Infraschall durch Windturbinen: Gebäude bieten laut Ärztin keinen Schutz
In Deutschland entstehen im Rahmen der Energiewende immer mehr und immer größere Windkraftanlagen. Aus Sicht der Fachärztin Dr. med. Ursula Bellut-Staeck stellt das „ein gewaltiges Problem für jegliche Form von Organismen“, einschließlich des Menschen, dar. Seit mehreren Jahren beschäftigt sich die Wissenschaftsautorin ausführlich mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall.
Infraschall ist als Schallwelle mit einer Frequenz von unter 20 Hertz (Hz) definiert. „Nach den Gesetzen der Physik ist er eine physikalische Kraft, die in Luft, Festkörpern und Wasser, geleitet wird. Einzelne Teilchen werden in Schwingung versetzt, geben die Energie weiter und fallen in den Ausgangszustand zurück“, erklärt Bellut-Staeck.
Immer tiefere Frequenzen …
Dabei gelte: je tiefer die Frequenz des Schalls, desto größer seine Wellenlänge und umso geringer seine Dämmbarkeit. Konkret soll er laut der Ärztin Wände, Menschen und Tiere durchdringen. „Mit immer größeren Windkraftanlagen werden die Frequenzen immer tiefer. Das macht den Infraschall problematischer und gefährlicher, wie wir jetzt mit großer wissenschaftlicher Evidenz sagen können.“
Sie teilte mit, dass heutige Windräder sehr tiefe Frequenzen von bis zu 0,25 Hz erreichen. Die Länge einer solchen Welle beträgt knapp 1,4 Kilometer.
Infraschall weist dabei eine weitere Besonderheit auf, denn Frequenzen unter 16 Hz können Menschen im Normalfall nicht hören. Dies markiert die sogenannte (untere) Hörschwelle. Mit anderen Worten: viele der von Windkraftanlagen ausgesendeten Geräusche können wir nicht hören. Gegebenenfalls spüren wir sie aber im Körper als Brummen oder Grollen, wie etwa bei einem Lautsprecher. Dennoch können die von den unhörbaren Schallfrequenzen ausgehenden mechanischen Kräfte auch ohne Wahrnehmung auf die Zell- und Membranstrukturen einwirken, schilderte sie.
… verbreiten sich über Luft und Boden
Doch wie genau entsteht Infraschall überhaupt? „Dafür braucht es rotierende Massen, Resonanzeffekte und Vibration“, sagt Bellut-Staeck. „Bei einem Windrad entsteht er vor allem durch das Vorbeistreichen des Rotorblattes am Mast.“ Das Rotorblatt schiebe große Luftmassen vor sich her, die dann am Mast eine Unterbrechung erfahren.
„Rund 60 Prozent der umgesetzten Energie geht dabei als hörbarer Schall, als Infraschall und als Wärme in einer rotierenden Bewegung weg. Gleichzeitig wird über den Turm Körperschall zum Boden geleitet, der so bis in die Häuser eindringen kann.“ Gebäude würden demnach keinen Schutz vor Infraschall bieten. „Im Gegenteil: In den Räumen können sich luftgetragener Infraschall und bodengetragener Körperschall erheblich addieren. In Wohnräumen, aber auch in Ställen können sich stehende Wellen bilden“, so Bellut-Staeck.
Etliche Symptome bei Mensch und Tier
Infraschall wirkt sich laut Bellut-Staeck auf die Mikrozirkulation, also den Blutkreislauf des feinen Kapillarnetzes aus. Diese reguliere sich ohne negativen Einfluss selbstständig und stellt dem Körper jederzeit die gerade benötigte Menge Sauerstoff und Nährstoffe zur Verfügung.
Genauer gesagt reagieren die Endothelzellen, die an der Innenwand der Kapillaren liegen, auf den Infraschall. Diese Zellen haben neben Nährstofftransport viele lebenswichtige Funktionen wie Wachstum, Embryonalentwicklung, Entzündung und Blutdruckregulation, schildert die Ärztin.
