Energiewende in Zeiten von KI: Extraschub für die Kernenergie?

Künstliche Intelligenz entwickelt sich immer weiter. Sie kann unseren Alltag erleichtern. Doch die wachsenden Datenmengen erhöhen den Strombedarf. Den wollen internationale Techgiganten jetzt mit Kernenergie bedienen.
KI
Die Kernkraft könnte durch KI eine Rennaissance erleben.Foto: Canetti/iStock
Von 29. Oktober 2024

Künstliche Intelligenz (KI) verarbeitet bei ihrer Rechenleistung gewaltige Mengen an Daten. Das benötigt Energie. Sehr viel Energie.

Die Megakonzerne Google und Amazon setzen stark auf diese Technologie. Um auch in Zukunft den gewaltigen Strombedarf decken zu können, haben beide vor Kurzem angekündigt, dass sie in Kernreaktoren investieren wollen. Auch Microsoft schlägt diesen Weg ein.

Digitale Datenflut

Seit 1993 ist das Internet über das World Wide Web für die Öffentlichkeit nutzbar. Seitdem hat das weltweite Datenvolumen exponentiell zugenommen. In diesem Jahr werden es laut „Statista“ rund 147 Zettabyte sein. 1 Zettabyte entspricht 1.000 Exabyte oder 1 Milliarde Terabyte.

Heute entstehen laut „WELT“ weltweit jeden Tag rund 403 Millionen Terabyte an neuen Daten. Rund die Hälfte davon als Videomaterial. Viele neue Daten generieren die Nutzer zur Kommunikation. So durchqueren täglich rund 334 Milliarden E-Mails, 2,5 Milliarden Facebook-Nachrichten und rund 500 Millionen Tweets auf der Plattform 𝕏 das Internet. Hinzu kommen Nachrichten über zahlreiche andere digitale Portale.

Zur Datenflut tragen auch die 150 Millionen Stunden pro Tag in Form von Zoom-Videokonferenzen und Warenbestellungen bei Amazon im täglichen Wert von rund 600 Millionen Euro bei.

Durch die rasche Digitalisierung unseres Alltags fand KI aber spätestens ab 2011 Einzug in unser Leben. In jenem Jahr brachte Apple den Sprachassistenten „Siri“ auf den Markt. Wenige Jahre später präsentierte Microsoft die Software „Cortana“ und von Amazon kam „Alexa“. Seitdem wurden diese und andere Programme immer raffinierter.

Inzwischen gibt es KI-Roboter, die selbstständig laufen, arbeiten und mit Menschen kommunizieren können. Ein aktuelles Beispiel dafür, das Tesla vor Kurzem der Öffentlichkeit vorstellte, ist der Roboter Optimus.

Stromhunger der Rechenzentren

Zahlreiche große Rechenzentren in der Welt verarbeiten diese Informationen mit all ihren technischen Komponenten wie Server und Kühlelementen. Das IT-Unternehmen IBM hat laut „DataCenter-Insider“ ermittelt, dass ein kleines Rechenzentrum auf 100 Quadratmetern Nutzfläche und geringer IT-Leistung 876.000 kWh pro Jahr verbraucht. Ein großes Rechenzentrum mit 1.000 Quadratmetern und hoher IT-Leistung kommt auf 26.280.000 kWh pro Jahr. Mit dieser Energiemenge könnte man 11.432 durchschnittliche Elektroautos ein Jahr lang betreiben.

Laut einer Untersuchung der International Energy Agency haben die Datenzentren der Welt einen Anteil von rund 4 Prozent am weltweiten Strombedarf, wie „WELT“ berichtete. Das entspricht in etwa dem Gesamtjahresverbrauch von Japan. In nur zwei Jahren soll sich der Bedarf auf einen Anteil von 8 Prozent verdoppeln.

Riesiger Energiehunger von KI: Neuer Antrieb für die Kernenergie?

Rechenzentren benötigen viel Energie. Foto: Stefano Marzoli/iStock

Durch den steigenden Strombedarf sinkt zudem zunehmend die Wahrscheinlichkeit, dass die Großkonzerne ihre selbst gesteckten Klimaziele erreichen. So wollte beispielsweise Google ursprünglich bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein. Derzeit bezieht das Unternehmen seinen Strom überwiegend aus Kraftwerken, die fossile Brennstoffe verfeuern.

In Googles aktuellen Umweltbericht (Environmental Report 2024) gesteht der Konzern ein: „Da wir die KI weiter in unsere Produkte integrieren, könnte die Reduzierung der Emissionen aufgrund des steigenden Energiebedarfs durch die höhere Rechenintensität der KI und der Emissionen im Zusammenhang mit den erwarteten Steigerungen unserer Investitionen in die technische Infrastruktur eine Herausforderung darstellen.“

Auch bei Microsoft steigen die CO₂-Emissionen kontinuierlich an: Seit 2020 nahmen sie laut „WELT“ um 30 Prozent zu.

