Déjà-vu: Erneut Evergreen-Containerschiff auf Grund gelaufen
„Immer vorwärts“ lautet die Übersetzung des Schiffsnamens. Aktuell bewegt sich die „Ever Forward“ jedoch nimmer vorwärts, beziehungsweise überhaupt nicht. Das 12.000 TEU Containerschiff ist am Sonntagabend vor Baltimore im Osten der USA auf Grund gelaufen. Erste Bergungsversuche in der Chesapeake Bay sind gescheitert.
Die „Ever Forward“ wurde 2020 gebaut, ist etwa 60 Meter kürzer und lädt nur etwa halb so viele Container als die seit ihrer Havarie weltbekannte „Ever Given“. Obwohl die aktuelle Situation nicht mit der im Suezkanal vergleichbar ist, wird es wahrscheinlich nicht einfach sein, die „Ever Forward“ wieder flottzumachen.
Zwar können Schiffe in der Bucht 50 Kilometer östlich der US-Hauptstadt besser navigieren, das Schiff mit 13 Meter Tiefgang steckt jedoch in einem Teil der Bucht, der nur etwa sieben Meter Wassertiefe hat. Sollten Ebbe und Flut nicht reichen, das 120.000 Tonnen schwere Schiff anzuheben, müssen unter Umständen Treibstoff, Ladung oder Schlick entfernt werden – oder alles zusammen.
„Evergreen“ der Schiffshavarien
Die „Ever Given“ war am 23. März während eines Sandsturms im Suezkanal auf Grund gelaufen. Das 400 Meter lange und mehr als 220.000 Tonnen schwere Schiff steckte danach quer in dem engen Kanal fest und blockierte sechs Tage lang den Wasserweg zwischen Rotem Meer und Mittelmeer. Am 29. März wurde dann das Heck des Schiffes freigelegt, später konnte auch der Bug befreit werden.
Fast ein Jahr später erlebt nicht nur die weltweite Logistikbranche ein Déjà-vu. Erneut ist es ein Schiff der taiwanischen Containerreederei Evergreen Marine, das gestrandet ist. Die Havarie ereignete sich indes 5.000 Seemeilen weiter westlich in der Chesapeake Bay, etwa 50 Kilometer östlich von Washington, D.C.
Nach Angaben der US-Küstenwache ist das Schiff am 13. März gegen 21 Uhr auf Grund gelaufen. Zuvor hatte sie mit einem Lotsen an Bord den Hafen von Baltimore durch den Craigshill-Kanal verlassen. Während die Wasserstraße an dieser Stelle einen leichten Rechtsbogen beschreibt, scheint das Containerschiff „immer vorwärts“ gefahren zu sein, verließ zwischen den Bojen 16 und 14 das Fahrwasser und kam kurz darauf – diagonal zum eigentlichen Fahrwasser – zum Stehen.
Ähnlich der „Ever Given“ kommen zum jetzigen Zeitpunkt mehrere Ursachen in Betracht, einschließlich eines Maschinen- oder Ruderschadens. Laut Navigationskarten war das Schiff mit 13 Knoten oder ungefähr 24 km/h unterwegs, bevor es mitten in der Bucht zum Stillstand kam. Sowohl ein wesentliches Abbremsen als auch Ruderbewegungen sind auf den Karten nicht zu erkennen. Im Gegenteil:
7/Great video by @jsrailton on the voyage of #EverForward.
The only thing I would add is note how tight the fit is for the ship in the dredged channel (the white area).
Even coming off the dock it is close, with little margin for error.
— Sal Mercogliano 🚢⚓🧭🐪🚒🏴☠️ (@mercoglianos) March 15, 2022
Viel Platz erleichtert die Bergung … nicht
Auch die „Ever Given“ war mit 13 Knoten (statt der erlaubten acht) unterwegs. Beide Havarien sind jedoch unterschiedlich. Während die „Ever Given“ den Suezkanal und damit etwa zwölf Prozent des Welthandels blockiert, steht die „Ever Forward“ neben dem eigentlichen Fahrwasser. Zudem bietet die Chesapeake Bay viel Platz für andere Schiffe, um zu manövrieren.
