Affen lebten vor 52 Millionen Jahren in der völligen Dunkelheit der Arktis

Normalerweise leben Affen in den Tropen, heute zumindest. Vor Millionen Jahren lebten sie auch weiter im Norden, viel weiter. Paläontologen fanden jüngst zwei neue Arten – im äußersten Norden Kanadas.
Titelbild
Künstlerische Rekonstruktion von Ignacius dawsonae.Foto: Kristen Miller, University of Kansas
Von 6. Februar 2023

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Sie wogen gerade einmal zwei Kilogramm, sahen so ähnlich aus wie Eichhörnchen und durchsuchten die Arktis nach Samen und anderem Essbaren. Die Rede ist von zwei neu entdeckten Affenarten, die vor mehr als 50 Millionen Jahren in einer warmen, sumpfigen Arktis lebten. Wissenschaftler entdeckten ihre spärlichen Fossilien auf Ellesmere Island, dem nördlichsten Punkt des heutigen Kanada. Die beiden neu entdeckten Primaten haben einen gemeinsamen Vorfahren der Gattung „Ignacius“, weshalb sie die Namen „I. dawsonae“ und „I. mckennai“ erhielten.

Das Besondere an der Entdeckung: Die Tiere lebten einst im Zeitalter des Eozän und sind mit 52 Millionen Jahren die ältesten bekannten Lebewesen, die nördlich des Polarkreises lebten. Außerdem waren diese Tiere äußerst anpassungsfähig. So lebten sie eine Hälfte des Jahres (während des polaren Winters) in völliger Dunkelheit, während in der zweiten Hälfte des Jahres nie die Sonne unterging.

Verglichen mit heutigen Primaten ähneln sie am ehesten Lemuren und Riesengleitern, die in tropischen Regionen beheimatet sind. „Kein Verwandter der Primaten wurde jemals in solch extremen Breitengraden gefunden. Normalerweise findet man sie eher in tropischen Regionen rund um den Äquator“, sagte die Biologin und Studienautorin Kristen Miller Ende Januar in einer Pressemitteilung. Doch tatsächlich besaß ein Vorfahre der beiden Affenarten scheinbar den Mut, dorthin zu gehen, wo noch kein Primat zuvor gewesen war.

Die nächsten, lebenden Verwandten der fliegenden Affen der Arktis. Foto: iStock, Zuschnitt: Epoch Times

Auf den Zahn gefühlt

All diese Erkenntnisse basieren derzeit auf der Analyse versteinerter Kiefer und Zähne. „In der Paläontologie schauen wir uns vor allem die Zähne an – sie sind am besten erhalten“, erklärt Miller. Beide Affen weisen robuste Zähne und starke Kiefer auf, die Rückschlüsse auf eine harte oder zähe Nahrung zulassen. Die größte Herausforderung für Tiere, die so weit im Norden leben, ist der Mangel an Nahrung. Unter solchen Bedingungen ist die Vegetation in den langen, dunklen Wintern wahrscheinlich karg gewesen, weshalb die Affen Samen oder Baumrinde fraßen. „Wir glauben, dass dies wahrscheinlich die größte körperliche Herausforderung für diese Tiere in der damaligen Arktis war“, sagte Chris Beard, Experte für alte Wirbeltiere.

Die Anpassungen an die nördlichen Breitengrade beschränken sich aber nicht nur auf den Kiefer. So waren die Affen auch viel größer als ihre südlichen Verwandten, die etwa die Größe von Streifenhörnchen hatten. „Zwei Kilogramm hört sich nicht sehr groß an, aber im Vergleich zu den Vorfahren dieser Tiere ist es ein Riese“, so Beard. Dies ist jedoch nicht besonders verwunderlich. So besagt die „Bergmannsche Regel“, dass Tiere umso größer sind, je weiter sie vom Äquator entfernt leben. Ein größerer Körper bietet demnach mehr Schutz in kälteren Regionen.

Wie genau die Tiere wirklich aussahen, ist derzeit nicht bekannt. Trotzdem haben die Forscher eine ungefähre Vorstellung: „Natürlich ist keine dieser Arten mit Eichhörnchen verwandt, aber ich denke, das ist das nächstgelegene Lebewesen, das uns hilft, uns vorzustellen, wie sie ausgesehen haben könnten“, erklärt Kristen Miller. Auch in ihrem Verhalten könnten sie den kleinen Nagern recht ähnlich gewesen sein. „Sie waren höchstwahrscheinlich sehr baumbewohnend – lebten also die meiste Zeit in den Bäumen“, ergänzt die Biologin.

Affen in der Arktis entdeckt

Künstlerische Rekonstruktion von Ignacius dawsonae. Foto: Kristen Miller, University of Kansas

Früher und heute

Für die Forscher zeigen die beiden entdeckten Arten, wie sich Primaten oder andere spezialisierte Tiere an wechselnde Bedingungen anpassen können. „Ich denke, das sagt aus, dass sich das Verbreitungsgebiet von Primaten […] ausweiten oder zumindest in Richtung der Pole und nicht in Richtung des Äquators verlagern könnte. Wenn es dort zu heiß wird, werden sich vielleicht viele Taxa nach Norden und Süden verlagern“, so Kristen Miller.

Das Eozän (vor 56 bis 33,9 Millionen Jahren) begann etwa zehn Millionen Jahre nach dem großen Massensterben der Dinosaurier und ebnete den Weg der Säugetiere. Während dieser Zeit bildeten sich in Nordamerika die Rocky Mountains und Grönland war mit dem nordamerikanischen Kontinent verbunden. Außerdem schwankte das Klima zwischen warm und feucht mit tropischen Regenwäldern und gemäßigt mit Steppen und Wäldern.

Die Studie erschien am 25. Januar 2023 im Fachblatt „PLOS ONE“.



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