Warum kleine Kernkraftwerke?

Die Konzerne wollen nicht auf den Ausbau ihrer KI-Technologien verzichten. Um auch die Klimaziele möglichst erreichen zu können, fiel die Wahl deshalb auf die Kernenergie. Von allen Kraftwerksarten hat diese Energiequelle die niedrigsten CO₂-Emissionen.

Ein weiterer Vorteil der Kernenergie ist laut dem Diplomphysiker Dieter Böhme die hohe Leistungsdichte von rund 700 Watt pro Quadratmeter (W/m²). So viel Leistung pro Fläche schafft derzeit keine andere Kraftwerksart. Zum Vergleich: Die Windkraft erreicht lediglich 0,5 bis 2,0 W/m² und Photovoltaik kommt auf 10 bis 15 W/m². Die Leistungsdichte von Wasserkraft kann immerhin schon bis zu 60 W/m² erreichen, was aber auch noch weniger als einem Zehntel der Kernenergie entspricht.

Im Fokus stehen dabei vor allem die Small Modular Reactors (SMR) – kleine, modulare Reaktoren. Google hat laut „WELT“ sich dafür bereits mit dem US-amerikanischen Unternehmen Kairos Power geeinigt, das dem Tech-Konzern Strom aus einem SMR liefert. Bis 2030 soll der erste SMR in Betrieb gehen. Er wird dann eine Leistung von 300 Megawatt haben, was für die Stromversorgung einer mittelgroßen Stadt ausreicht.

Der Versand- und Cloud-Konzern Amazon will einen ähnlichen Weg wie Google gehen und unterzeichnete diesen Monat drei Vereinbarungen für SMR-Projekte. Demnach will Amazon in die Entwicklung dieser Reaktortechnologie investieren, um später davon Strom beziehen zu können.

Bei den drei Vertragspartnern handelt es sich um die US-Firmen Energy Northwest, X-energy und Dominion Energy. Energy Northwest ist ein Konsortium aus staatlichen Versorgungsunternehmen, das vier SMR entwickeln will. X-energy ist ein führender Entwickler von SMR-Reaktoren und fortschrittlichen Brennstoffen. Das Versorgungsunternehmen Dominion Energy will einen SMR-Reaktor in der Nähe des bestehenden Kernkraftwerks North Anna in Virginia realisieren.

SMR noch in den Kinderschuhen

Die Technologie der SMR steckt noch in den Kinderschuhen. Weltweit sind laut „WELT“ erst drei dieser Mini-Reaktoren in Betrieb. Eines in China, eines in Russland und ein weiteres im Testbetrieb in Japan.

Ebenso versuchen einige andere Länder – darunter die USA – die SMR-Technologie zur Serienreife zu bringen. Weltweit sind momentan mehr als 80 SMR-Projekte in 18 Ländern bekannt. Deutschland ist aufgrund des von der Politik beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie nicht darunter vertreten.

Ein SMR-Projekt betreibt etwa das Start-up-Unternehmen newcleo. Es hat spezielle, von Blei gekühlte Kernreaktoren entwickelt. Die Gefahr einer Kernschmelze soll hierbei viel geringer sein als bei herkömmlichen Reaktoren. Der erste europäische Kernreaktor dieser Art könnte in Rumänien entstehen.

Reaktivierung stillgelegter Meiler

Den Kurs Richtung Kernenergie hat auch Microsoft eingeschlagen. Der von US-Milliardär Bill Gates mitgegründete Techkonzern schloss einen Stromabnahmevertrag mit einem Stromanbieter im Bundesstaat Pennsylvania ab. Deswegen wird dort der vor fünf Jahren stillgelegte Reaktor des Kernkraftwerks Three Mile Island wieder reaktiviert.

Wenn die zuständige US-Behörde dafür grünes Licht gibt, kann Microsoft ab 2028 Strom von dem Reaktor für seine Rechenzentren beziehen.

Jensen Huang, Geschäftsführer des Chipherstellers Nvidia, teilte kürzlich mit, dass Kernenergie ein „lebenswichtiger, integraler“ Bestandteil für den Betrieb der KI sein wird. Er hofft, dass die Menschheit in Zukunft noch mehr Energie verbrauchen wird. Denn das hänge direkt mit der Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlstands zusammen. „Wir möchten, dass jeder Mensch in den Genuss dieser Lebensqualität kommt“, so Huang.

 



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