Eine Kanu-Tour vorbei am amazonasgrünen Mangrovenwald Brandenburgs
Manchmal sind es die unerwarteten Freuden, die den Tag ausmachen. Nachdem alles für einen kurzen Kajakausflug gepackt war, mussten wir nach einigen vergeblichen Versuchen feststellen, dass der alte Dachgepäckträger nicht zum neuen Auto passte. Obwohl der Nachmittag darüber schon fortgeschritten war, dachten wir: Kein Problem, fahren wir einfach mal los und schauen uns die Gegend trotzdem an – nur eben zu Fuß.
Das Ziel: Der Naturpark Stechlin-Ruppiner Land in Brandenburg. Die Satellitenansicht der Navigations-App weist ein von dem kleinen Fluss Rhin durchzogenen Landstrich auf, der an das undurchdringliche Grün des Amazonas erinnert. Dicht an dicht stehen dort die Bäume bis ans Wasser und es gibt kaum Wege.
Ohne Wassergefährt blieb der Sehnsuchtsort jedoch unerreichbar. Dennoch blieben wir in der Nähe und kundschafteten die Gegend ein wenig aus – fürs nächste Mal. Es gibt dort reizende Stellen.
Die Legende der „schönen Sabine“
Binenwalde ist so ein Ort: Eine Vielzahl kleiner Datschen säumen das Ostufer des Kalksees. Dort bekommen sie die Abendsonne ab, die sich quer über den See ergießt. Und es steht dort ein alt-herrschaftliches Gutsgebäude, um das sich eine Legende rankt. Das vor und nach der Wende lange als Kinderheim genutzte Gebäude wird von Kastanien umrahmt und hat türkisfarbene Fensterläden, rote Dachschindeln und vier große Eingangssäulen.
Der Legende nach soll die Tochter des Försters Cusig – die „schöne Sabine“ – bei ihren Bootsausflügen auf die andere Seite des Sees einen jungen Mann getroffen haben, der sich als Fritz ausgab. Dieser begleitete ihren Gesang mit der Flöte. Als die Besuche des geheimnisvollen Flötenspielers ausblieben, forschte ihr Vater nach und stellte fest, dass es sich um den Kronprinzen Friedrich gehandelt hatte, der aber nicht mehr kommen konnte, weil er nach Berlin gezogen und dort zum König gekrönt worden war. Als Dank für die schönen gemeinsamen Stunden am Kalksee schenkte er ihr ein Gut am See, das nun Binenwalde genannt wurde.
Auch wenn chronologischen Daten eine solche Verbindung es unmöglich erscheinen lassen, steht fest, dass die Mitte des 18. Jahrhunderts gegründete Kolonie Binenwalde am See nach der jungen Frau benannt wurde.
Unerwartete Gelegenheit
Wir stellen das Auto an einer kleinen Brücke ab. Gemächlich fließt darunter ein schmaler Fluss dahin. Hier wäre der Einstieg für unsere Kajaktour gewesen. Mit einem sanften Plitsch und Platsch ziehen Kajakfahrer vorbei. Wo sie die Boote gemietet haben, möchte ich wissen. Sie zeigen mir die Richtung. Ich schaue auf die Uhr: halb sechs – wohl zu spät für eine Tour.
Zwanzig Minuten später rollen wir langsam auf das Gelände des Bootsverleihs. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Auf einem Schild eine Telefonnummer. Ich rufe an: Ob wir uns noch ein Boot ausleihen könnten? „Nein, kein Kajak, lieber ein Kanu. […] Kein Problem, stellen Sie das Boot einfach ab, wenn Sie wieder zurückkommen“, sagt die Frau am anderen Ende der Leitung, nachdem sie uns einen Sonderpreis gemacht hat, „und nehmen Sie sich eine Tonne mit für die Wertsachen, viel Vergnügen!“
Eine Naturidylle
Zwischen Seerosen und unter umgekippten Bäumen, die über dem schmalen Wasserlauf liegen, geht die Tour los. Sanftes Abendlicht fällt durch den dichten Blätterwald. Mit Kopfeinziehen, vorsichtigem Umsteuern der Hindernisse und ein paar leichten Paddelschlägen gleitet das Kanu in den breiteren Hauptlauf. Weit und breit keine Seele.
Zu beiden Seiten tun sich am Ufer mangrovenwaldartige Öffnungen auf. Bäume stehen wie auf kleinen Inseln – von Wasser umspült. Mit dem Kanu wäre da kein Fortkommen. Also weiter in der Mitte des Flusses. Fischreiher stehen einbeinig im seichten Wasser, Enten schlafen auf Holzpfosten und Schwäne bugsieren sich mit stattlichen Schwingen in die Höhe – in der Ferne ruft ein Kuckuck. Weitere kleine und große Vögel sind zu bestaunen.
Eine Ringelnatter kreuzt schwimmend unseren Weg. Wir fahren durch Biberland: Immer wieder verweisen die kegelförmig abgenagten Äste und Stämme und die Biberbauten aus zusammen geschichteten Ästen auf die Existenz des Nagers, der aber zumeist nachtaktiv ist und daher noch nicht zu sehen ist.
Für kurze Zeit wird die Idylle gestört: Ein tuckernder Außenbordmotor kündigt ein Hausboot an, das gemächlich um eine Kurve kommt. Die Wellen lassen das Kanu tanzen und ebenfalls die Stämme, die vor dem Ufer angebracht worden sind – wohl um die Wellen zu brechen und die „Mangroven“-Sumpflandschaft zu schützen. Dann herrscht wieder Stille.
Wenig später weitet sich der Rhin und das Kanu gleitet auf der weiten Wasserfläche des Zermützelsees, in der Ferne ist ein Campingplatz zu sehen. Von hier aus könnte es tagelang weitergehen auf einer Kette von Seen und Flüssen. Und auch in der Gegenrichtung, von wo wir gekommen sind, gibt es vielfältige Möglichkeiten, die Tour fortzusetzen. Oder ein Zelt am Ufer des Sees aufschlagen?
Langsam ziehen wir das Kanu an Land und säubern es mit einem Schwamm. Dann hinterlegen wir das Geld wie vereinbart in einer Tonne. Wir sind voll mit Eindrücken und dankbar für das Vertrauen, das uns diese Tour ermöglicht hat.
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