Mit einem „sehr sonnigen Juni und September sowie sehr trüben November“ komme 2023 auf 1.764 Stunden Sonnenschein, mehr im Norden, weniger in den Mittelgebirgen. Damit war das Jahr „um fast 15 Prozent“ sonniger.

Im Vergleich zur neueren Referenzperiode beträgt „die positive Abweichung rund fünf Prozent“. Dass es 2022 über 2.000 Sonnenstunden und damit über 15 Prozent mehr als 2023 gab, bleibt unerwähnt. Ebenso kam das „natürliche Klimaphänomen“ El Niño beim DWD nicht zu Sprache. Einen möglichen Zusammenhang zwischen weniger Wolken, mehr Sonnenschein und steigenden Temperaturen stellte der Wetterdienst nicht her.

Mit Material der Nachrichtenagenturen



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