„Seit etwa 2015 fiel auf, dass bei Menschen, die Infraschall und Vibration technischer Emitter ausgesetzt waren, Symptome zeigten, die Mikrozirkulationsstörungen entsprechen.“ Besonders sei dieser Effekt nach dem Austausch kleinerer durch größere Windkraftanlagen aufgetreten. Als Symptome zählte Bellut-Staeck teils erhebliche Blutdrucksteigerungen, Schwäche, Schwindel, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Brustdruck, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Schulleistungsstörungen bei Kindern und Schlafstörungen auf.
Neben dem Menschen hätten auch zahlreiche Tiere auf Windkraftanlagen reagiert. In deren Nähe sei ein ausgesprochenes Vergrämungsverhalten beobachtet worden. Heißt: sie verlassen die Region weitläufig. Ortsgebundene Tiere wie beispielsweise Pferde, Kühe und Haustiere sollen Verhaltensänderungen gezeigt haben, bei Kühen etwa ein Rückgang der Milchproduktion. Zudem sei bei allen die Fortpflanzungsfähigkeit zurückgegangen sowie gehäuftes Auftreten von Missbildungen.
„Die Symptome bei Tieren können kein Nocebo-Effekt sein“, merkte die Ärztin an, wie offizielle Behörden teilweise annehmen. Der Nocebo-Effekt beschreibt eine negative gesundheitliche Auswirkung allein durch eine negative Erwartung – ohne Erwartung, kein Nocebo-Effekt.
Bellut-Staeck wies darauf hin, dass auch andere technische Anlagen Infraschall aussenden und insbesondere im Wohnbereich große Probleme verursachen können. Das treffe beispielsweise auf Biogasanlagen, Gasturbinen und Wärmepumpen zu. Allerdings rechne sie bei großen Windkraftanlagen mit den weitreichendsten Folgen für Umwelt und Biodiversität – gerade aufgrund deren Zunahme von Anzahl und Größe.
„Mit der natürlichen Belastung [etwa durch Stürme und Gewitter] können solche chronisch und impulsiv einwirkenden tieffrequenten Stressoren niemals vergleichbar sein“, fügte sie hinzu.
Warum diese Wellen für Lebewesen schädlich sind
Die Lebensfunktionen hängen von der ungestörten Übertragung „innerer“ Kräfte ab, erklärt Bellut-Staeck weiter. Diese wiederum benötige intakte Endothelzellen. „Endothelschäden, insbesondere ihr entzündlicher Zustand wie beispielsweise bei Bluthochdruck oder Diabetes, sind die Grundlagen für Arteriosklerose und Gefäßalterung. Endothelschädigung entsteht durch schwingenden, also Kräfte-Stress und oxidativen Stress.“
Trifft der tieffrequente Schall bei seiner Fortleitung im Gewebe als physikalische Kraft auf Endothelzellen, wird er dort laut der Ärztin über die Stützfilamente der Endothelzellen – im Gegensatz zu höherfrequenten Ereignissen – bevorzugt weitergeleitet.
„Wissenschaftlicher Stand ist, dass die Stützfilamente – davon insbesondere Aktinfasern – eine sogenannte Tieffrequenz-Filter-Funktion haben“, so Bellut-Staeck. Diese Durchleitungsmöglichkeit sei bei chronischem Auftreten womöglich das Problem. Die ankommenden Kräfte würden in der Zelle dann fehlerhafte Informationen erzeugen, die die sensible Autoregulation störe. „Diese Störung ist umso stärker, je tiefer und umso mehr Beschleunigung die Charakteristik der Tieffrequenz hat.“
Bellut-Staeck stellt die Hypothese in den Raum, dass tiefer Schall und Vibration als oszillatorischer (schwingender) Stressfaktor wirken kann. „Spätestens mit dem Medizin-Nobelpreis 2021 sind neben einer ganzen Reihe von Vibration aufnehmenden Zell-Rezeptoren auch die sogenannten PIEZO-Kanäle bekannt. Sie sind bei allen mehrzelligen Organismen vorhanden.“
Die Ärztin sieht aufgrund der jüngsten Erkenntnisse „dringenden Bedarf zur Festlegung problematischer Frequenzen“. Da alle Organismen auf Infraschall reagieren, „haben wir möglicherweise eine riesige, bisher unerkannte Gefahr für die gesamte Biodiversität“.