Unter diesen Umständen kann sich ein großes Schiff gut festfahren, vor allem auf weichem Schlamm. Während die AIS-(Positions-)Daten für die „Ever Forward“ 13 Meter Tiefgang angeben, zeigen Gewässerkarten für diese Stelle lediglich etwa über sieben Meter Wassertiefe an.
Fachleute befürchten daher, dass es viel Zugkraft, günstige Gezeitenbedingungen Ende des Monats, Baggerarbeiten oder das Entfernen von Treibstoff oder Ladung benötigt, um das Schiff wieder flottzumachen, wenn nicht sogar alles.
1/Some photos from today of #EverForward. A view of her shows her bow is almost 4 meters (13 feet) out of the water. She is 17 to 24 feet of water and draws 42 feet.
This is is going to be a prolonged salvage to get her off. pic.twitter.com/g3EYaFD74m
— Sal Mercogliano 🚢⚓🧭🐪🚒🏴☠️ (@mercoglianos) March 15, 2022
Laut gCaptain.com, einem Blog des ehemaligen Supertanker-Kapitäns John Konrad, scheint sich diese Einschätzung zu bestätigen. Dort heißt es:
„Nachdem die ersten Versuche, das Schiff wieder flottzumachen, gescheitert waren, gab es anscheinend nicht viel Schleppertätigkeit um die ‚Ever Forward‘. Das zeigt mir, dass diese Situation nicht so schnell zu beheben sein wird – vor allem, wenn man bedenkt, dass seit der Grundberührung bereits einige Hochwasser vergangen sind.“
Die Küstenwache, welche die Bergung koordiniert, teilte seinerseits mit, dass die Pläne, wie man das 12.000-TEU-Schiff bergen kann, noch in Arbeit seien. Das Bergungsunternehmen „SMIT Salvage“ war bereits an der Bergung der „Ever Given“ beteiligt.
Beobachtung und Sicherheitszone angeordnet
Wie gCaptain weiter berichtet, hat die Küstenwache die Schiffsbesatzung dazu aufgefordert, alle vier Stunden sämtliche Hohlräume der „Ever Forward“ zu prüfen. Auf diese Weise sollen mögliche Umweltschäden weitgehend vermieden werden. Bislang wurden diesbezüglich keine Vorkommnisse gemeldet.
Für die Sicherheit des Schiffs ist darüber hinaus die Lage im Wasser wichtig. Auch wenn die Ladung von Containerschiffen weniger schnell verrutscht, ist es nicht ausgeschlossen, dass das Schiff kentern kann. Um im Fall der Fälle keine anderen Schiffe zu gefährden, hat die Küstenwache zudem eine Sicherheitszone von etwa 460 Meter eingerichtet. Schiffe in der Nähe unterliegen ab sofort einer Einbahnstraßenregelung und dürfen nur mit reduzierter Geschwindigkeit verkehren.
Eigentlich sollte die „Ever Forward“ am 17. März in Norfolk, Virginia, einlaufen. Wie lange die Verzögerung dauert, ist unklar. Die „Ever Given“ erreichte ihren Zielhafen Rotterdam trotz Bergung binnen sechs Tagen erst mit über 100 Tagen Verspätung. Anschließend folgte ein Werftaufenthalt in Frankreich.
Details der „Ever Forward“
Länge: 333,96 Meter
Breite: 48,4 Meter
Tiefgang (aktuell) 13,0 Meter (max. 16,0 Meter)
Bruttoraumzahl: 117.340
Tragfähigkeit: 127.076 Tonnen
Kapazität: 12.118 TEU
Geschwindigkeit (max.): 23 Knoten
Baujahr: 2020
Reederei: Evergreen Marine
Flagge: Hongkong
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