Tempolimit auf Autobahnen: Langsamer fahren kostet bis zu 6,7 Milliarden Euro
Sauerkraut, Lederhosen und unbeschränkte Autobahnen machen Deutschland im Ausland aus. Zumindest Letzteres könnte bald der Vergangenheit angehören. Politiker verschiedener Fraktionen und Verbände fordern ein generelles Tempolimit von 130 km/h oder langsamer.
Sowohl das Umweltbundesamt als auch der Verkehrsclub Deutschland sehen darin eine Möglichkeit, die Emissionen des Verkehrs „ohne nennenswerte Mehrkosten“ zu verringern.
Ulrich Schmidt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft spricht hingegen von Kosten in Milliardenhöhe. Demnach sei ein generelles Tempolimit deutlich teurer als andere Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen – und daher sowohl aus umweltpolitischer als auch volkswirtschaftlicher Sicht abzulehnen.
„Klimaschutz zum Nulltarif“?
Schmidt bezieht sich in seiner Studie auf aktuelle Untersuchungen des Umweltbundesamts. Seinen Berechnungen liegen nach eigenen Angaben dieselben Zahlen für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zugrunde. Für LKW über 3,5 Tonnen gilt auf deutschen Autobahnen bereits ein flächendeckendes Tempolimit von 80 km/h.
Hauptargument der Befürworter eines Tempolimits für PKW sind die Emissionen, die bei höheren Geschwindigkeiten überproportional steigen. Der Luftwiderstand und damit die benötigte Antriebsleistung steigen quadratisch zur Geschwindigkeit. Analog steigt der Spritverbrauch und damit die Emissionen.
Das Umweltbundesamt beruft sich zur Berechnung der möglichen CO2-Einsparungen – andere Emissionen sind nicht aufgeführt – auf eine Analyse der Bundesanstalt für Straßenwesen. Schmidt fasst die Daten wie folgt zusammen:
Tempolimit in km/h |
Mittlere Geschwindigkeit in km/h |
eingesparte Emissionen in Mio t CO2 |
Wert der Emissionsreduktion in Mio Euro |
100 | 103,3 | 5,4 | 135,0 |
120 | 115,6 | 2,6 | 65,0 |
130 | 118,3 | 1,9 | 47,5 |
ohne | 124,7 | – | – |
Aus den sinkenden Durchschnittsgeschwindigkeiten ergibt sich eine Verringerung des Kraftstoffverbrauchs. Aus dieser berechnete das Umweltbundesamt die Einsparung der Emissionen. Schmidt ergänzte die Tabelle um den Wert der Emissionsreduktion anhand des aktuellen CO2-Preises von etwa 25 Euro pro Tonne.
An dieser Stelle kommen Umweltbundesamt und Verkehrsclub Deutschland zu der Schlussfolgerung, „dass ein generelles Tempolimit auf Autobahnen Klimaschutz zum Nulltarif ermöglicht“. Im Gegenteil: Aufgrund des geringeren Verbrauchs sparen die Autofahrer sogar. Oder?
Dieser Schlussfolgerung widerspricht Schmidt vehement, denn Zeit ist Geld – und Zeit, die man auf der Autobahn verbringt, kann man nicht zum Arbeiten nutzen.
Je langsamer, desto teurer
Obwohl ein Tempolimit vor allem die Fahrer schneller Autos bremsen würde, ist davon auszugehen, dass der „Bleifuß-Tourismus“ nur einen Bruchteil der jährlich auf Autobahnen zurückgelegten Strecke ausmacht.
Unter der Voraussetzung, dass Autofahrer die Autobahnen – unabhängig von der erlaubten Geschwindigkeit nutzen – um von A nach B zu gelangen, bleibt die Jahresfahrleistung von etwa 270 Milliarden Kilometer konstant. Mit anderen Worten: Ein Tempolimit führt nicht zu weniger Verkehr, sondern vor allem dazu, dass Autofahrer länger unterwegs sind.
Diese Zeit kostet Arbeitgeber durchschnittlich 26,22 Euro pro Stunde. So hoch ist der durchschnittliche Bruttostundenlohn im ersten Quartal 2020. Denselben Betrag können Fahrer, die unterwegs sind, in dieser Zeit nicht verdienen.
Tempolimit in km/h |
Mittlere Geschwindigkeit in km/h |
Zeitverlust in Mio Stunden |
Wert des Zeitverlustes in Mio Euro |
100 | 103,3 | 321,3 | 8.459,8 |
120 | 115,6 | 98,5 | 2.593,5 |
130 | 118,3 | 65,0 | 1.711,5 |
offen | 124,7 | – | – |
Zusätzlich bewertete Schmidt die Einsparung der Kraftstoffe sowie die Verringerung der Zahl der Verkehrstoten. Dazu greift Schmidt wiederum auf Publikation des Verkehrsclubs und des Umweltbundesamtes zurück.
Jedes Tempolimit kostet Milliarden
Der Verkehrsclub geht davon aus, dass ein Tempolimit von 130 km/h etwa 80 von 356 Verkehrstoten retten könnte. Bei 100 km/h überlebten 148 Menschen. Die Rettungsdienste halten indes ein Tempolimit „zur Verbesserung der Sicherheit auf deutschen Autobahnen für nicht unbedingt nötig“.
Da für ein Tempolimit von 120 km/h keine Studien bezüglich der Verringerung der Zahl der Verkehrstoten existieren, verzichtet Schmidt auf die weitere Betrachtung dieses Tempolimits. Der unten in der Tabelle aufgeführte Wert ist eine Schätzung analog der Verringerung der mittleren Geschwindigkeiten durch die Tempolimits.
Eine monetäre Bewertung der geretteten Menschenleben sei laut Schmidt „aus moralischen Gründen befremdlich“, aber für die Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten erforderlich. Das Umweltbundesamt bezifferte diesen Wert im Rahmen einer anderen Studie aus dem Jahr 2015 mit 3,62 Millionen Euro. Schmidt rundet diesen Wert auf 4 Millionen Euro pro Person auf.
Aus dem Zeitverlust, den CO2– und Treibstoffeinsparungen sowie den geretteten Leben berechnet Schmidt anschließend die volkswirtschaftlichen Kosten verschiedener Tempolimits. Unter dem Strich sind weder 100, 120 noch 130 km/h aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Letzteres kostet nur knapp eine Milliarde Euro. Die Kosten für flächendeckende 100 km/h liegen laut Schmidt sogar bei über 6,7 Milliarden Euro – exklusive neuer Schilder, aber ohne mögliche Blitzer-Einnahmen.
Tempolimit in km/h |
Wert der Emissions-reduktion in Mio Euro |
Wert der geretteten Leben in Mio Euro |
Gesparter Treibstoff in Mio Euro |
Zeitverlust in Mio Euro |
Kosten für Tempolimit in Mio Euro |
100 | 135,0 | 592 | 998,5 | 8.459,8 | 6.734,3 |
120 | 65,0 | 450* | 480,8 | 2.593,5 | 1.597,7* |
130 | 47,5 | 320 | 351,3 | 1.711,5 | 992,7 |
* Schätzung der Redaktion auf Grundlage der Verringerung der Durchschnittsgeschwindigkeit.
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