Hierbei schließt Bellut-Staeck nicht aus, dass Infraschall mitverantwortlich am Insektensterben ist. Ebenso könnte ihrer Ansicht nach der Rückgang der Schweinswalpopulation und der Fischbestände damit in Zusammenhang stehen.
Walsterben durch Infraschall?
Erst vor einigen Monaten offenbarten offizielle Daten ein zunehmendes Stranden und Sterben von Walen an der Atlantikküste der USA. Es zeigte sich ein zeitlicher und geografischer Zusammenhang dieser Übersterblichkeit bei den Walen und dem Offshore-Windkraftausbau. Bellut-Staeck ist darüber nicht verwundert. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang die sogenannte Hydroakustik, also die Schallausbreitung im Wasser.
„Aufgrund der Bedingungen der Hydroakustik stellt dauerhafter tieffrequenter Schall eine ganz besondere Gefahr für die marinen Ökosysteme dar. Schon länger war meine Sorge groß, dass diese unter anderem von Schiffslärm, besonders aber von Tieffrequenzen und Vibration, ausgeht“, sagte sie.
Im Ozean breitet sich Schall mit 1.480 Meter pro Sekunde aus – viermal so schnell wie in der Luft. „Die Schallausbreitung endet erst an einer Landmasse und nimmt mit der Tiefe, Temperatur, dem Druck und dem Salzgehalt noch zu. Die Tiefe der Meere bietet also keinen Schutz vor Schall“, so die Wissenschaftsautorin.
Es wird international spekuliert, ob das bisher ungeklärte aggressive Verhalten einzelner Meeressäuger als Verzweiflungsreaktion anzusehen ist. „Es betrifft eben nicht nur die Orientierung, sondern die Regulierung lebenswichtiger Körperfunktionen“, schildert Bellut-Staeck. „Die Folgen bei den Tieren sind auch hier: Energiemangel, chronische Entzündung, Störung der Fortpflanzung, Übersterblichkeit und Rückgang der Population.“
Internationale Ausarbeitungen
Um in Anbetracht der genannten Phänomene eindeutig das Risiko von Infraschall zu veranschaulichen oder zu belegen, fehlen derzeit noch entsprechende Studien. Bellut-Staeck teilte hierzu mit: „Diese Studien fehlen noch, weil alle Studien auch im Falle Infraschall und Vibration von der Aufnahme über das Ohr ausgingen und den Wissenschaftsstand zur Aufnahme über den Körper nicht berücksichtigten.“
Allerdings gibt es bereits erste Ausarbeitungen zur zellulären Wirkung von Infraschall. „Insbesondere drei neuere internationale Arbeiten ergaben aus meiner Sicht ab 2017 eine hohe Evidenz für schwerwiegende Gesundheitsstörungen.“ Diese umfassen:
- Die Metaanalyse „Wind Turbines and Adverse Health Effects: Applying Bradford Hill’s Criteria for Causation“ (Windkraftanlagen und gesundheitliche Beeinträchtigungen: Anwendung der Bradford Hill-Kriterien für die Kausalität). Sie erschien im Jahr 2021 und stammt von sechs Autoren.
- Die Ausarbeitung „Altered Cortical and Subcortical Connectivity due to Infrasound Administered near the Hearing Threshold – Evidence from fMRI“ (Veränderte kortikale und subkortikale Konnektivität nach Verabreichung von Infraschall nahe der Hörschwelle – Nachweis durch fMRI). Zehn Autoren erstellten den Wissenschaftsartikel, den sie 2017 veröffentlichten.
- Infraschall aus technischen Anlagen, von Prof. Roos und Prof. Vahl. Der Artikel erschien im Jahr 2021.
Bellut-Staeck verwies zudem auf die „Deutsche Schutz-Gemeinschaft-Schall für Mensch und Tier“ (DSGS e.V.) Dieser im Bundesgebiet tätige ehrenamtliche Verein fördert den Schutz von Mensch und Tier gegen Krankheit auslösenden Schall durch Aufklärung und Beratung über Schallerkrankungen.
Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 2. März 2024 aktualisiert, um den Kontext von natürlichen und anderen technischen Infraschallemittern wiedergeben.
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